Themenartikel
Ein neues Ziel
Ein neues Ziel

Vor rund zehn Jahren zählte für mich vor allem eines: Ich brauchte eine Perspektive. Sicher, meine Tätigkeit als Dozent an der Missionsschule Unterweissach stand nie in Frage. Ich hätte dort noch lange weiter unterrichten können. Von innen her aber sah die Sache anders aus. Nach fast 20 Jahren stellten sich Ermüdungserscheinungen ein. Das ständige Pendeln zwischen der Arbeit und zu Hause ging auf die Knochen. Und ich stellte mir ernsthaft die Frage: Kann und will ich das nochmals weitere 20 Jahre lang machen? Eine neue Perspektive musste her!

So habe ich mich dazu entschlossen, mit Anfang 50 noch mal die Schulbank zu drücken und eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger zu absolvieren. Mittlerweile arbeite ich seit fünf Jahren in einer Wohngemeinschaft für außerklinische Intensivpflege in Cham. Und bei allem Auf und Ab kann ich sagen: Es war die richtige Entscheidung.

Was half mir auf diesem Weg, was zählte damals, was zählt bis heute? Ich sehe folgende Punkte:

Den Gegebenheiten Rechnung tragen: Ich musste mir eingestehen, dass der ursprüngliche Traumjob auch seine Schattenseiten hatte. Und ich habe verstanden, dass sich Prioritäten im Laufe eines Lebens verschieben können: Vielleicht brauchte meine Gemeinschaft zu Hause ja doch eher einen Krankenpfleger als einen Historiker?

Die Dinge nicht allein mit sich selbst ausmachen: Ich habe mich damals regelmäßig mit einem geistlichen Begleiter getroffen, um über das zu reden, was in meinem Leben gerade ansteht. Da wurde natürlich auch die Frage des Berufs zum Thema. Diese Gespräche haben mir entscheidend geholfen, meinen Weg zu gehen.

Ein Ziel vor Augen haben: Gezählt hat das Ziel. Ich wollte nicht in eine berufsbiografische Falle gehen, ich wollte noch einmal entscheiden können. Dass damit ein guter Schuss Wagemut und Unbedarftheit verbunden war – geschenkt. Das gehört wohl unvermeidlich mit dazu. Der Berufsalltag eines Krankenpflegers ist nicht auf Rosen gebettet. Es gab und gibt auch hier Härten.

Rückhalt erfahren: Als Einzelkämpfer hätte ich mir diese Entscheidung schlicht nicht leisten können. Aber die Geschwister in meiner geistlichen Lebensgemeinschaft haben mir den Rücken gestärkt und mir ihr Ja für diesen Weg gegeben. Rückhalt hat mir auch die Gewissheit geschenkt, dass mein Leben nicht bestimmt ist durch die Definition von außen. Viele Menschen haben meinen Schritt damals nicht verstanden und als sozialen Abstieg bewertet. Ich möchte für mich aber an der Definition meines Lebens von oben festhalten: Dass Gott mich mit liebenden und barmherzigen Augen ansieht, was immer ich tue und wo immer ich arbeite. Denn das zählt für mich.

Text: Manfred Sitzmann
Artikelfoto: iStockphoto.com

Manfred Sitzmann ist promovierter Historiker, Germanist, Gesundheits- und Krankenpfleger und Mitglied der Christusbruderschaft Falkenstein, einer evangelischen Kommunität.