Kirche
(1. Mose 16, 13)
Du siehst mich!

Du siehst mich: Unter dieser Überschrift fand der diesjährige große Kirchentag in Berlin und Wittenberg statt.

Du siehst mich: Voller Erstaunen und auch mit einer gewissen Rührung sagt Hagar dies zu Gott, als er sich ihr zuwendet und zwar genau an dem Punkt, als sie das Gefühl hat, eben von keinem gesehen und in ihrem Innersten wahrgenommen zu werden.

Hagar war die Magd von Sarah und Abraham. Die beiden wollten unbedingt ein Kind haben, aber es ging nicht. Da hat Sarah in ihrer Not eine Idee: „Geh doch zu meiner Magd Ha-gar“, sagt sie zu Abraham. „Vielleicht bekomme ich durch sie einen Sohn.“ Und so rutscht Hagar in die Rolle der Leihmutter (eigentlich ziemlich verrückt, dass so etwas in der Bibel erzählt wird).
Dabei wird Hagar noch nicht einmal gefragt, ob sie das denn überhaupt will. Es geht hier nicht um sie. Nein. Als Magd hat sie zu tun, was man ihr aufträgt.
Und Abraham tut, was Sarah gesagt hat.

Und siehe da: Hagar wird schwanger. Es kommt, wie es kommen muss: mit zunehmender Schwangerschaft verschlechtert sich das Verhältnis zwischen Sarah und Hagar. Da ist Konkurrenz, Demütigung, Verletzung. Schließlich flieht die schwangere Hagar. Sie will nicht länger Spielball anderer sein.

Sie flieht in die Wüste. An einer Wasserstelle macht sie Rast. Müde, enttäuscht, ratlos. Da kommt ein Engel Gottes zu ihr und fragt sie: Woher kommst du und wohin gehst du? Woher sie kommt, weiß Hagar. Und sie weiß auch, dass sie dorthin nicht mehr zurückkehren will. Aber wohin dann? Sie hat keinen Plan.
Da fordert der Engel sie trotz allem auf, wieder umzukehren. Zurück zu gehen zu Sarah und Abraham als deren Magd. Sich ihnen wieder unterzuordnen.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie bei diesen Worten in Hagar alles zusammengebrochen ist. Sieht noch nicht mal der Engel meine Not? Hört niemand meine Klage? Habe ich kein Recht auf ein eigenes Leben?
Bevor Hagar aber loslegt und ihren ganzen Frust rauslässt, spricht der Engel schon weiter: Du, Hagar, wirst einen Sohn bekommen und deine Nachkommen werden zahlreich sein. Nenne dein Kind Ismael. Der Herr hat gehört, wie du gelitten hast!
Es braucht ein wenig, bis Hagar versteht. Dann bricht es aus ihr heraus: Mein Gott: Du hast doch gesehen wie ich gelitten habe? Du weißt um mich und um meine Angst ? Hast doch mein stilles Rufen gehört?
Ja. Es stimmt wohl: Du bist ein Gott, der mich sieht!

Eigentlich zeichnet das einen sehr guten Freund oder eine Freundin aus, die mich sieht, die mitbekommt, was gerade in mir rumort.

Die einfach spürt, wenn was nicht stimmt. Und dann kommt ein kurzer Anstupser oder ein Anruf – genau zur rechten Zeit. Dich hat wohl ein Engel geschickt – so sagt man. Für manch einen ist´s ein Zufall, oder war´s Fügung?
Hagar war sich sicher: Es war Gott selbst, der ihr in der Wüste begegnet ist: Du bist ein Gott, der mich sieht. Und auch wenn er sie wieder zurückschickt: Sie weiß, dass sie nicht allein ist. Sie ist eine Gesehene. Eine An-gesehene vor Gott. Mit dem Wissen und in dem Vertrauen kann sie sich neu auf ihren Weg machen.
So grüße ich Sie herzlich!

Ihre Pfarrerin Cl. Voigt-Grabenstein

Dazu Verse aus Psalm 139
übertragen von Huub Oosterhuis

Du, Gott
Du ergründest mein Herz,
Du erforschst mich.
Du weißt um mein Gehn und mein Stehn.
Du kennst was ich denke von ferne,
mein Reisen und Wandern, mein Ruhen.
All meine Wege sind Dir bekannt –
jedes Wort, das mir kommt auf die Lippen,
unausgesprochen noch, Du hörst es schon.
Hinter mir bist Du und mir voran,
Du legst Deine Hände auf mich.
Das ist es, was ich nicht begreifen,
nicht denken kann, das ist für mich zu hoch.
..
Du, Ewiger, ergründe mein Herz,
erforsch mich, prüfe meine geheimen Gedanken.
Mein Weg führt doch nicht in die Irre? –
Führ mich fort auf dem Weg Deiner Tage.