Kirche
Jahreslosung 2021
Barmherzigkeit

Barmherzigkeit – das ist ein altes Wort und es steht sicher nicht im Lexikon der Jugendsprache. Die ursprüngliche Bedeutung ist: Gebärmutter, Mutterleib. Darin ist ein Kind geborgen, da ist der Ort für ein Urvertrauen.   

So haben Menschen Jesus erlebt: zugewandt und liebevoll. Kranke, Kinder und gesellschaftlich Verachtete haben seine Barmherzigkeit erlebt. Seine Jünger haben diese Botschaft weitergetragen. Christliche, diakonische Werke weltweit sind aus diesem Auftrag heraus gegründet worden.

Für mich ist die Jahreslosung eine echte Herausforderung.
Beruflich und in der Gesellschaft sind wir so oft herausgefordert, für unsere eigenen Interessen zu kämpfen und sie gegen andere durchzusetzen.
Wie soll da Barmherzigkeit funktionieren?

 Oft hilft der Versuch, sich in die Situation des anderen, des Gegenübers hineinzuversetzen: Wäre ich gerne in seiner/ihrer Lage?
Was würde mir guttun, wenn ich er oder sie wäre?

Was täte ich in dieser Situation?
Jesus erläutert das mit einem Bild: Wir sehen leicht den Splitter im Auge des Gegenübers, sind aber blind für den Balken im eigenen Auge.

Ich verstehe, was damit gemeint ist: Die Fehler des anderen sehe ich genau. Was bei mir selber aber nicht stimmt, das übersehe ich leicht.
Seid barmherzig!

Hoffentlich erinnere ich mich an die Jahreslosung gerade dann, wenn ich vermeintlich im Recht bin. Wenn ich mich nur über einen anderen Menschen ärgere. Wenn ich vorschnell urteile oder meine eigene Sicht der Dinge als absolut setze.
Barmherzig sein heißt dann aber nicht, „alle Fünfe gerade sein lassen“ oder immer ein Auge zuzudrücken.

Es ist vielmehr eine Grundhaltung:
Ich bin ein von Gott geliebtes Kind trotz meiner Fehler und Schwächen. Und der Mensch mir gegenüber ist genauso geliebt, trotz seiner Fehler und Schwächen.

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.

Jesus erinnert uns an Gottes Haltung zu uns Menschen. Denn Gott hat keinen Balken im Auge. Gott sieht, wie wir wirklich sind.

Gott sieht, wer wir in seinen Augen sein könnten. Gott sieht unsere Möglichkeiten und Fähigkeiten. Was wir alles Gutes tun könnten.
Und er sieht barmherzig auf das, was wir dennoch versäumen.

Er billigt nicht unsere Lieblosigkeit. Aber er lässt sie nicht alles sein, was es über uns zu sagen gibt. Seid barmherzig, also: Seht euch, die Menschen, die Welt, mit Gottes Augen an. Mit Liebe, mit Barmherzigkeit. So, wie ihr selbst angesehen werden wollt.

Text: Annette Lichtenfeld
Artikelfoto: iStockphoto.com