Innenstadt
Sebalder Pfarrhof
Auferstehung der Propheten und Heiligen
Eine Marienfigur befindet sich ebenfalls in der Gruppe. Restaurator Michael Hauck nimmt sich der ramponierten Gestalten an. Wie in einem Verlies waren die Gipsfiguren untergebracht.

Seit vielen Jahren lagern in einem feuchten, dunklen Keller des Sebalder Pfarrhofs Gipsmodelle von Martin Luther, Philipp Melanchthon, dem Kirchenvater Augustinus, von Maria, Noah, dem guten Hirten (mit einem Schaf als Attribut) und einigen Propheten des Alten Testaments. Der Nürnberger Bildhauer Georg Leistner hatte diese bunte Versammlung christlicher Persönlichkeiten in den 1880er Jahren geschaffen.

Der Lehrer an der Kunstgewerbeschule lieferte sie als Vorbilder für Sandsteinfiguren, die heute die Konsolen am Ostchor sowie an der Nordseite von St. Sebald bevölkern. Damals waren die Konsolen nämlich leer. Von den insgesamt 49 Modellen sind allerdings nur mehr zwei Abgüsse von Wasserspeiern sowie 25 Figuren und Torsi übrig.

Sie fristeten ein trauriges Dasein im Untergrund des Pfarrhofs. Die Nässe setzte ihnen stark zu. „Der Gips ist teilweise locker und etwas matschig. An etlichen Stellen gibt es auch Abplatzungen“, meint Restaurator Michael Hauck, der mit Mitarbeitern die illustre Schar nun vorsichtig geborgen hat. Die Kunstwerke wurden in Kisten verpackt und zu seiner Passauer Werkstatt gebracht. Das Team war bei seinem Einsatz mit Ganzkörperanzügen und FFP3-Masken ausgestattet. Denn Untersuchungen im Vorfeld hatten ergeben, dass sich der giftige Schimmelpilz Aspergillus niger complex in dem Keller ausgebreitet hatte. Hauck attestiert den Gestalten einen „ganz schlechten Zustand“.

Nicht nur der Gips hat sich mit Feuchtigkeit vollgesogen, auch die Metalldrähte im Inneren sind korrodiert. Das Programm des Bildhauers heißt nun: Reinigung, Festigung und Ergänzung. Die Arbeiten sind auf zwei Jahre angelegt. „Es macht keinen Sinn, zeitlich zu drängen“, meint der 60-Jährige, „denn wir tasten uns heran und legen kleine Versuchsflächen an, bevor wir die gesamte Figur sanieren.“

Barocke Einbauten entfernt

Für den Sebalder Pfarrer Martin Brons stellen die verbliebenen Gipsmodelle ein „kirchen- und theologiegeschichtliches Bildprogramm“ dar. In der Zeit der Romantik des 19. Jahrhunderts hatte man sich intensiv dem Mittelalter zugewendet. Barocke Einbauten wurden aus den Kirchen entfernt, der ursprüngliche mittelalterliche Stil sollte wieder voll zum Tragen kommen. „Die Menschen wollten damals den mittelalterlichen Zustand der Kirchen vollenden“, erklärt Brons, „so wurde beispielsweise auch der Kölner Dom zu jener Zeit fertig.“

Aus diesem Zeitgeist heraus erhielt Steinmetz Georg Leistner den Auftrag, passende Entwürfe für die Außenwand von St. Sebald zu schaffen. Das hellere Erscheinungsbild der dortigen Kalksteinfiguren hebt sich immer noch deutlich vom mittelalterlichen Sandstein ab. Reiche Nürnberger Familien wie etwa die Patrizier Haller oder von Faber-Castell hatten die Kunstwerke gestiftet, darauf weisen Inschriften hin. Nicht alle Kalksteinoriginale haben sich allerdings über die Weltkriegszeit hinweg erhalten.

Was passiert mit den Gipsmodellen, wenn sie nach der – auf 20.000 Euro veranschlagten – gründlichen Überholung zurückkommen?

Lange Zeit wusste die evangelische Gemeinde nicht recht, was sie mit den „Kellerkindern“ anfangen sollte. Deshalb blieben sie ja auch so lange in dem unterirdischen Raum. Künftig könnten sie im Dachstuhl des evangelischen Gotteshauses eine neue Heimat finden. „Dann wären sie auch bei den Kirchenführungen für die Teilnehmer zu sehen“, meint Pfarrer Brons.

Doch das ist zunächst einmal nur ein Vorschlag. Erst muss klar sein, ob die klimatischen Bedingungen unter den Ziegeln für die restaurierten Gipsfiguren bekömmlich sind.

Text: Hartmut Voigt / Nürnberger Nachrichten
Artikelfotos: Martin Brons

Ein Scheinwerfer leuchtet den Keller vor dem Abtransport der Kunstwerke aus. Wo sie später aufgestellt werden, ist noch nicht endgültig geklärt.