Cityreformation damals
Die Auflösung der Klöster in Nürnberg

Warum Martin Luther und Caritas Pirckheimer
keinen gemeinsamen Nenner fanden
„Klöster sind Gefängnisse menschlicher Tyrannei“ – dieser markante Satz stammt, wie könnte es anders sein, von Martin Luther. Er hatte an einem zentralen Punkt seines Lebensweges mit dem Klosterdasein und seinen Zwängen gebrochen und konnte deshalb im streng regulierten Leben hinter Klostermauern keine Perspektive mehr erkennen.

Ganz anders Caritas Pirckheimer. Die Äbtissin des Klarissenklosters in Nürnberg, eine kluge Frau und hochgebildete Humanistin, widersetzte sich in der Reformationszeit dem Ansinnen des Rates, ihre Nonnen von ihrem Gelübde zu entbinden. Denn dieses Versprechen haben sie vor Gott abgelegt, und das kann kein Mensch auflösen, so ihr Bescheid an die Obrigkeit der Reichsstadt, die mit der Einführung der Reformation alle Klöster in Nürnberg auflösen wollte.

Klöster in Nürnberg? Die Frage mag Sie überraschen, denn die Klöster der Stadt sind weitgehend aus unserem Bewusstsein verschwunden. Am Ende des Mittelalters gab es neun Frauen- und Männerklöster in der Stadt. Benediktiner aus Regensburg (hier „Schottenmönche“ genannt) gründeten 1140 das Egidienkloster, ermöglicht durch eine Schenkung des Kaisers. Es folgten das Kloster des Deutschen Ordens, die Franziskaner, die Klarissen, die Augustiner, Dominikaner und Dominikanerinnen, Karmeliter und Kartäuser.
Klöster prägten das geistliche Leben in Nürnberg vom 12. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts. Im Glauben des Mittelalters spielte die Furcht vor Fegefeuer und Hölle eine dominante Rolle. Anlässe, sich vor Höllenstrafen zu fürchten, gab es nach damaliger Auffassung der Kirche viele, denn im normalen Leben der Menschen gab es unzählige Möglichkeiten, Sünden zu begehen.
Im Kloster aber lebte man in einer anderen Welt. Geprägt von Besitzlosigkeit, dem Verzicht auf Ehe, Gehorsam gegenüber dem Abt, jeder Tag im Rhythmus von Arbeit und Gebet. Wobei die Arbeit auch im Bücher schreiben und Bücher lesen bestand, und Bücher waren zu dieser Zeit eine Kostbarkeit. Diesen frommen Lebenswandel definierte man als gottgefällig. Das hatte Vorteile auch für die Menschen außerhalb: Nonnen und Mönche leisteten stellvertretend und gegen Spenden Fürbitten, und die Klöster nahmen Stiftungen und zum Teil äußerst großzügige Geldzuwendungen entgegen. So wurden nicht nur
St. Sebald und St. Lorenz, sondern auch die Klosterkirchen reich ausgestattet mit kostbaren Altären, Bildern und Epitaphien. Damit setzten sich viele patrizische Familien Denkmäler im heiligen Raum. Wer von der Nürnberger Oberschicht großzügig stiftete, konnte ein Grab in einer der Ordenskirchen erwerben – am besten in der Nähe des Altars. Den Armen blieb ein schlichtes Begräbnis im Umfeld der Kirchen, ohne Sarg und Grabstein.
Diese Gepflogenheiten waren nicht das einzige, was Unmut hervorrief. Reichtum und Machtanspruch der mittelalterlichen Kirche blieben nicht unwidersprochen. Besonders im 15. und 16. Jahrhundert regte sich massive Kritik. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass es gerade in einer weltoffenen Stadt wie Nürnberg schon vor der Reformation deutliche Vorbehalte gegen den Klerus gegeben haben muss.

Die Kritik richtete sich nicht nur gegen die Klöster, sie kam auch von dort. Besonders die Augustiner, der Orden Martin Luthers, entwickelten sich in den Jahren vor der Reformation zu einer Speerspitze theologischer Auseinandersetzung. So verwundert es nicht, dass der erste evangelische Gottesdienst in Nürnberg 1523 in deren Klosterkirche St. Veit stattfand. An dieses denkwürdige Datum erinnert heute nichts mehr – nur eine unscheinbare Tafel auf der Westseite des Parkhauses an der Augustinerstrasse verweist auf den Standort dieses rebellischen Klosters. Die geistigen Impulse von damals aber prägen uns noch immer.

Im Nürnberger Religionsgespräch im Jahr 1525 ging es um die Frage, ob die Stadt den neuen Glauben einführen soll. Zu dieser Zeit war die Stimmung der großen Mehrheit der Bürger bereits pro-lutherisch. Die Äbte der Franziskaner, der Dominikaner und des Karmeliterklosters hatten die undankbare Aufgabe, die „altgläubige“ Partei zu vertreten. Sie hatten jedoch keine Chance und waren den theologischen Argumenten der anderen Seite nicht gewachsen. Wenige Monate nach dem Religionsgespräch übergab der Abt von St. Egidien, Friedrich Pistorius, das Kloster im Einvernehmen mit seinem Konvent an die Stadt. Das bedeutete aber noch nicht das Ende des Klosterlebens in Nürnberg. Während viele Nonnen und Mönche von sich aus die Klöster verließen, gab es da immer noch die widerständige Caritas Pirckheimer. Und ihre Nonnen. Die dachten gar nicht daran, ihr klösterliches Dasein aufzugeben. Das war höchst ärgerlich für den Rat der freien Reichsstadt, der gerne alle Klöster schnell aufgelöst hätte. Mit Gewalt kam man aber nicht weiter. Also musste es die Diplomatie richten. Der dafür geeignete Mann war Philipp Melanchthon, der im November 1525 nach Nürnberg kam.

„Bei welchem Ereignis der Reformation wären Sie gerne dabei gewesen?“ fragte neulich das Sonntagsblatt. Ich für meinen Teil hätte liebend gerne bei der Unterredung von Philipp Melanchthon mit Caritas Pirckheimer zugehört. Zwei ungewöhnliche Gesprächspartner: die fast 60jährige Klosterfrau, die fest zur katholischen Kirche und zu den Prinzipien ihres Ordens stand, und der dreißig Jahre jüngere Gelehrte, ein profilierter Verfechter der neuen Lehre.

Melanchthons Besuch hatte noch andere Folgen. Im aufgelösten Egidienkloster entstand ein Gymnasium, das eine wechselvolle Geschichte hat, aber den Namen seines Gründers immer noch trägt. Ein wichtiges Erbe der Klöster, die Gelehrsamkeit und die Bildung, wurde damit fortgeführt. In diesem Zusammenhang wäre es eine spannende Frage, wo in unserer Stadt noch weitere Spuren des Mönchtums zu finden sind – möglicherweise an unerwarteten Orten.

Wenn man dienstags um 12 Uhr im Chor von St. Egidien vorbeischaut, trifft man auf eine Gruppe von Frauen und Männern, die sich zum Mittagsgebet versammeln – in moderner Form, aber in der Tradition der monastischen Stundengebete, die dort jahrhundertelang von den Mönchen gesungen und gebetet wurden. Eine Unterbrechung des Alltags und ein irdisches Zeichen für die himmlische Liturgie, die schon immer der Sehnsuchtsort klösterlichen Lebens war.

Text: Hans-Jürgen Krauß

 

Tipp

St. Egidien im Klosterkontext der Stadt
Führung mit Hans-Jürgen Krauß

Donnerstag, 6. April und Dienstag, 16. Mai, jeweils um 14 Uhr – Beginn: vor der Klarakirche, Königstraße 66

Kosten: € 4,-