Innenstadt
Wer als Vegetarier beim Betriebsausflug in einer fränkischen Traditionswirtschaft landet, spürt unweigerlich das Gefühl, irgendwie nicht dazuzugehören, wenn neben den Pommes gerade noch der Beilagensalat als Ernährungsoption übrig bleibt.
Essen verbindet – manchmal trennt es aber auch

Wer als Vegetarier beim Betriebsausflug in einer fränkischen Traditionswirtschaft landet, spürt unweigerlich das Gefühl, irgendwie nicht dazuzugehören, wenn neben den Pommes gerade noch der Beilagensalat als Ernährungsoption übrig bleibt.
Wer sich über die Grenzen der Religionen und Kulturen wagt, stößt noch auf weit mehr „Fettnäpfchen“, wenn es gestattet ist, dieses Wort in diesem Zusammenhang zu gebrauchen.
Wer in Deutschland ein Leben als praktizierender Muslim oder Jude lebt, erlebt permanent kulinarische Fremdheitserfahrungen: Da ist das Sommerfest in der Grundschule der Kinder, bei dem auch Hamid und Fatmeh einen „Verzehrgutschein“ über eine Bratwurst erhalten … Wenig sensibel, wenn man aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch essen möchte, ganz zu schweigen von den Wiener Würstchen, die prinzipiell jedes Kind mit zu einem Geburtstag in eine deutsche Kita mitbringt.
Ich finde, es ist kein Verrat an einer wie immer gearteten bajuwarischen Leitkultur, als Vater beim Einkauf an Halal-Geflügelwürstchen zu denken. So kann dann auch der muslimische Freund meines Sohnes beherzt mitfuttern, anstatt wie so oft an seiner trockenen Semmel zu nagen. Wenn es vielleicht sogar gelingt, einen muslimischen Papa aus dem Elternbeirat der Schule beim Sommerfest zum Grillmeister an einem Halal-Grill zu machen, dann ist das ein unaufwendiger aber wichtiger Schritt zu einer religionssensiblen Schulkultur. Das Miteinander kann dabei nur gewinnen.
Dabei ist freilich die „kulinarisch-religiöse Differenzkultur“ keine Einbahnstraße.
Immer wieder erleben wir das im Begegnungszentrum BRÜCKE: Beim interreligiösen Männerstammtisch DIWAN treffen sich seit zwei Jahren christliche und muslimische Männer. Die Truppe ist bunt: vom älteren fränkischen Kirchenvorsteher bis zu konservativ-muslimischen Jungmännern aus Syrien ist da alles vertreten. Irgendwie eine spannende Mischung. Unversehens wurde daraus im letzten Sommer über einem Glas Bier eine sehr spannungsgeladene Mischung: Nach einer gemeinsamen Altstadttour kehrten wir auf einen Absacker im Café Zeitlos ein. Während sich die muslimischen Kollegen einen Tee oder Kaffee bestellten, gönnte ich mir ein Feierabendbier. Eine ganze Reihe muslimischer Kollegen empfand mein Bier als „unhaltbare Provokation“, vielleicht hatten sie auch einfach Angst, in aller Öffentlichkeit mit einem alkoholtrinkenden Deutschen angetroffen zu werden. Einige haben die Gruppe damals sogar verlassen, andere, die geblieben sind, haben an dieser Stelle eine wichtige Lektion in Sachen Differenzkultur gelernt.
Bei unserer Arbeit im Begegnungszentrum BRÜCKE erleben wir solche Grenzgänge in Sachen Essen und Trinken immer wieder: Seit vielen Jahren laden wir mit dem Projekt SpeiseReise regelmäßig zum interreligiösen Kochen ein. Dabei ist klar, dass wir unser Fleisch bei einem der türkischen oder arabischen Metzger in der Südstadt kaufen, die rituell geschächtetes Fleisch anbieten. Leider werde ich auch meine muslimischen Gäste nie dazu bringen, mit mir einen Schweine-
braten zuzubereiten. Dabei bin ich fest überzeugt, dass sie ein echtes Stück vom Glück verpassen.
Komplizierter wird es dann noch, wenn jüdische Gäste am Samstag, dem Schabbat, keinen Herd anschalten dürfen, weil die jüdische Religionspraxis das Arbeiten und „Feuermachen“ am Feiertag verbietet. Gelernt habe ich auch, dass Angehörige der Mandäer nur Fleisch von männlichen Schafen und Geflügel verspeisen dürfen. Mensch, ist das Essen kompliziert! Wenn es um Religionen und Kulturen geht, ist Essen und Trinken immer ein Grenzgang. Die eigentliche Frage, um die es dabei geht, aber ist: Wollen wir zusammen an einem Tisch sitzen? Der gemeinsame Tisch ist dabei stellvertretend ein Aushandlungsort für unsere Gesellschaft. Ziehen wir uns in
parallele „Essräume“ und Communities zurück oder ist uns die Gemeinschaft so wichtig,
dass wir nach Kompromissen suchen, die Gemeinschaft möglich machen?

Mir hilft übrigens dabei immer wieder ein Gedanke des guten alten Paulus: „Seht aber zu, dass eure Freiheit für die Schwachen nicht zum Anstoß wird“ (1. Korintherbrief 8, Vers 9): In Korinth stritt man sich in der noch jungen Gemeinde darum, ob es erlaubt sei, Opferfleisch aus den heidnischen Tempeln zu essen. Für die vielen Armen in der Gemeinde war das eine billige, wohl auch existenzielle Notwendigkeit. Paulus ermutigt zur Rücksicht aufeinander, um der Gemeinschaft willen. Würde er heute einen 1. Nürnbergerbrief an uns verfassen, könnte Ähnliches drinstehen:
Bei aller Freiheit, mit der ich als Christ Essen und Trinken genießen darf, entspricht es dem Geist Jesu Christi, auf die Brüder und Schwestern (ja, auch aus den anderen Religionen) so viel Rücksicht zu nehmen, dass wir an einem Tisch zusammenbleiben können. Wir versuchen es immer wieder, allen „Fettnäpfchen“ zum Trotz.

Text & Bild: Thomas Amberg
Interreligiöses Grillfest

Sucuk trifft Bratwurst.
Ein interreligiöses Grillfest

Beim gemeinsamen Grillfest treffen sich nicht nur die beliebten türkischen Halal-Würstchen und Nürnberger Bratwürstchen, sondern auch Menschen verschiedener Religionen zu einem gemütlichen Sommerabend. Wenige Meter vom Jakobs-
platz, diesem Kreuzungspunkt der Kulturen am Rand der Nürnberger Altstadt, liegt versteckt der perfekte Ort für diese Begegnung. Für einen separaten Halal-Grill ist gesorgt.

Grillgut bitten wir je nach Appetit selbst mitzubringen. Alles andere wollen wir teilen: Wir hoffen auf ein reiches Salatbuffet!
Getränke und Brot werden organisiert. Natürlich sind auch Familien mit Kindern herzlich willkommen, im Jakober Gärtla zu spielen und zu toben.

Wann: Samstag, 6. Juli, 17–20 Uhr

Wo: Jakober Gärtla direkt rechts neben der Kirche St. Jakob

Kosten: keine, wir bitten um Salatspenden

Anmeldung: bitte per E- Mail bis 5. Juli an buero@bruecke-nuernberg.de

Kooperation von BRÜCKE-KÖPRÜ, der Kirchengemeinde
St. Jakob und der Fachstelle Interkulturell Evangelisch in Bayern