Kultur
Jede Woche Gottesdienst, das ist unser Wunsch!

Die oromosprachige Gemeinde in St. Jakob wächst

Es sind Christen aus Äthiopien. Eine berühmte Oromo war Machbua, die Fürst Pückler im 19. Jh. nach Deutschland gebracht hat.

„Oromo? Was soll das sein?“, das ist die typische Gegenfrage, wenn jemand hört, dass am zweiten und vierten Sonntag im Monat die oromosprachige Gemeinde in St. Jakob Gottesdienst feiert. Dazu sind die Augen zusammen gekniffen und das Gesicht leicht ungläubig und verwirrt verzerrt. Ich gestehe sofort, dass ich bis vor kurzem genauso geschaut und gefragt habe, weil auch ich überhaupt keine Ahnung hatte. Aber das ändert sich gerade! Ich möchte immer mehr wissen über die, die nach Deutschland kommen, um hier für immer oder zeitweise zu leben. Sie bringen ihre Kultur, ihre Religion, ihre Geschichte mit. Das heißt auch ihr Christentum und so wachsen gerade unterschiedliche Migrationsgemeinden protestantischer Prägung. Eine davon ist die „oromosprachige Gemeinde“ in St. Jakob mit ihrem Pastor Herrn Mulugeta. Es wird an der Zeit, sie besser kennen zu lernen, denn das ist doch die Voraussetzung für das große Wort „Integration“.

Der Hintergrund: Die Oromo sind eine afrikanische Volksgruppe, die in Äthiopien und im Norden Kenias lebt. Mit rund 25,5 Mio Menschen (= Bevölkerungsanteil von ungefähr 34 %) sind sie in Äthiopien die größte Volksgruppe (aber in sich wieder in viele Untergruppen aufgeteilt). Auf ihrem Gebiet ist auch die Landeshauptstadt Addis Abeba. Aber (!) es besteht ein echter Konflikt mit der Zentralregierung. Die genauen Zusammenhänge müssen sie im Lexikon oder im Internet recherchieren! Aber bewahren sie sich in diesem Vielvölkergemisch den Überblick. Das Christentum breitete sich bereits seit dem 4. Jahrhundert in Äthiopien aus. Also kein Wunder, dass sich die Bevölkerung heute aus 62,8% Christen (43,5% äthiopisch-orthodox, 18,6 % Protestanten und 0,7% Katholiken), 33.9 % Muslime und anderen traditionellen Religionen zusammen setzt. Derzeit werden in weiten Teilen des Landes die Christen verfolgt, ihre Kirchen und ihre Häuser zerstört. Am Rande notiert: Es war dieser exzentrische, damit unglaublich interessante Fürst und Dandy Herrmann von Pückler- Muskau (seine Biographie zu lesen lohnt sich!), der 1837 auf dem Sklavenmarkt in Kairo die 12 jährige Oromo Machbuba kaufte. Er nahm sie auf seine Reisen nach Bagdad und Istanbul als seine Geliebte mit und dann auch nach Europa. Sie stirbt schon 1840 in Muskau und hat dort bis heute ihr Grab! 

Doch zurück ins Jahr 2016 nach St. Jakob. Ich bitte Herrn Mulugeta zu einem Interview, damit ich mehr erfahre über ihn und seine Gemeinde.


Hahn: „Oromo“. Viele wissen überhaupt nicht, was damit gemeint ist. Können Sie kurz erklären, was „Oromo“ ist.

Mulugeta: Oromo ist die größte Bevölkerung in Äthiopien, die ca. 40 Millionen sind. Sie haben ihre eigne Kultur und Sprache. Es gibt mehr als 80 Sprachen in Äthiopien und von denen ist die Oromo Sprache die größte Sprache. Religiös sind viele Oromos Muslime, viele Christen und manche gehören einer Volksreligion an. Seit Jahrhunderten leiden Oromos unter politischer Unterdrückung, Menschenrechtsverletzungen, usw. Momentan ist diese Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen sehr schwer wegen der diktatorischen Regierung in Äthiopien.

Hahn: Warum fliehen soviele oromosprachige Menschen aus Äthiopien. Können Sie die Situation dort schildern?

Mulugeta: Die meisten kommen nach Deutschland, da sie in ihrer Heimat politische Probleme haben. Der kleinere Teil von ihnen ist als Ehepartner nach Deutschland (im Zuge der Familienzusammenführung) eingeladen worden als Familien hier zu blieben. Das erklärt, warum viele der Kinder hier geboren und aufgewachsen sind. Es gibt nur wenige Kinder,  die in Äthiopien geboren und mit ihren Eltern nach Deutschland fliehen aufgrund der Familienzusammenführung. Manche kommen nach Deutschland als Studenten/innen und einige von ihnen bleiben da, wenn sie nach ihrem Studium eine Arbeitsstelle bekommen.

Hahn: Über welche Wege kommen die Menschen nach Deutschland?

Mulugeta: Manche fliegen direkt von Äthiopien nach Deutschland. Aber viele meistern schwere Wege bis sie hierher kommen. Die Mitglieder unserer oromosprachige Gemeinde in Nürnberg z.B. mussten aufgrund politischer Probleme Äthiopien verlassen. Sie flüchteten in den Sudan und nachher durch die Wüste nach Libyen. Sie mussten einige Jahre, beispielsweise zwischen einem und drei Jahren, in beiden Ländern warten, bis sie es über das Mittelmeer nach Europa schafften. Sie verbrachten schwere und unruhige Zeiten in diesen beiden Ländern. Viele Christen aus Äthiopien mussten in Libyen vor der Fahrt über das Mittelmeer ihre Bibeln zurücklassen. Zum Teil haben ihnen Muslime die Bibeln weggenommen und diese verbrannt. Einige von ihnen wurden vom IS in Libyen getötet. Aber es gab auch einige freundliche Muslime, die die Christen aus dem Oromo-Volk unterstützt haben. Während der Flucht haben sie Durst nach dem christlichen Leben und dem Gottesdienst verspürt. Als sie hier ankamen, haben sie einen Ort im oromosprachigen evangelischen Gottesdienst gefunden, der 2mal monatlich in Nürnberg St. Jakob stattfindet. Unser Plan ist es, den Gottesdienst jeden Sonntag zu feiern, und wir hoffen, dass wir es dieses Jahr verwirklichen können. Obwohl die Menschen im Moment hier ihre Ruhe haben und auch ihren Gottesdienst in ihrer Sprache feiern, haben sie viele verschiedene Belastungen und Sorgen, da manche ihren Ehepartner oder ihre Ehepartnerin  im Sudan oder in Libyen zurücklassen mussten und auch die Eltern in Äthiopien.

Hahn: Und sie selbst? Wie war das bei ihnen? Wie war ihr persönlicher Weg?

Mulugeta: Ich kam nach Deutschland als Student. Ich habe mein Studium der Theologie in Deutschland abgeschlossen. Während meines Studiums habe ich in den Semesterferien meine Heimat besucht. Da entschloss ich mich dann aber aufgrund von politischer Verfolgung, in Deutschland Asyl zu beantragen. Das Asylverfahren wurde erst im Februar letzten Jahres abgeschlossen. Seitdem besitze ich eine gültige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Momentan wohne ich mit meiner Frau und meinen zwei kleinen Töchter in Schweinfurt.

Hahn: Sie sind Pastor. Wie viele Gemeinden und wo betreuen sie? Wie finanziert sich ihre Gemeinde?

Mulugeta: Ja, ich bin seit 2003 ordinierte Pastor. In meiner Heimat Äthiopien habe ich in der evangelischen lutherischen Kirche Mekane Yesus gearbeitet. Hier in Deutschland begleite ich zwei oromosprachige evangelische Gemeinden, eine in München und die andere in Nürnberg, ehrenamtlich. Wir profitieren von der finanziellen Unterstützung der Interkulturellen Projektstelle der Landeskirche, da meine Fahrkosten (nach München und Nürnberg) und die Fahrkosten unserer Mitglieder der Nürnberger Gemeinde bezahlt werden. Diese hat auch mehr als 40 Oromo Bibeln und 50 Exemplare des Katechismus für die Nürnberger Gemeinde gekauft. Sie wurden schon ausgeteilt.

Hahn: Wie läuft bei Ihnen ein Gottesdienst ab? Was ist ganz typisch?

Mulugeta: Unsere beiden Gemeinden entstammen einer Kultur, aber sie sind  multikonfessionell zusammengesetzt. Unser Ziel ist auch, dass diese Gemeinden für verschiedene Konfessionen offen sind oder sich selbst transkonfessionell verstehen. Christen mit lutherischem, aber auch pfingstkirchlichem oder orthodoxem Hintergrund verbindet die Suche nach dem Halt im Glauben. In einer solchen Gemeinde ist es nicht einfach eine bestimmte Identität zu finden. Jedes ihrer Mitglieder wünscht, dass die Gemeinde nach seiner/ihrer eigenen Konfession oder Identität benannt wird. Für jeden einzelnen ist die religiöse Beheimatung wichtig und wertvoll. Das stellt sich aber in der Vielfalt als ein großes Problem heraus, wenn wir über das Thema Sakrament oder Gemeindeordnung diskutieren. Ein Beispiel: Kinder zu taufen ist für die Mitglieder mit lutherischem und orthodoxem Hintergrund kein Problem. Aber wenn eine Person von pfingstkirchlichem Hintergrund ein Kind bekommt, fragen wir uns selbst, was wir für das Kind tun können. Manche bringen ihre Kinder in die Gemeinde und bitten, dass wir ihre Kinder ohne Taufe segnen und für sie beten. Das ist aber für einen lutherischen Pastor eine große Herausforderung. Es gibt im Übrigen auch kein einheitliches Verständnis von Abendmahl. Manche verstehen dieses nur als eine Erinnerung und andere wiederum als sinnvoll für die Vergebung der Sünden. Ich begreife aber unsere Gemeinden als offen und transkonfessionell. Und wir benutzen den Name „Evangelisch“ (Oromo Evang. Gemeinde), da das Evangelium unsere gemeinsame Gabe ist. Deshalb müssen wir bei unserem Gottesdienst vorsichtig sein, mit unserer gemeinsamen Gabe einen gemeinsamen Weg zusammen zu beschreiten.

Hahn: Warum kommen sie nicht zu den Hauptgottesdiensten in St. Jakob?

Mulugeta: Die Mitglieder unserer Gemeinde in Nürnberg sind überwiegend Neuankömmlinge in Deutschland. Sie können die deutsche Sprache nicht, sie haben keine Ahnung von Kultur oder Tradition der Deutsche evangelischen Kirche. Deswegen ist momentan alles für sie fremd. Gute Verbindung und Beziehung mit ihnen zu haben, braucht Willkommensaktivitäten als ein Teil des Körpers einer universalen Kirche. Je mehr gute Beziehung es gibt desto leichter ist es zum Hauptgottesdienst einzuladen.

Hahn: Wie sieht ihr Gemeindeleben aus?

Mulugeta: Die Münchener Gemeinde existiert seit 2008. Viele ihrer Mitglieder leben seit mehrere Jahren in Deutschland, manche sogar noch kürzer. Am Anfang hatten sich einige Leute privat in der Wohnung einer Familie gesammelt, um in ihrer Sprache zu beten, zu singen und Bibelkreis zu halten. Bald konnten sie aber ihren Gottesdienst in der Evang.-Luth.

Rogatekirche in Ramersdorf halten, als auf ihren Antrag hin ein Raum bewilligt wurde. Das war ein großer Fortschritt. Diese Gemeinde hat im Moment ca. 70 Mitglieder, allesamt Oromo.  Die Nürnberger Oromo Gemeinde wurde 2014 gegründet. Vor einem Jahr bestand sie aus nur fünf Personen, heute sind es über fünfzig. Fast ein Jahr lang hat diese Gemeinde ihren Gottesdienst im Sitzungssaal von „Mission Eine Welt“ in Nürnberg gefeiert. Aber seit März 2015 haben wir einen Raum in der Evang.-Luth. Kirche St. Jakob  bekommen. Ebenfalls ein großer Fortschritt. Die beiden Gemeinden entwickeln sich gut, und sie geben sich Mühe aktiv Christen zu sein.

Hahn: Was ist für sie schwierig in Nürnberg?

Mulugeta: Bis dato habe ich dort keine schwierige Erfahrung gehabt.

Hahn: Was ist leicht?

Mulugeta: Das Gebiet der St. Jakob Kirche ist Zentrum und ist einfach zu finden. Es ist auch nur zwei Stationen vom Nürnberger Hauptbahnhof entfernt. Das ist sehr praktisch und realistisch für mich und unsere Mitglieder.

Hahn: Was ist Ihnen an ihrem Glauben wichtig? Wo sehen sie die Unterschiede zwischen Christen (Protestanten) in Deutschland und Christen (Protestanten) in Äthiopien?

Mulugeta: Für mich ist es wichtig, dass ich meinen Glauben bis zum Ende meines Lebens halte und praktiziere. Ich will meinen Glauben wie meine lutherische Konfession praktizieren, aber gleichzeitig  andere Konfessionen respektieren. Die Evangelische Lutherische Kirche Mekane Yesus hat kein großer Unterschied von Evang. Luth. Kirche in Deutschland, da sie gleiche  Konfession folgen. Die Pfingstkirchen in Äthiopien haben auch gleiche Konfession mit den Pfingstlichen in Deutschland.

   

Aber wie man seine oder ihre Glaube in verschiedene Länder lebt, hat Unterschiede aufgrund der Kulturprägung. Der große Unterschied ist, dass beim Gottesdienst die Kirchen in Äthiopien ganz voll sind. Hier in Deutschland haben viele Leute kein Interesse, Sonntags zur Kirche zu gehen Gottesdienst zu feiern, obwohl viele Christen sind.

Ein herzlichen Dank an Herrn Mulugeta, der die Fragen schriftlich beantwortet hat! „Wachstum“ wir scheinen da von der oromosprachigen Gemeinde lernen zu können. Neulich waren dort im Gottesdienst zwei älteren Damen aus Nürnberg. Sie hatten Jahre zuvor eine Reise durch Afrika unternommen und wollten einfach wieder bei mitreisenden, „typisch afrikanischen“ Gottesdiensten dabei sein. An dieser Stelle herzliche Einladung auch zum Internationalen Gottesdienst. Dort können Sie Herrn Mulugeta und seine Gemeinde persönlich kennen lernen!

(Text: Simone Hahn, Fotos: Wikipedia, Privat)