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Der Stall ist (noch) leer
Der Stall ist (noch) leer

Früher, als unsere Kinder noch klein waren, haben wir in der Familie nachmittags immer ein  „Adventsstündchen“ gefeiert. Haben ein Adventslied gesungen, Tee getrunken, Plätzchen genascht und die Figuren näher zur Krippe gerückt. Und immer zu einer Krippenfigur eine kleine Geschichte erzählt: Wie die Könige dem Stern folgen oder warum Josef durch das ganze Land laufen muss.

Der Stall auf dem Titelbild ist auch (noch) leer. Ein erschreckender Anblick: kein Hirte, kein Engel, kein gar nichts. Doch da gehören sie hin, die vertrauten Krippenfiguren.

Wir von der Redaktion haben uns ausgesucht, welche dieser Hauptdarsteller von Weihnachten uns besonders wichtig sind. Und haben sie in Gedanken in den noch leeren Stall gestellt:

Ochse, Engel, Könige, Herbergsvater und Hirten. So bevölkern sie die Krippe und schauen alle aus ihrer Sicht und mit ihrem „weihnachtlichen Auftrag“ auf die Heilige Familie: Maria, Josef und das Jesuskind.

Sie stehen nicht allein dort. Neben ihnen, hinter ihnen stehen wir alle. Und schauen auf das Kind, Gottes Sohn. Mit allem, was wir – in diesem Jahr ganz besonders – an Weihnachten erwarten, befürchten und hoffen.

Text: Annette Lichtenfeld
Artikelfoto: iStockphoto.com

Ochse

Mir ist gerade der Ochse sehr nah (oder auch der Esel). Das gemütliche Tier ist ganz nah am Geschehen, aber da steht es dann zutiefst und aufrichtig bescheiden. Der Hintergrund ist sein Ding. Das menschliche Herumgegockel ist ihm fremd. Ich bin mir sicher, der Ochse denkt nicht in Hierarchien, ist nicht stolz auf seine Stellung oder verliebt in seine Macht. Der Ochse ist so bescheiden, dass er in der Weihnachtsgeschichte erst mal gar nicht vorkommt — aber eine Krippe ohne Ochs und Esel: ja, das geht natürlich, aber schöner ist sie schon mit den freundlichen Tieren.

Der Grund, warum Ochs und Esel ihren Platz in den Krippen der Welt gefunden haben (in meiner thailändischen Krippe werden sie von einem Wasserbüffel vertreten), ist ein Wort vom Propheten Jesaja: „Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn, …“
Das ist die Beziehung, die mir gefällt. Die Beziehung zwischen dem Ochsen und seinem Herrn ist tief, echt und unerschütterlich. Da muss man nicht drüber reden, da kann man ganz gelassen in der Nähe seines Herrn wiederkäuen und die Wärme des Stalls genießen.

Vielleicht — das denke ich mir wahrscheinlich nur deshalb, weil Stallgeruch einer meiner liebsten Gerüche auf der Welt ist und ich Kühe liebe und ihnen darum viel zutraue — ist der Ochse der schlauste Anwesende neben dem Säugling im Stall. Zu dem Satz von Jesaja würde das gut passen. Und humorvoll ist er bestimmt auch. In meiner Fantasie schaut er auf die Welt um ihn herum und denkt sich schmunzelnd: wenn ihr wüsstet, wie viel sicherer ihr sein könntet, wie viel entspannter und liebevoller, wenn ihr nur diesem, meinem Herrn vertrauen würdet …

Ja, der Ochse ist mir nah! In unserer aufgeregten, verkrampften und hektischen Zeit mag ich diesen gelassenen Riesen, der in der Krippenszene Ruhe und Geborgenheit ausstrahlt.

Text: Jan Martin Depner
Artikelfotos: iStockphoto.com

Engel

Engel gehören zur Weihnachtskrippe wie Schnee zum Winter. Alle Jahre wieder freue ich mich –  wie ein Kind auf Weihnachten – auf „meine“ Engel beim Krippenspiel: Wochenlang haben die Kinder mit mir geprobt. Und dann, am Heiligen Abend nachmittags vor dem Gottesdienst, verwandeln sich die Mädchen plötzlich von ganz normalen Kindergarten- und Schulkindern in berauschend schöne himmlische Heerscharen: geschmückt mit weißen Kleidern und Federflügeln, dazu Glitzer und Goldsterne im Haar.

Ein wenig unförmig zwar, weil in der kalten Kirche unter dem Engelsgewand auch noch die Winterjacke getragen werden muss. Aber trotzdem: einfach wunderschön! Dazu strahlende Augen und inbrünstiger Gesang. Da steht die Zeit still und alle sind verzaubert.

So stellen wir uns die Weihnachtsengel vor: herzallerliebst und weißgold.

Auch die Weihnachtsdarstellungen in der Kunst zeigen die Engel immer als strahlende himmlische Boten im weißen Gewand, voll Licht und Glanz über dem dunklen Stall.

Engel tauchen in der Bibel aber nicht nur an Weihnachten auf. Sie begegnen Menschen in schweren und verzweifelten Situationen. Oft da, wo kein Ausweg in Sicht ist. Und nur selten werden sie sofort als Engel erkannt, als Boten Gottes, als Mittler zwischen der himmlischen und irdischen Welt.

Engel zeigen Gottes helfende und heilende Nähe an. Sie sind kostbare Bilder für unsere Sehnsucht nach einer anderen Welt voll Schönheit und Heilung. Nicht nur an Weihnachten.

„Gottes Engel brauchen keine Flügel“, so titelt der Theologe Claus Westermann eines seiner Bücher. Vielleicht gilt das an den Weihnachtstagen ganz besonders: Wir werden zu Weihnachtsengeln für andere. Eine Nachbarin brachte uns vor Jahren einen selbstgebackenen, duftenden Stollen, als die Kinder an einem Weihnachtsfest sehr krank waren und alles drunter und drüber ging. Sie war ein Weihnachtsengel! Bis heute habe ich das nicht vergessen. Oft sind es nur kleine Gesten der Zuwendung: eine Kerze, eine Karte, ein kurzes Gespräch. Und der „Engel ohne Flügel“ weiß gar nicht, dass er oder sie zum Weihnachtsengel für einen anderen Menschen geworden ist.

Vom Himmel hoch, da komm ich her. Ich bring euch gute neue Mär‘, so schmettern „meine“ Engel im Krippenspiel. Ich bin mir sicher: Immer, wenn wir an Weihnachten singen, klingt da etwas vom Gesang der Engel an. Egal, ob jemand das Jingle Bells im Radio mitbrummt oder das O du fröhliche andächtig in der Kirche singt. Darin steckt immer etwas vom überirdisch schönen Gesang der Engel. Singen wir! Ob mit Engelskostüm oder ohne.

Text: Annette Lichtenfeld
Artikelfoto: iStockphoto.com

Könige

Die Heiligen Drei Könige regen meine Fantasie an. Denn so, wie sie an unseren Krippen stehen, sind sie Fantasieprodukte:

Kronen und edle Umhänge tragen sie. Und jedes Kind weiß, wie die drei heißen: Kaspar, Melchior und Balthasar.

In der Bibel steht aber weder etwas davon, dass sie Könige sind, noch dass sie zu dritt waren. Und ihre Namen sowieso nicht.

Sondern es steht lediglich in Matthäus 2: Es war eine Gruppe von Sterndeutern oder Zauberern, die aus dem Osten zum Jesuskind kamen. Ihre Anzahl kennen wir nicht.

Sterndeuter oder Zauberer? Das war den ersten Christen wohl zu vage.

Fantasievoll wurde diesen Sterndeutern mehr Substanz verliehen.

Die Anzahl der Weisen wurde irgendwann nach den drei Geschenken Gold, Weihrauch und Myrrhe festgelegt. Aufgrund von alttestamentlichen Texten, in denen vorhergesagt wird, dass Könige Geschenke bringen, wurden sie zu Königen erhoben.

Und es wurde in Legenden festgelegt, wie alt die drei waren: ein ganz junger, ein erwachsener und ein ganz alter König. Später wurden ihnen fremdländische Namen verliehen.

Weil man damals der Meinung war, die Welt bestehe aus drei Kontinenten, nämlich Europa, Asien und Afrika, war klar: da kommt jeweils einer von jedem Kontinent.

Sie haben, auch wenn sie in ihrer jetzigen Form und ihrem Aussehen Fantasieprodukte

sind, ihren Wert und ihren Zweck.

Sie symbolisieren nämlich: Dieses Christuskind ist für die ganze Welt geboren, für Menschen von allen Kontinenten, für Menschen jeden Alters und jeder Einkommensklasse, weil die drei direkt neben den Hirten stehen. 

Ich habe ja gesagt, sie regen meine Fantasie an. Und ich würde noch ein paar neue Könige – und natürlich Königinnen, dann ist das Ganze auch nicht mehr so männerlastig – dazustellen. Und vielleicht noch ganz andere Figuren, die ich so über die Jahre angesammelt habe und die mit einer Krippe auf den ersten Blick nichts zu tun haben. Vielleicht machen Sie ja mit?

Das würde dann noch viel mehr zeigen:

Jesus ist für die gesamte Menschheit geboren!

Text: Hannes Schott
Artikelfotos: iStockphoto.com

Der Herbergsvater

Dem Evangelisten Lukas ist er in der Weihnachtserzählung nicht einmal eine Erwähnung wert: „Denn sie hatten keinen Raum in der Herberge“, heißt es dort kurz und bündig. Doch was für ein Drama entfalten die Krippenspiele um diesen Hinweis, der Raum für allerhand Spekulationen lässt!

Und schon sehe ich ihn vor meinem inneren Auge lebendig und leibhaftig vor mir: den Herbergsvater alias Pensions- und Hotelbesitzer. Irgendwie erschien er mir schon immer als ein feister Typ. Einer, der sich arme Schlucker am liebsten vom Hals hält. Nichts will er wissen von Kundschaft, die womöglich die Zeche schuldig bleibt. Hatte er wirklich die Bude voll? Oder war das nur ein schnöder Vorwand? Wie kann einer nur ein junges Paar so herz- und gnadenlos abweisen? Zumal nicht mehr zu übersehen war, dass die hochschwangere Frau kurz vor der Entbindung stand? Grenzt die Abweisung nicht an unterlassene Hilfeleistung?

Erscheint dieser zu allererst auf sein Geschäft bedachte Gastwirt vielleicht nur mir so? Und woraus speist sich dieses böse Klischee? Von solchen, die mir selbst begegnet sind, kann es eher nicht kommen. Natürlich: Zu verschenken haben die wenigsten etwas. Erst recht nicht in diesem Jahr: Die ganze Branche ist von Corona schwer gebeutelt, besser gesagt von den verzweifelten Versuchen zur Eindämmung der Infektionswellen. Aber ein Wirt ohne das Herz am rechten Fleck, der nicht „Gast-Geber“ ist durch und durch, schneidet sich ins Fleisch – jedenfalls dort, wo es genügend Konkurrenz gibt. 

Blendet Lukas diese Figur vielleicht ganz bewusst aus? Dabei ist es eine über die Jahrhunderte hinweg geradezu zeitlose Gestalt: Herbergsbesitzer gibt es seit eh und je, Hirten ebenso – aber vermutlich haben zumindest die meisten Städter heute noch nie einen getroffen, geschweige denn mit einem geplaudert. Klar: Die Weihnachtserzählung war den frühesten Christen gar nicht so wichtig. Erst nach und nach wuchs das Interesse an der Frage, woher dieser Jesus eigentlich kam und wie seine Kindheit aussah.

Und der Wirt? Womöglich ist er – im Hintergrund – die eigentliche Symbolfigur der Geschichte. Er verkörpert den Jedermann (und die Jederfrau): Wäre ich mit meinen Vorbehalten und einer gehörigen Portion Misstrauen bereit gewesen, dieser Maria und diesem Josef bei mir Quartier zu geben, sie aufzunehmen, ihnen Sicherheit und Geborgenheit in einer quirligen Umgebung zu bieten? Spannend, denn ich ahne, spüre – und fürchte: So ohne Weiteres hätte ich das nicht geschafft. Aber im feinen Doppelzimmer mit Bad und Balkon werden wir Jesus kaum antreffen.

Text: Wolfgang Heilig-Achneck
Artikelfoto: iStockphoto.com

Die Hirten

In der Weihnachtsgeschichte sind mir – neben den Hauptpersonen Maria, Josef und dem Jesuskind – die Hirten besonders wichtig.

Es sind nicht die VIPs jener Zeit, auch nicht die Könige, Politiker oder Geschäftsleute und auch nicht die religiösen Häupter, die als erste die Weihnachtsbotschaft von der Geburt des Erlösers hören. Es sind ein paar Hirten.

Leute, wie du und ich. Zu ihnen spricht der Engel Gottes von der großen Freude für alle: „Euch ist heute der Heiland geboren.“ Er verspricht den Hirten, wonach alle Menschen Sehnsucht haben: „Friede auf Erden.“

Noch immer wartet die Menschheit darauf, dass auf unserem blauen Planeten Friede herrscht. Mit Weihnachten verbinden aber viele die Hoffnung, dass der Frieden kommen werde.

Die Friedensbotschaft des Jesus von Nazareth gilt allen Menschen, aber auch und besonders den einfachen Leuten. Am Anfang sind es die Hirten, später die Fischer am See Genezareth. Die Freund*innen Jesu – die Bibel spricht von den Jüngern – sind Leute aus dem einfachen Volk. Eben Menschen, wie du und ich. Das macht Weihnachten so wertvoll.

Text: Paul Schremser
Artikelfoto: iStockphoto.com