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Ein Diakon, zwei Pfarrerinnen und viele Tattoos
Ein Diakon, zwei Pfarrerinnen und viele Tattoos

Das Tattoo setzt zwei Bibelverse bildlich um, die mir wichtig sind: „Du siehst mich“ (1. Mose 16,13) und „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir“ (Psalm 23,4).

Das Kind, das in die Kirche geht, steht für uns alle. Wir sind alle Kinder Gottes, egal, wie alt, wie fromm oder wie gläubig wir sind. Gott ist unser Vater, und wir sind seine Kinder. Das Kind auf dem Tattoo tritt etwas unsicher in die Kirche. Vielleicht hat es etwas auf dem Herzen, hat Zweifel oder weiß, dass es Mist gebaut hat. Unabhängig davon, was es genau ist, weshalb das Kind nicht festen Schrittes, sondern eher etwas zögernd eintritt – letztendlich tritt es in die Kirche. Es scheint unsicher, wo es genau hingehen soll: in den Beichtstuhl, in eine Bank oder vielleicht doch besser gleich wieder raus? Dann fällt sein Blick auf das Kreuz, an dem jemand hängt, der so schrecklich aussieht, wie sich das Kind gerade fühlt. Dabei tritt es näher und wird im Herannahen in ein Licht getaucht, welches seinen Weg gleich heller macht. Das Licht, das durch das Kirchenfenster fällt, steht für Gott. Dafür, dass er uns mit all unseren Zweifeln und all dem Ballast, den wir mit uns rumtragen, sieht. Der Weg des Kindes, unser Weg, soll nicht länger durch das „finstere Tal“ führen, sondern Gott will uns Hoffnung geben. Gott löst meine Probleme nicht in Luft auf, aber er lässt mich spüren, dass ich mich mit meinen Problemen nicht vor ihm verstecken muss. Ich muss nicht so tun, als ob alles in Ordnung wäre, wenn es das nicht ist. Anderen Menschen gegenüber versuche ich oft, die Fassade aufrechtzuerhalten, und antworte auf ihr „Wie geht’s dir?“ mit „Gut“, auch wenn es vielleicht nicht stimmt. Gott muss mich gar nicht erst fragen, sondern er sieht mich, er weiß, wie es in mir aussieht. „Dir geht’s gerade nicht gut, gell“, sagt Gott dann zu mir, und lädt mich ein, zu erzählen, zu weinen, zu klagen. Mein Gott ist einer, der uns sieht, der seinen Blick nicht erschrocken oder peinlich berührt abwendet, sondern da ist und Halt gibt.

 

Text: Mareike Kraemer, Pfarrerin in Mistelgau
Artikelfotos: privat

Gedanken zu meinen Tattoos:

Das letzte Abendmahl

Jeder Blick auf meinen Arm erinnert mich an etwas, das ich im christlichen Glauben für sehr zentral halte: Die Gemeinschaft mit Jesus Christus und mit anderen Menschen. Jesus selbst lädt uns ein in sein Haus, er lädt uns ein an seinen Tisch, und es ist Platz für jeden. An seinem Tisch können wir uns stärken an Leib und Seele.

Diese Gemeinschaft erlebe ich besonders intensiv beim Abendmahl. Jeder und jede ist eingeladen, um vom Brot des Lebens zu essen und vom Kelch des Heils zu trinken. Beim Abendmahl kommen wir zusammen als Schwestern und Brüder, als Kinder unseres Vaters im Himmel. Etwas von Gottes Reich ist bereits hier bei uns spürbar, wenn wir in seinem Namen zusammenkommen und uns von ihm beschenken lassen – denn er schenkt sich uns selbst. Im Abendmahl berühren sich Himmel und Erde.

Das Abendmahl hat eine so tiefe, persönliche Bedeutung für mich, dass ich das Bild von Jesu erstem und letztem Abendmahl mit seinen zwölf Jüngern immer bei mir trage. Alle haben Platz an seinem Tisch – egal, was sie in ihrem Herzen mit sich herumschleppen. Sie brauchen Ihr Herz nur zu öffnen, um sich durch Brot und Kelch stärken, ja heilen zu lassen. Zudem ist das Gemälde von Leonardo da Vinci einfach ein großartiges Kunstwerk.

Psalm 63

Was ich zwar nicht immer sehen kann, was aber dennoch immer in meinem Bewusstsein liegt, ist Psalm 63, der in hebräischer Sprache meinen Rücken ziert. Der Psalm drückt eine tiefe Sehnsucht nach Gott aus. Der ganze Mensch mit allem, was sein Leben ausmacht, sehnt sich nach Gott wie das trockene Land nach Wasser. Tag und Nacht ist der Psalmbeter verbunden mit Gott; auf ihn setzt er seine ganze Hoffnung. Diese Hoffnung wiederum wird bildhaft unterstrichen durch Olivenzweige – war es doch solch ein Zweig, den die Taube zu Noah in die Arche gebracht und damit die Hoffnung auf Rettung nach der Sintflut geweckt hat.

Lutherrose

Meine Zugehörigkeit zur evangelisch-lutherischen Landeskirche lässt sich auch nicht mehr leugnen, seit ich am Knöchel die Lutherrose eingestochen trage, die Illustration der Theologie Martin Luthers. Außen herum eine seiner wichtigsten Erkenntnisse über den Menschen: „simul iustus et peccator“.

Zu deutsch: „Zugleich ein Gerechter und ein Sünder.“ Wir Menschen können wohl gar nicht anders, als immer wieder schuldig zu werden, und doch sind wir in Gottes Augen gerecht(fertigt) – allein aus Gnade.

Text: Petra Latteier, Pfarrerin in Bertholdsdorf
Artikelfotos: privat

Den Wunsch auf bunte Haut hatte ich schon sehr früh, aber wie es so ist, gibt es Bedingungen im Leben, die es nicht möglich machen, jedem Wunsch sofort nachzugeben. Im Nachhinein bin ich dann auch dankbar, dass ich erst mit Mitte 30 mit den Tattoos angefangen habe. Sonst hätte ich heute vermutlich einige Jugendsünden auf meinem Körper.Nun, zwölf Jahre später, sind annähernd 70% meiner Haut bunt und die meisten meiner Tätowierungen haben einen religiösen Hintergrund. Vater Unser, Abendmahl, Konfirmationsspruch, die Symbole der vier Evangelisten, Lutherrose mit den vier Soli usw. All das fand grafische Umsetzung unter meiner Haut. Und als Diakon mussten für mich natürlich auch die sieben Werke der Barmherzigkeit auf den Körper, genauer gesagt auf den linken Unterarm.

Die sieben Werke sind für jeden Diakon und für jede Diakonin Urauftrag seines bzw. ihres
Dienstes. Wenn ich gefragt werde, ein Diakon eigentlich ist,  steige ich meistens mit dem Auftrag Jesu an seine Jünger ein.

Er schickt sie los und sie sollen ganz im Auftrag von „Martyria“ Zeugnis geben, verkündigen, für die Verbreitung des Evangeliums sorgen und im Sinne von „Liturgia“ den Gottesdienst leiten, das gemeinsame Gebet anleiten, insbesondere die Feier des Heiligen Abendmahls.

Dadurch entsteht dann der dritte Grundvollzug der Kirche, „Koinonia“, die Gemeinschaft.

Das taten seine Jünger dann auch brav und taten, wie ihnen geheißen. Bald lesen wir dann aber in der Apostelgeschichte im 6. Kapitel vom murrenden Volk und von Ungerechtigkeiten bei der Versorgung in der Gemeinde. Dort heißt es:

„Darum, liebe Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll Geistes und Weisheit sind, die wollen wir bestellen zu diesem Dienst.“

Da sind sie also „aus der Taufe gehoben“, meine ersten sieben Brüder, und nicht nur sie, sondern auch der vierte und letzte Grundvollzug der Kirche: die „Diakonia“, der Dienst am Menschen, am Nächsten, am Geringsten.

Und damit wir Diakone auch immer daran denken, sind diese sieben unsere Brüder bei uns auch verewigt: in der Philippuskirche in Rummelsberg bei Nürnberg, unserem geistlichen Zentrum. Unsere 6-jährige Ausbildung beginnen und beenden wir dort. Bei der Einsegnung ins Amt des Diakons stehst du dann dort. Den Blick gerichtet auf den Bruder aller Brüder, ebenso auf Maria, Johannes und eben die sieben ersten Brüder.

Die sieben Werke der Barmherzigkeit unter dem Kreuz sind eine sehr irdische Darstellung. Die Werke wenden sich in urchristlicher Tradition eben an Menschen in Not. Dabei geht es nicht darum, dass der Helfer sich erhöht, sondern, die Würde des Notleidenden beachtend, ihm das anbietet, was ihm fehlt. Not ist dabei ganz elementar: Es geht um Essen und Trinken, um Obdach, Freiheit, Krankheit, Kleidung und um die Würde Sterbender und Toter.

Für diesen Dienst braucht man Männer und heutzutage sage ich selbstverständlich auch Frauen, die diesen Dienst tun. Und um mich immer an mein Einsegnungsversprechen und meinen Auftrag zu erinnern, trage ich die sieben Werke der Barmherzigkeit unter meiner Haut, deutlich sichtbar.

Text: Diakon Rainer Fuchs,
Studienleiter an der Gemeindeakademie Rummelsberg
Artikelfotos: privat