Kultur
Zwischen Luther und Banal
Lutherfestspiele oder was sonst?

Bisher habe ich kein Luther Playmobilmännchen verschenkt. Ich besitze auch keines und bin froh darum. Als ich das kleine Plastikding zum ersten Mal in Händen hielt, konnte ich nicht anders, ich musste lachen.

Versteckt, weil es in der Pfarrkonferenz war, aber kaum zu verbergen. Kein Bauch, keine Runzeln, dafür ein immerwährendes Lächeln. Statt an Luther erinnert mich das Teil mit dem schwarzen Umhang an „Darth Vader“ (für alle Nichtwisser: ein Jedi-Ritter aus Star Wars, der von der dunklen Macht verführt zu einem Sith-Lord wurde).

ABER ich habe gesehen, dass andere ihn toll finden. Er steht bei Kolleginnen auf dem Schreibtisch und erinnert sie an Luther. Nicht an einen banalen Luther, sondern an den streitbaren, der seinen Zorn nicht zügeln konnte, der gewitzt, ohne sich an alle Regeln zu halten, seine Thesen verbreitete. Spalatin, Geheimsekretär des Kurfürsten Friedrich des Weisen, hatte eigentlich erwartet, dass Luther ihn vor mancher Veröffentlichung informiert. Hat er nicht. Er stellte ihn lieber vor vollendete Tatsachen. Ein leidenschaftlicher Kämpfer für seine Überzeugungen, der aber an vielen Tagen einfach nur Angst hatte und darin gefangen war. Wenn es ihn packte, war er weder lieb noch freundlich: Der Theologe Eck ist eine „Hure“ und Herzog Georg von Sachsen ist „das Schwein von Dresden“. Luther zügelt sich nicht, mäßigt nicht seinen Ton und wen er hasst, der bekommt das nicht durch die Blume gesagt, sondern spürt das mehr als deutlich.
Polemik war sein Markenzeichen. Radikal ist er, wenn es um Theologie geht: „Nichts, keine menschliche Tat kann frei sein von dem, was Luther Sünde nennt.(…) Deshalb können uns unsere guten Taten in Gottes Augen nicht gefällig machen (Lyndal Roper, Luther, S. 218). Entscheidend ist für ihn seine Entdeckung zur Gerechtigkeit Gottes. Er ist kein „Gutmensch“. Auch, wenn schon viel erklärt und geforscht wurde, sein Antisemitismus ist nicht wegzudiskutieren.
Er forderte härtestes Vorgehen gegen die Bauern.

Die Kirche würde „Lutherfestspiele“ aus dem Gedenkjahr machen, wird den Protestanten vorgeworfen. Statt wie er zu protestieren, würden wir lieber banalisieren und Luther zu einem lieblichen Playmobilmännchen machen (wirklich schlimm ist aber nur die Schwimmente mit Lutherantlitz!). Gut daran ist, dass man darüber vortrefflich diskutieren und streiten kann. Das bringt uns nämlich zu dem, worum es geht. Um uns und unsere Ideen, Gedanken, Inspirationen, die wir aus Luthers Schriften gewonnen haben.
Was haben wir daraus gemacht? Wo und wie spielt er eine Rolle in unserem Leben oder stellen wir ihn als „nette“ historische Persönlichkeit nur auf ein Podest?

Ich habe es gewagt und einen Playmobil Luther mit 140 cm Größe zu kaufen. Ja, ich! Er steht in der Kirche und neben ihm ein Luther-
umriss. Wundern Sie sich nicht. Er soll sie provozieren, sich selbst Gedanken zu machen. Dazu wollen wir in St. Jakob monatlich eine Frage als Anregung formulieren. Im Lutherumriss ist genug Platz zum Schreiben. Seien Sie mutig wie er und schreiben Sie dort ihre Antworten auf.

Text: Simone Hahn
Repro & Foto: Madame Privé