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Der Schocken
Der Schocken
Postkarte zur Kaufhauseröffnung 1926, verschickt von einer Angestellten mit dem Text „umstehendes Bild zeigt ihnen, wie toll die Leute hier sind“.

Die Eröffnung des Kaufhauses Schocken am 11. Oktober 1926 führte zu einem wahren Volksauflauf am Aufseßplatz in der Nürnberger Südstadt. Zwar wurde das Gebäude im Zweiten Weltkrieg zerstört, die Nürnberger und Nürnbergerinnen nannten aber auch den Neubau der Nachkriegszeit „den Schocken“ – obwohl das Kaufhaus nach 1945 erst „Kaufstätte Merkur“ hieß und dann zu anderen Kaufhausketten gehörte. Auch das jetzt dort neu entstehende Gebäude mit Läden und Wohnungen („Schocken-Carré“) wird bei vielen weiterhin „der Schocken“ heißen, auch wenn bei Weitem nicht alle wissen dürften, was hinter diesem Namen steckt.

Salman Schocken war Unternehmer, Verleger und jüdischer Intellektueller. Nach einigen kleineren Warenhäusern in Sachsen war der Nürnberger Schocken sein erstes Kaufhaus in einer Großstadt. Mit entsprechend großem Aufwand wurde das Projekt begonnen: Salman Schocken beauftragte den bekannten Architekten jüdischen Glaubens Erich Mendelsohn, ließ eine Postkarte von der Eröffnung drucken und einen Film zur Eröffnung drehen, der den Nürnbergern das neue Gebäude vorstellen sollte. Das Kaufhaus mit seinen langen Fensterbändern, der nüchternen Klinkerfassade und dem flach zum Aufseßplatz vorspringenden Eingangsbereich war in Nürnberg nichts weniger als das erste Gebäude mit moderner Architektur.

Dies gefiel nicht allen: Schon zur Eröffnung startete Julius Streichers antisemitisches Hetzblatt „Der Stürmer“ eine Kampagne gegen Schocken. Ein Kaufhaus eines jüdischen Besitzers war ein rotes Tuch für die Nationalsozialisten, die ab 1933 Boykotte vor dem Haus veranstalteten und Schocken im Rahmen der „Arisierung“ enteigneten.

Salman Schocken lebte zu dieser Zeit bereits in Jerusalem und trug eine riesige Bibliothek zu jüdischem Glauben und Kultur zusammen. Um den Juden in Deutschland Selbstbewusstsein zu geben, gab er die „Bücherei des Schocken-Verlags“ zu Themen jüdischer Kultur heraus. Sein größter Schatz ist das Nürnberger Machsor, eine prächtig ausgestattete Gebetssammlung des 14. Jahrhunderts aus Nürnberg – zu sehen heute im „Shrine of the Book“ des Israel-Museums in Jerusalem.

Zusammenstellung: Dr. Alexander Schmidt, Historiker und Stadtbilderklärer
Artikelfoto: Sammlung Alexander Schmidt