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Matthias Ewelt – Geschäftsführender Vorstand, Stadtmission Nürnberg
Für ein gutes Miteinander

Herr Ewelt, was ist Ihr größter Traum?

Den wage ich nicht zu träumen: Dass niemand mehr Hilfe im Leben braucht und selber klarkommt. Unter den gegebenen Umständen ist mein größter Traum deshalb, dass wir noch viel mehr Menschen helfen können.

Welche Ihrer Träume hat sich bereits erfüllt?

In der Corona-Krise sind wir als Stadtmission enger zusammengerückt. Wenn’s geknirscht hat, wenn wir keine schnellen Lösungen gefunden haben und auch von der Politik wenig Unterstützung kam, war eines immer klar: Wir fühlen uns als Diakonie unserem Auftrag verpflichtet. Anstatt uns in Dingen zu verstricken, die nicht funktionieren, trotz allem so professionell wie möglich zu arbeiten, ist schon traumhaft.

Was war denn mal Ihr Kindheitstraum?

Als Kind habe ich mir gewünscht, ein glückliches und einfaches Leben führen. Ich hatte das Glück, eine sehr behütete Kindheit zu haben. Das prägt mich auch im Blick auf die Wünsche für mich selber und für andere. Im Verlauf meines Lebens habe ich bei der Diakonie erkannt, dass viele Menschen unter ganz anderen Bedingungen groß geworden sind und leben müssen, als ich das darf.

Wie gehen Sie damit um, wenn sich Ihre Träume, Ideen und Vorstellungen nicht erfüllen?

Als religiöser Mensch ist mir die Perspektive wichtig, dass Gott es richten wird. Das muss ich mir immer wieder sagen und mich dann einbremsen. Es liegt nicht allein an mir, die Probleme dieser Welt zu lösen. Ich kann es nur in Gottes Hand geben oder in die Verantwortung künftiger Generationen. Aber das fällt uns allen, die wir in verantwortlicher Position sind, nicht leicht.

Haben Sie einen Traumberuf?

Kfz-Mechaniker. Motorräder zu zerlegen und wieder zusammenzubauen, war immer mein Traum und meine große Leidenschaft. Als das Abitur anstand, habe ich meiner Familie gesagt: Wenn ich bestehe, dann studiere ich Theologie, wenn nicht, mache ich eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker. Technik heißt für mich, von den Sorgen und Nöten des Lebens runterzukommen zu etwas Machbarem, etwas Manuellem, etwas Öligem. Das tut mir gut.

Wie sieht Ihr Traum für die Zeit nach Corona aus?

Ich hoffe, dass vieles in Erinnerung bleibt, von dem wir gespürt haben, dass es eine Bedeutung für uns Menschen hat: vor allem die Gemeinschaft. Wir bemerken jetzt, dass uns das Zusammenkommen fehlt und miteinander Themen zu besprechen. Leider wird das in der Krise noch nicht allgemein erkannt. Wir stellen fest, dass die Börsenkurse steigen und massenhaft Menschen, aber auch Unternehmen von der Krise profitieren. Auf der anderen Seite verstärkt sich das Leid der Menschen. Ich wünschte mir, dass sich das nach der Pandemie ändert. 

Wovon träumen wohl die Menschen, um die sich die Stadtmission kümmert?

Sie träumen von einem besseren Leben. Wir haben ja Menschen, die fühlen sich zu Unrecht dort, wo sie leiden. Manche nehmen es hin, wie es ist. Andere lehnen sich dagegen auf. Das ist ganz unterschiedlich. Aber alle, die zu uns kommen, suchen nach einer Verbesserung im Leben und lassen sich von uns helfen. 

 

Wenn Sie sich eine Welt erträumen könnten, wie sähe die aus?

In der perfekten Welt ginge es uns allen gut und wir wären in einem guten Miteinander. Weil ich aber weiß, dass es das nicht gibt, wünsche ich mir, dass wir weitgehend zu einem guten Miteinander kommen und weniger im Gegeneinander und in der Abgrenzung leben. Dazu braucht es eine Abkehr vom absoluten Individualismus hin zu mehr Sozialem und Gemeinsamem.

Interview: Paul Schremser
Artikelfoto: Madame Privé