Innenstadt
Lebensraum Friedhof
Eine andere Welt
Gertrud und Wilfried Lipburger auf dem Johannisfriedhof
Sabine Stark auf dem Rochusfriedhof

Die Friedhöfe von St. Johannis und St. Rochus sind aus Nürnberg nicht mehr wegzudenken. Dass beide historisch bedeutsam sind, muss an dieser Stelle nicht mehr erläutert werden.

Aber inwiefern sind sie als Orte wichtig für die Menschen, die sich hier aufhalten?

 

Trotz grauen Himmels und angekündigten Sturmes ist einiges los auf dem Johannisfriedhof. Eine ältere Dame mit schulterlangen, grauen Haaren spaziert kreuz und quer über die Wege und schaut dabei immer wieder kritisch herum. Die 85-Jährige begutachtet jedoch nicht den Grabschmuck oder die Inschriften, nein: „Ich suche Grabstellen aus, für mich und meinen Mann.“ Seit 40 Jahren wohnen die beiden in Johannis, weshalb auch nur der Johannisfriedhof in Frage komme. „Eigentlich gab es nie etwas anderes als den Johannisfriedhof“, sagt sie. Besonders, wenn im Herbst auf den Gräbern Lichter brennen, finde sie den Friedhof „einfach schön“.

Der kürzeste und schönste Weg
Im Gegensatz zu der 85-Jährigen und ihrem Mann möchte nicht jeder in der direkten Nachbarschaft beerdigt werden. Eine Frau mit Einkaufstasche über der Schulter meint, das käme für sie nie in Frage. Auch ihr Mann sei auf dem Waldfriedhof begraben. Sie finde es besser, eine räumliche Distanz zwischen Zuhause und dem Grab ihres Mannes zu haben. So gehe sie auch gerne über den Johannisfriedhof, gerade eben zum Einkaufen. Es sei einfach der kürzeste und schönste Weg.

Gertrud und Wilfried Lipburger interessieren sich vor allem für die lange Geschichte des Johannisfriedhofs. Die beiden kommen aus Österreich und bei ihrer Nürnberg-Reise darf ein Besuch des alten Friedhofs nicht fehlen. Besonders beachtlich finden sie, dass dort Wohlhabende neben Armen bestattet wurden. „Die Schere zwischen Arm und Reich geht hier nicht so weit auseinander“, sagt Wilfried Lipburger. „Das hat man nicht so häufig.“ Und wie war der Besuch? „Hat sich auf jeden Fall gelohnt“, sind sich beide einig. Auf dem Rochusfriedhof ist an jenem Tag deutlich weniger los. Und die meisten überqueren den Friedhof schnell auf dem kürzesten Wege. Das heißt aber nicht, dass sie den Ort nicht wertschätzen. Christine Geißler arbeitet in der Nähe und nimmt häufig den Weg über den Rochusfriedhof. Er sei anders als andere Friedhöfe, meint sie. Nicht so grün wie andere, dafür strahle der Moosbewuchs der Platten „so eine Ruhe aus“.

„Manchmal in der Mittagspause komme ich her und setze mich einfach auf eine Bank“, erzählt sie. „Es ist irgendwie erholsam.“

Auch Hermann Inzenhofer schätzt die Ruhe – trotz der nahen Straße. Seine Frau und seine Schwiegereltern seien auf dem Rochusfriedhof begraben, weswegen er häufig dort sei. Obwohl der Friedhof insgesamt sehr ordentlich sei, stören ihn „Sachen, die nicht auf einen historischen Friedhof gehören“. Er verweist auf weiße Porzellanengel, die auf manchen Gräbern stehen. „Das passt nicht hierher.“

Eine Oase in der Stadt
Sabine Stark arbeitet in der Innenstadt und wohnt außerhalb. Jeden Tag fährt sie mit dem Auto in die Stadt. „Ich freue mich immer, wenn ich hier einen Parkplatz bekomme, sodass ich dann über den Friedhof reinlaufen kann“, sagt sie. Der Rochusfriedhof komme ihr vor wie eine „Oase“, wie „eine andere Welt“. Natürlich sei er auch teilweise ein trauriger Ort, sagt sie mit Verweis auf zwei frische Gräber. Aber der Tod gehöre nun einmal einfach dazu. Deshalb findet sie es auch schön, dass der Friedhof in der Stadt liegt und nicht außerhalb. Denn der Tod sei ein Teil des Lebens.

 

Text und Fotos: Hannah Friedrich