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Der Wald und die Gier
Der Wald und die Gier
Die Versiegelung der Böden schreitet voran. Vorher (links) und nachher: Baumfällarbeiten der Stadt Nürnberg, die hier eine Straße bauen will.

Samstagnachmittag im Wald bei Buchenbühl: Vom Gesang angezogen blicken ein paar Wanderer auf die kleine Lichtung beim Predigtstein. Radler steigen ab und schauen interessiert hinüber. 20 oder 30 Leute stehen da im Halbkreis, hören einer kurzen Predigt zu, sprechen ein Gebet. 

Der Egidienchor war schon dabei und auch das Fernsehen: Mehr als 75-mal hat das Schöpfungsgebet zum Erhalt des Reichswalds unter einer alten Eiche schon stattgefunden. Ursprünglich ging es um die geplante Nordanbindung von der Autobahn A3 zum Flughafen. Der Schnellstraße sollten Dutzende alter Bäume zum Opfer fallen. „Der politische Wille ist inzwischen nicht mehr vorhanden“, sagt Hans-Jürgen Krauß. Aber die Baupläne dafür existieren bis heute im Verkehrsministerium.

Das Schöpfungsgebet alle zwei Monate ist einer der Schwerpunkte des Arbeitskreises (AK) Schöpfung, der zum Nürnberger Evangelischen Forum für den Frieden (NEFF) gehört. Krauß gehört dem AK seit vier Jahren an. Der 70-jährige Diakon war früher Geschäftsführer des Nürnberger Kirchengemeindeamts. „Damals hatte ich keine Zeit, mich mit Umweltfragen zu beschäftigen.“ Im Ruhestand will er den Stadtmenschen zeigen, wie sehr sie von der Natur abhängig sind und sogar ein Teil von ihr sind: „Die Natur ist etwas Elementares. Daran will das Schöpfungsgebet erinnern.“

Am Reichswald wird geknabbert

Denn der Reichswald rund um Nürnberg ist bedroht. Hier die Nordspange, anderswo soll Platz für ein neues ICE-Werk geschaffen werden. Und immer stehen die Bäume dem menschlichen Planen im Weg. In diesem Zusammenhang spricht Hans Zeller von „der Gier des Menschen“, die ihn immer weiter vordringen lasse in die natürlichen Kreisläufe, die das Leben schützen. Dahinter stehen vor allem wirtschaftliche Interessen, betont der 68-jährige Theologe. „Obwohl der Wald eine wichtige Ressource für den Menschen ist, wird an den Rändern des Reichswalds geknabbert.“

Bis zu seinem Ruhestand war Zeller Referent für Lateinamerika bei „Mission EineWelt“ in Neuendettelsau und davor viele Jahre Pfarrer in Brasilien. Er weiß, dass „die Hälfte des Regenwalds am Amazonas bereits abgeholzt ist“. Nicht nur in Brasilien, auch in Bolivien und Peru dringe der Mensch immer weiter in den Wald vor. Zwar sei bekannt, dass der Klimawandel eine Folge dieser Handlungen sei, „aber es wird so weiter gewirtschaftet wie zuvor“, kritisiert Zeller.

Sympathie für die „Fridays for Future“

Das ist weit weg von uns. Wirklich? Auch in der Großstadt Nürnberg nehme die Versiegelung der Böden zu, erklärt Chris Mößner. Sie hat Biologie studiert und weiß daher: „Wo die Bäume stehen, ist die Luft besser.“ Gerade in der Altstadt müssten deshalb mehr Bäume gepflanzt werden. Aber das Gegenteil sei der Fall, ärgert sich Hans-Günter Schramm. Er hat den Eindruck: „Die Bäume stehen im Weg und müssen weg.“ Der 79-Jährige ist das älteste Mitglied des AK Schöpfung.

Chris Mößner hatte viele Jahre ihr Büro im eckstein-Haus der evangelischen Kirche. Ihren Glauben habe sie nie verloren, obwohl sich die Kirche mit dem Schöpfungsthema schon immer schwertue. 

Damals ist sie Hannelore Borchers begegnet, die als Geschäftsführerin dafür gesorgt hat, dass das eckstein-Haus schon frühzeitig die landeskirchliche Umwelt-Zertifizierung des „Grünen Gockels“ bekommen hat. Auch Borchers engagiert sich inzwischen im AK Schöpfung.

Jetzt hat mit der Schwedin Greta Thunberg und den „Fridays for Future“ das Klimathema für viele junge Menschen an Aktualität gewonnen. Nachdem die Schülerdemonstrationen gegenwärtig schwer zu organisieren sind, erinnert das „Klima-Camp“ auf dem Platz vor der Sebalduskirche an die Bedrohung für das Leben, sofern sich am CO2-Ausstoß nichts ändert. 

Trotzdem gebe es keine enge Zusammenarbeit mit den „Fridays“. „Der Altersunterschied ist ein großes Problem“, erklärt es Hans-Günter Schramm. Es ist eben eine andere Generation, meint Hans-Jürgen Krauß und ergänzt dann: „Die machen ihre Sachen anders als wir.“ Aber er sehe das Engagement der Jugend mit sehr großer Sympathie.

Text und Artikelfotos: Paul Schremser

Schöpfungsgebet für den Erhalt des Reichswaldes.