Musik
Froh, überhaupt wieder singen zu dürfen
Froh, überhaupt wieder singen zu dürfen
Ein Teil der Jugendkantorei vor St. Sebald

Ein Gemeindeleben ganz ohne Musik? Möglich vielleicht, aber schwer vorstellbar. Und Gottesdienste erst recht nicht. Doch die Corona-Pandemie hat Kunst und Kultur und eben auch der Kirchenmusik schwer zugesetzt. Nur die Orgeln brachte sie nicht ganz zum Schweigen. Aber an Orchesterspiel und Chorgesang war wochenlang nicht zu denken – und auf vielstimmige Fülle in großer Besetzung werden wir wohl noch länger warten müssen.

Immerhin war es rasch gelungen, Andachten im Internet anzubieten, mit Musik, die ebenso anregt, tröstet und Glaube, Hoffnung und Liebe ausdrückt wie gesprochene Worte. „Aber Kirchenmusik lebt schon vom Miteinander und gemeinsamen Gestalten“, betont der Lorenzer Kantor und Organist Matthias Ank. Doch die Abstands- und Hygienevorgaben würgten vieles ab, nicht zuletzt so beliebte und begehrte Formate wie die Bachkantaten zum Mitsingen. Und natürlich fielen auch Einladungen flach, so wie die für den Bachchor zum Leipziger Bachfest. „Selbstverständlich haben wir aber immer untereinander Kontakt gehalten, zunächst mit Rundmails“, erläutert der Kirchenmusikdirektor.

Dann kam die Idee auf, Stimmbildungsvideos zu produzieren, um den Chormitgliedern regelmäßiges Üben zu ermöglichen. Sechs Ausgaben zu je 25 Minuten sind inzwischen entstanden und über einen eigenen Youtube-Kanal abzurufen – exklusiv für die Mitglieder des Bachchors und des Vocalensembles. Und Ank weiter: „Das Schöne ist, dass jede und jeder das für sich abrufen und x-mal wiederholen kann, wie und wann es ihm und ihr am besten passt.“ Für die Körperarbeit  wurden dazu noch drei Yoga-Sessions aufgezeichnet.

Damit nicht genug: Zur Vorbereitung des Herbstprogramms konnten den Sängerinnen und Sängern über einen Verlag Übungs-Apps zur Verfügung gestellt werden. Und inzwischen ist sogar – mit Einschränkungen – der Probenbetrieb wieder angelaufen: Via Internet ist „gemeinsames“ Einstudieren möglich: Matthias Ank agiert im Büro, das als „Studio“ dient, die Bachchor-Mitglieder singen je für sich zu Hause – und sind wenigstens optisch untereinander verbunden. Zeichen dienen beispielsweise als Signal, wenn eine Stelle wiederholt werden soll.

Auch in der Kirche kann inzwischen wieder geprobt werden, wenn auch nur mit je 25 Teilnehmern, die sich in Zwei-Meter-Abständen postieren, während sich die anderen via Kamera und Mikro von zu Hause aus beteiligen. Dem kleiner besetzten Vocalensemble bot sich dagegen die Gelegenheit, im Kreuzigungshof des Heilig-Geist-Spitals „im Freien“ zu proben.

„Das gemeinsame Erleben und Zusammenwirken ist für einen Chor als Gruppe einfach unerlässlich“, stellt Ank fest. Das gilt erst recht für Ensembles wie den Windsbacher Knabenchor, der – in kleinerer Besetzung – auch wieder Lorenzer Motetten gestalten kann. So bereiten sich die Musikerinnen und Musiker mit dem Lorenzer Kantor hoffnungsvoll auf die für November und Dezember geplanten Konzerte vor. Wenigstens für ein kleines Publikum will das Vocalensemble im November Mozarts Requiem zu Gehör bringen, das Weihnachtskonzert des Bachchors am 12. Dezember soll es im „Doppelpack“ geben, also um 18 und 20 Uhr mit jeweils der Hälfte des Chores – und übrigens einem Auftragsstück, das unter dem Titel „Stille zu Gott“ nach Psalm 62 auch die Corona-Krise aufnimmt.

Noch ziemlich in der Luft hängt das Sebalder Kammerorchester. Zu kleinen Proben konnten sich die Mitglieder zwar schon mal in der geräumigen Egidienkirche treffen – immer nach dem vorgeschriebenen Rhythmus von jeweils 20 Minuten Spiel und 10 Minuten Pause. „Aber ein richtiger und geeigneter Probenraum fehlt uns bisher; alle Anläufe haben bisher keinen Erfolg gebracht“, berichtet der Leiter Martin Schiffel und hofft auch auf Hilfe von der Stadt. „Proben sind wie Nahrung“, bekräftigt er, auch wegen der sozialen Komponente. Schade nur, dass eine Aufsplittung des Ensembles für Auftritte in ganz kleiner Besetzung bei dem Kammerorchester nicht möglich sei. Das scheitere daran, nicht alle jeweils benötigten Stimmen entsprechend besetzen zu können. Und so zeichnen sich vorerst auch keine realistischen Konzerttermine ab – was schon auf die Stimmung drückt.

Proben und Vorsingen über das Internet mit „Zoom“, Mini-Ensembles zur Gestaltung von Gottesdiensten, geduldiges Suchen nach Stücken für kleine Besetzungen – all das ist auch für Martin Stubenvoll in St. Egidien zum Alltag geworden. „Was wir ausprobiert haben, ist alles besser als nichts und es geht mehr, als man denkt, aber am gemeinsamen Hören und Einstudieren führt am Ende doch kein Weg vorbei“, fasst er seine Erfahrungen zusammen. Das große Ziel: wenigstens das Weihnachtskonzert am vierten Advent und die Mitgestaltung der Christvesper. „Die Leute waren und sind so dankbar, dass sie singen dürfen.“ Neben dem Egidienchor für Erwachsene betreut er seit einem Jahr auch die Kinder- und Jugendkantorei mit drei Gruppen. Für die Kleineren hatte er sich etwas besonders Hübsches ausgedacht: Jede Woche schickte er ihnen ein Youtube-Video mit Bewegungs- und Spaßliedern für daheim und mit jeweils einer kleinen Aufgabe, etwa einem Zungenbrecherlied. Die Kinder sollten sich beim Lösen selbst filmen (lassen) und das Ergebnis zurückschicken. „Da waren die meisten mit Eifer dabei – und eine kleine Belohnung gab’s natürlich auch.“

Text und Artikelfoto: Wolfgang Heilig-Achneck