Interview
Barbara Hauck geht in den Ruhestand
Räume für Menschen schaffen

20 Jahre hat sie die „Offene Tür – Cityseelsorge an St. Jakob“ geleitet. Am 30. September war ihr letzter Arbeitstag. „Das kann niemand vorher üben“, gibt Barbara Hauck zu. „Seit meinem sechsten Lebensjahr wusste ich, wenn was Neues kommt, dann hat das gleichzeitig eine Struktur.“ Nun aber gibt es niemanden mehr, der ihr sagt, was sie zu machen hat: „Ich finde es reizvoll und sehr schön, mehr Zeit zu haben für Freunde, Familie, Musik und Bücher“, sagt die 66-jährige Pfarrerin im Gespräch mit der Citykirche.

 

Geboren im oberbayerischen Traunstein macht sie 1976 in Augsburg das Abitur und studiert in Erlangen evangelische Theologie. Es folgen berufliche Stationen in Lindau und Kempten. Dann arbeitet sie als wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Neues Testament der Uni Erlangen-Nürnberg und später in Neuendettelsau als Studienleiterin beim „Praxisjahr für Theologiestudierende“. 1996 tritt sie eine Pfarrstelle in Nürnberg-Lichtenhof an, ist dann für vier Jahre Leiterin der Fortbildungsprogramme im FrauenWerk in Stein bei Nürnberg und wechselt 2004 zur Cityseelsorge an St. Jakob.

Frau Hauck, zwei Jahrzehnte waren Sie Leiterin der Beratungsstelle „Offene Tür“. Da haben Sie Einblicke in alle denkbaren Lebenssituationen der Menschen bekommen. 

Es gehört zur Aufgabe der „Offenen Tür“, für die Leute in allen Lebenslagen da zu sein: Wenn es einem gut geht, aber auch, wenn es um Trennungen geht, um Lebenskrisen oder um Schicksalsschläge, die verarbeitet werden müssen.

Wie hat sich die Arbeit in den 20 Jahren verändert?

Die Einsamkeit ist größer geworden. Die menschlichen Beziehungen zwischen Partnern oder Kindern und Eltern sind komplizierter. Was jemand früher in einer krisenhaften Situation mit sich selber ausgemacht hat, dafür wird jetzt eine Begleitung gesucht.

Fällt das Frauen leichter als Männern?

Wir haben unter unseren Klient*innen ein bisschen mehr Frauen als Männer, im Verhältnis von 60 zu 40 Prozent. Dass zu uns dennoch mehr Männer kommen, als in andere Beratungsstellen, hat wohl damit zu tun, dass sich hier niemand anmelden muss. Wenn die Tür offen ist, kann man einfach reinkommen und schauen, ob da jemand sitzt, mit dem man reden möchte. Wir haben viele Männer im Team. Das macht es Männern leichter, über das zu reden, was sie bewegt.

Sie haben Ihr Mitarbeitenden-Team angesprochen. Wie groß ist es?

Gegenwärtig sind es 12 Kolleg*innen. Das sind zum Teil Pfarrer*innen, aber auch Psycholog*innen und Pädagog*innen. Es ist eine ganz bunte Mischung von unterschiedlichen therapeutischen und theologischen Kompetenzen. Sie sind immer zu zweit anwesend.

Wie war das während der Corona-Krise, als die Kirche ihre Angebote zurückfahren musste?

Wir haben auch während des Lockdowns weitergearbeitet. In der ganz kurzen Zeit, in der auch die Beratungsstellen geschlossen waren, haben wir uns mit den Klient*innen im Kirchenraum getroffen. Die Jakobskirche war immer offen.

Hatten Sie den Eindruck, dass der Wunsch nach einem Beratungsgespräch in der Pandemiezeit größer war?

Ein klares Ja. Natürlich haben sich viele nicht mehr aus dem Haus getraut. Wir haben deshalb im Dekanat Nürnberg ab dem ersten Tag des Lockdowns ein Seelsorge-Telefon eingerichtet. Wir sind immer erreichbar gewesen.

Wenn Sie auf Ihr Berufsleben als Pfarrerin zurückblicken: Was war Ihnen besonders wichtig?

Ich wollte immer Räume für Menschen schaffen, die reden wollten oder Anregungen suchten, um sich über ihr Leben oder sich selbst Gedanken zu machen. Zu diesen verlässlichen Räumen gehörten auch die Gottesdienste. Die Leute sollten wissen, was ich als Pfarrerin für ein Mensch bin, und wie ich predige. Das Wichtigste war mir immer, dass wir in Nürnberg eine Kirche sind, in der verlässlich und einladend ein Ort für alle Menschen zur Verfügung steht, die über das reden wollen, was sie bewegt. Ich bin sehr froh, dass es die „Offene Tür“ weiterhin geben wird. Die Nürnberger Kirche kann stolz auf diese wunderbare Kombination sein: Die Beratungsstelle mit zwei schönen und ruhigen Räumen in der wunderschönen Jakobskirche. Das ist etwas, um das uns viele beneiden.

 

Interview: Paul Schremser
Foto: Madame Privé / Daniel Ochs

 

Info

Der Gottesdienst zur Verabschiedung von Pfarrerin Barbara Hauck in den Ruhestand findet am Sonntag, 6. Oktober, um 11 Uhr in St. Jakob statt. Im Anschluss gibt es einen Empfang im Gemeindesaal der Jakobskirche.