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Mehr als ein Buch:
Bibelgeheimnisse

Es ist so weit: Wenige Tage nach Erscheinen dieser Ausgabe der Citykirche öffnet das neue Bibel Museum Bayern seine Pforten – endlich. Wie oft war der Eröffnungstermin verschoben worden? Die nun beginnenden Osterferien bieten eine perfekte Gelegenheit zu ersten Entdeckungstouren, sei es individuell oder bei Führungen in kleinen Gruppen. 

Die Redaktion durfte vorab schon einmal hineinspitzen in die Räume im immer noch nagelneuen Lorenzer Pfarrhof – und hat natürlich, dem Thema dieser Ausgabe folgend, vor allem Ausschau gehalten nach ein paar Geheimnissen.

Kein Geheimnis ist – soviel vorab – warum es eine gefühlte Ewigkeit gedauert hat, ehe aus dem früheren Bibelerlebnishaus ein veritables Museum werden konnte. In dem es übrigens durchaus nicht weniger zu erleben gibt als früher, ganz im Gegenteil. Aber nicht nur die Erarbeitung eines von Grund auf neuen Konzepts und die Einrichtung zogen sich in die Länge, vor allem waren die Verzögerungen baubedingt. 

Zunächst bremsten archäologische Ausgrabungen im Hof den Um- und Neubau. Dabei förderten die Stadtarchäologen tatsächlich wertvolle Zeugnisse des Alltags im Hoch- und Spätmittelalter zutage. Und ließen erkennen, dass die einstigen Pfarrherren ein ziemlich feudales Leben geführt haben müssen. 

Die zeitraubende, lästige und ärgerliche Zwangspause beim Bau hat sich im und für dieses neue Museum des Bibelzentrum Bayern indes fast ins Gegenteil verkehrt: Eine der ältesten Mauern der Lorenzer Altstadt und allerhand Fundstücke sind hier nun als Besonderheiten ansprechend in Szene gesetzt, unter anderem in einem Schaudepot. „Es sind authentische Objekte am Originalort“, sagt die stellvertretende Leiterin Astrid Seichter, „das gibt es eher selten.“ Allerdings bereichert dieser Bereich die Ausstellung eher wie ein zusätzliches Bonbon – denn zum Hauptthema Bibel gibt es wenig Bezüge. 

Auf ganz spielerische und leicht anschauliche Weise macht der Einführungsbereich erst einmal mit der Faszination der Bibel als „Buch der Bücher“ und mit ihrem Aufbau vertraut. Klar: Dass das Alte und das Neue Testament aus verschiedenen Kapiteln bestehen, die Bücher genannt werden, wissen die allermeisten noch. Aber mit den etlichen Abkürzungen sind viele Menschen längst nicht mehr vertraut. Und haben Sie eine Vorstellung, in wie viele Sprachen die Bibel bereits übersetzt wurde? In vollständiger Form in knapp 700 Idiomen. Das Museum musste sich freilich mit Kostproben aus drei Dutzend Sprachen begnügen.

Schon bei den ersten Stationen gibt es auch Kurioses und Amüsantes zu erfahren. Und natürlich darf das schon früher beliebte Bibelregal mit einer Auswahl an Ausgaben aller Art nicht fehlen: Auch die Bibel gilt es buchstäblich zu begreifen – hier dürfen alle nach Herzenslust schmökern. Samt einigen Beispielen von Werken, die sich die Bezeichnung „Bibel“ im Sinn von „alles Wissenswerte“ zunutze machen, etwa eine Gesundheitsbibel. In der von Grund auf neu entwickelten Dauerausstellung stoßen Besucherinnen und Besucher dann auf allerhand Geheimnisse. Die meisten sollen natürlich gelüftet werden, aber manche Exponate geben bis heute Rätsel auf – und sind vielleicht nie zu entschlüsseln. 

Wie etwa eine der winzigsten Bibeln überhaupt: eine sogenannte Haarknotenbibel, hergestellt in Den Haag in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Frauen sollen sie einst, wie die Bezeichnung nahelegt, in ihrem Haarknoten zu hugenottischen Glaubensgeschwistern geschmuggelt haben, die sich in katholischen Gebieten verstecken mussten. „Aber das ist wohl doch nur eine Legende“, sagt Seichter, „sonst hätte man Haarfett am Einband oder den Seiten finden müssen.“

Nochmal zurück zu den Entdeckungen im Untergrund: „Archäologie hat ja immer etwas mit dem Aufdecken von Geheimnissen zu tun“, stellt die Pädagogin fest. Eine der spannendsten Funde waren rund 200 Münzen – die jetzt unter einer gläsernen Platte im Boden zu bestaunen sind. Inzwischen weiß man: Es waren Fälschungen. Der Urheber musste damals mit der Todesstrafe rechnen. Sollten die Nachahmungen im Pfarrhof versteckt, gar in der Latrine entsorgt werden? Womöglich nach einer Beichte? Ein Geheimnis, das die Akteure mit ins Grab genommen haben.  

Einer besonderen Art von Geheimnis nähern sich die Besucher im Tiefgeschoss, wo es um die Entstehung der Bibel, den Umgang mit heiligen Schriften und die Praxis des Glaubens geht: 

Wie hat dieser Jesus die Menschen seiner Zeit so in seinen Bann gezogen? Und was faszinierte Menschen danach und bis heute? 

Die Frage lässt sich schwer an einzelnen Objekten illustrieren. Die Ausstellung wurde gemeinschaftlich von den Religionspädagoginnnen Claudia Harders und Astrid Seichter mit Prof. Jörg Lanckaudas konzipiert. Ziel war es, eine Annäherung zu den magischen Momenten, wie sie Verfilmungen der Evangelien zeigen, zu schaffen.

In die Tiefe gehen Stationen mit den großen und, wie es oft heißt, letzten Fragen: Wie kommt das Leid in die Welt? Entspricht es Gottes Absicht und Willen? Und: Was kommt nach dem (leiblichen) Tod? Hier ist jede und jeder gefordert, eigene Antworten zu finden. Aber die Installationen geben entscheidende Hilfestellungen: Eine Wandtafel führt durch das Labyrinth verschiedener Annahmen über Gott – die Besucher können sich per Knopfdruck orientieren. Zum Beispiel herausfinden, was Trost spendet. Und dass auch die Bibel  verschiedene Antworten gibt. 

Wie jedes Museum braucht – und hat – auch das neue Bibel Museum Bayern einige herausragende, bedeutende Schätze, die bestaunt werden wollen und sollen. Aber zu den Stärken der Ausstellung gehört unbedingt, dass es viele interaktive Stationen und Exponate zum Anfassen gibt. Es gibt also immer noch etwas zu erleben – und wie anregend die Beschäftigung mit der Bibel sein kann, ist alles andere als ein Geheimnis. 

Text: Wolfgang Heilig-Achneck
Fotos: Madame Privé

Alles rund um die Eröffnung des Bibel Museum Bayern

Kontakt: 

Bibel Museum Bayern
Lorenzer Plaatz 10
90402 Nürnberg
Telefon: 0911 47 77 89 400
bibelmuseum.bayern

Öffnungszeiten ab 8. April 2022
Dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr,
samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr. 

Ein anregendes Sortiment mit originellen Präsenten bietet der Museumsshop im Vorderhaus des Pfarrhofs. 

Sonderausstellung

Die erste Sonderausstellung, die das Museum gleich zur Eröffnung präsentiert, ist dem Nürnberger Ratsschreiber Lazarus Spengler gewidmet, der als Anhänger Luthers zu den entscheidenden Vertretern und Befürwortern der Einführung der Reformation in Nürnberg wurde.