Ausstellungen in Nürnberg und Coburg spannen weites Panorama auf
Alles in Luther

Ökumenische Gottesdienste, das große Reformationsfest in und um St. Sebald, die ION unter dem Motto Re:format:ion, eine lange Luthernacht im Landeskirchlichen Archiv und mehreren Gemeinden, dazu TV-Übertragungen und Historienspiele auf der Klosterhofbühne in Langenzenn und andernorts – zum Reformationsjubiläum „luthert“ es an allen Ecken und Enden. Hand aufs Herz: Kommen Sie noch mit? Oder haben Sie – innerlich und medial – schon abgeschaltet?

Die Sommerwochen bieten Gelegenheit zum Luftholen und Durchschnaufen – und dazu, sich noch einmal in aller Ruhe aufzumachen zu anregenden und spannenden Entdeckungstouren in die große Epoche der beginnenden Neuzeit. Zwei Museen in Nürnberg laden dazu ein – und die große Landesausstellung auf der Veste Coburg.
Nicht Luther, sondern Nürnbergs Malergenie Albrecht Dürer ist Ausgangspunkt der kleinsten und deshalb am leichtesten zu bewältigenden der drei Sonderschauen. An seiner einstigen Wirkungsstätte, im Dürerhaus am Tiergärtnertor, geht es bis 4. Oktober um die Frage: War der Großmeister nicht nur Zeitgenosse, sondern auch Anhänger der Reformation? Vergebens hoffte er darauf, dass ihm der Reformator für ein Porträt sitzen würde – damit machte vielmehr sein Konkurrent Lucas Cranach Furore.
Eine Spurensuche durch viele seiner berühmten Kupferstiche, Holzschnitte und Federzeichnungen nach dem „neuen Geist und neue Glauben“ bringt allerdings kein eindeutiges Ergebnis. Dürer hielt wohl guten Kontakt zu Anhängern des neuen Glaubens wie zu solchen, die reserviert blieben. Allein sein Porträt von Philipp Melanchthon, dem Nürnberg die Konzeption des ersten deutschen Gymnasiums verdankt, lässt einen klaren Bezug zur Reformation erkennen. Und dann sind da noch so bedeutende Gestalten wie Erasmus von Rotterdam, Willibald Pirckheimer und dessen Schwester, die tapfere Nürnberger Äbtissin Caritas Pirckheimer. Kurzum: So einfach war das nicht mit der Reformation, auch nicht in Nürnberg. Wer tiefer einsteigen will, dem sei nachdrücklich der ausgezeichnete Katalog empfohlen.
In den weitestmöglichen Horizont stellt den Reformator die große kulturhistorische Ausstellung „Luther, Kolumbus und die Folgen“ im Germanischen Nationalmuseum (bis 12. November). Denn das Ringen um ein neues Gottesbild und die Freiheit des Glaubens fiel – alles in allem gewiss nicht zufällig – zusammen mit den Erkenntnissen von Kopernikus und der Entdeckung neuer Kontinente. Dabei nahm Luther (soweit wir wissen) nur am Rande zur Kenntnis, was Kolumbus mit seinem Versuch, den Seeweg nach Indien zu finden, ausgelöst und bewirkt hatte.
Als Ziel für einen Tagesausflug, der noch lange in Erinnerung bleibt, empfiehlt sich die Veste Coburg – schon wegen ihrer einzigartigen Lage über der Stadt. Ein Gespür dafür bekommt vor allem, wer auf Auto oder Bus verzichtet und durch die ausgedehnten Parkanlagen gemächlich hinaufspaziert. Die stark sozialgeschichtlich angelegte Ausstellung „Ritter, Bauern, Lutheraner“ (bis 5. November, täglich 9 bis 18 Uhr) besticht mit exemplarisch ausgewählten Exponaten aller Kunstgattungen und kuriosen Stücken wie der Eisernen Hand von Götz von Berlichingen oder einer Rekonstruktion des „Tods von Heilsbronn“. Dazu ist sie interaktiv angelegt: Es gibt Schubladen und Klappen, Hörstationen und Computerstationen in Hülle und Fülle. Dazu kommt die Aura der historischen Räume – bekanntlich weilte Luther hier während des Augsburger Reichstags 1530. Sieben Mal predigte er damals in der Stadtkirche St. Moriz; sie ist – bei freiem Eintritt – auch offiziell in das Programm der Landesausstellung einbezogen. Und präsentiert sich nach umfassender Renovierung in fast atemberaubender Frische! Besonders schön zu erleben ist der Raum beim Mittagsgebet (Mo.-Fr., 12 Uhr) und bei kleinen Konzerten jeweils mittwochs um 18 Uhr und samstags um 11 Uhr.
Text: Wolfgang Heilig-Achneck
Bild: Germanisches National Museum