Gesellschaft
Himmlische Dienste zwischen Himmel und Erde
Engel im Nürnberger Alltag
SÖR-Mitarbeiter Bernd Friedel macht Straßen und Gehwege sicher.

Dass Nürnbergs Straßen frei von Silvesterkrachern, Unrat oder Schnee sind, ist keine Selbstverständlichkeit. Wenn ein Ast quer über dem Gehweg liegt, wird der nicht vom Himmel aufgesogen. Vielmehr nehmen sich Menschen dieser Sache an. Bernd Friedel vom Service Öffentlicher Raum (SÖR) ist einer von ihnen. Als Facharbeiter im Straßenbau ist er in seinem Kleinkombi unterwegs und sorgt dafür, dass öffentliche Straßen, zu denen auch Gehwege gehören, sauber und sicher begehbar sind. Sieht er sich als Engel? „Das sollen andere beurteilen, Eigenlob stinkt“, sagt er bescheiden. Gut gelaunt bessert er Gehwege aus, kümmert sich um Straßenschäden und überhängende Bäume. Von November bis März ist er zudem im Winterdienst. Positive Rückmeldungen von Bürgern höre er eher selten. In akuten Fällen melden sich Leute über das Bürgertelefon, da könne es schon mal vorkommen, dass der Anwohner, der wegen eines Schlaglochs angerufen hat, noch vor Ort sei, und sich freut: „Mensch, das ist schnell gegangen.“ Alle vier Wochen kontrolliert Friedel den Frankenschnellweg, führt penibel Buch über ausgebesserte Schäden. Seit 37 Jahren verrichtet er Engelarbeit im Verborgenen.

Es gibt auch Menschen, die eher im Verborgenen leben. Senioren etwa trauen sich oft nicht allein aus der Wohnung, bleiben in der Stube hocken. Das kann krank und einsam machen. Deshalb bieten Anna und Volker Springhart in Langwasser die 3000 Schritte Spaziergänge an, wollen Bewegung und soziale Kontakte ermöglichen. Volker Springhart brachte die Idee nach Langwasser, setzte sie mit dem Zentrum Aktiver Bürger um, einer Freiwilligenagentur, die ihn als Ehrenamtlichen anbindet und Haftungsfragen absichert. Woche für Woche gehen die Springharts mit den Senioren drei Kilometer in einer Stunde, in gemütlichem Tempo, bei jedem Wetter – seit mittlerweile fast zehn Jahren. Das läuft ganz entspannt: Es kostet nichts. Niemand muss sich an- oder abmelden. Eine Mitgliedschaft braucht es nicht. Wer mittwochs um 10.30 Uhr zum Treffpunkt im Bewegungspark kommt, läuft mit. Jeder kann schnell Anschluss finden. Ob sich die Springharts als Engel fühlen? „Ich empfinde mich überhaupt nicht als Engel“, sagt Springhart resolut, und das würde auch für seine Frau gelten. Weil er durchweg positive Rückmeldungen bekommt, will er noch lange weitermachen: „Bis ich nicht mehr gehen kann“, wie er sagt.

 

Was ist, wenn Menschen nicht mehr gut gehen können, Einschränkungen in ihrer Mobilität haben, und sich trotzdem auf Reisen begeben wollen? Die „blauen Engel“ von der Bahnhofsmission begleiten und helfen beim Ein- oder Umsteigen und sind Anlaufstelle für Menschen in akuten Notsituationen. Der Großteil der Nürnberger Bahnhofsengel arbeitet ehrenamtlich. Helmut Schmidt ist seit 2008 einer von ihnen: „Wir sind die Engel vom Bahnhof. Dem kann ich teils zustimmen und teils nicht.“ Wieso denn „teils nicht“? „Mir sind noch keine Flügel gewachsen, ich muss das noch länger machen“, sagt er verschmitzt, berichtet von positiven Rückmeldungen: „Vielen Dank, dass Sie der Oma beim Umsteigen geholfen haben, sie hätte es allein nicht geschafft.“ Seine Kollegin Margit Müller ist seit 15 Jahren ehrenamtlich im Dienst. Als Engel empfinde sie sich nicht, das sei für sie was Edleres. Bei der Bahnhofsmission müsse man auch mal streng sein, es gehe nicht immer engelhaft zu. Und doch gab es diesen älteren Herrn. Nachdem sie ihn eingehakt und zum Gleis begleitet hatte, offerierte er ihr, dass sie das schön gemacht hätte, wie ein Engel.  Wenn es um das Tierwohl geht, sind haupt- und ehrenamtliche Helfer des Nürnberger Tierheims im Dauereinsatz. Die Leiterin Tanja Schnabel empfindet nicht sich selbst, wohl aber ihre Mitarbeiter als Engel. Diese sind für Verwahr-, Abgabe- und Fundtiere mit viel Herz im Einsatz. Derzeit kümmern sie sich um ca. 700 Kleintiere.

 

Um sterbenskranke Menschen, die einen letzten Herzenswunsch hegen, kümmert sich der „Wünschewagen“ des ASB München. Von dort aus steuert er seit fast zwei Jahren Wunscherfüllungsorte an. Er ist speziell für die Bedürfnisse schwerstkranker Menschen ausgerüstet. Diese kommen beispielsweise aus Palliativstationen, aus Heimen oder auch von zu Hause, und sind als Fahrgäste, nicht als Patienten an Bord. Qualifizierte medizinische Fachkräfte begleiten die bayernweiten Fahrten ehrenamtlich. Das Wohlbefinden ist auf solch längeren Fahrten wichtig. Deshalb sieht er innen wohnlich, nicht medizinisch aus. Die Fahrgäste schauen durch ein Panoramafenster nach draußen, während sie liegend transportiert werden. Von außen besteht Sichtschutz. Eine Spezialliege federt Erschütterungen ab. Inge Weis ist als Ehrenamtliche fast von Anfang an dabei. Die gelernte Krankenschwester mit der Fachsanitäter-Zusatzqualifikation schwärmt von ihrem Engelsdienst: „Ich hab’s nicht bereut, ist wirklich schön. Jede Fahrt ist einmalig und mit vielen Emotionen dabei.“ Die Wünsche sind vielseitig: Ins Theater gehen, im Schwimmbad nochmals das Wasser spüren, noch ein letztes Mal das eigene Pferd auf der Koppel sehen, einmal bei einem Training des 1. FCN dabei sein. Sie erinnert sich an einen Vater, der bei der Kommunion seines Sohnes dabei sein wollte. Die Fahrt zur Kirche gestaltete sich wegen Straßensperrungen schwierig, der Wünschewagen kam mit Verspätung vor der Kirche an. Inge Weis gab dem Pfarrer Bescheid, dieser läutete so lange weiter, bis der Vater im Rollstuhl sitzen und in die Kirche gefahren werden konnte. Jeder Gast sei dankbar. Fühlt sich Frau Weis dann als Engel? „Nee, ist etwas ganz Normales“, sagt sie.

 

So sind zahlreiche Engel in guter Mission unterwegs. Und immer dann, wenn Menschen behaupten, sie würden sich nicht als Engel fühlen, sollte man näher hinschauen. Mit großer Wahrscheinlichkeit sieht man sich einem irdischen Engel gegenüber.

 

Text: Diana Schmid

Fotos: Diana Schmid, ASB München, Christian Lück

Das Wünschewagen-Team mit Projektpatin und Schauspielerin Janina Hartwig.
Dank den blauen Engeln der Bahnhofsmission gelingt Reisen auch mit Mobilitätseinschränkungen.