Gesellschaft
Nürnberger Religionsgespräch
Glauben in Einheit und Vielfalt

Nürnberg ist europäische Reformationsstadt

Die Stadt Nürnberg darf sich jetzt „Reformationsstadt in Europa“ nennen. Der Ehrentitel wird seit 2014 von der „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE)“ verliehen. Sie vertritt etwa 55 Millionen Protestanten. Die Ernennungsurkunde hat die Stadt beim „Nürnberger Religionsgespräch“ im Historischen Rathaussaal erhalten.
Der Vorsitzende der GEKE ist Bischof Michael Bünker aus Wien. „Nürnberg ist die 96. Reformationsstadt“, sagt er. Sie gehöre jetzt zu einem Netzwerk, das von La Rochelle an der französischen Atlantikküste bis nach Hermannstadt (Sibiu) in Rumänien und vom finnischen Turku bis nach Venedig in Nord-
italien reiche. Bünker erinnert daran, dass es nicht die Theologen, sondern die Lokalpolitiker waren, die vor knapp 500 Jahren die Reformation in Nürnberg vorangetrieben haben.

Deshalb erhält die SPD-Stadträtin Christine Kayser die Ernennungsurkunde in Vertretung des Nürnberger Oberbürgermeisters Ulrich Maly. Kayser weist in ihrer Rede darauf hin, dass in der Stadt bereits seit 1520 nach der Lehre Martin Luthers gepredigt wird. Doch darüber tobt damals der Streit.
Er wird erst 1525 erfolgreich geschlichtet. Vorausgegangen war das erste Nürnberger Religionsgespräch im Nürnberger Rathaussaal. „Nürnberg wurde nun zum intellektuellen Zentrum des Humanismus“, weist Kayser auf die wichtige Rolle der Stadt in der Reformationszeit hin.
Religionen im Dialog um die Wahrheit

Ging es damals noch um die Frage nach der richtigen christlichen Konfession, arbeiten die christlichen Kirchen heute weitgehend ohne Konkurrenzdruck zusammen. Bei der Neuauflage im Jahr 2017 stellen sich vier Religionen dem Dialog: Juden, Muslime, Bahá´i und Christen. Sie gehören alle auch zum „Rat der Religionen“, den es seit Herbst vergangenen Jahres gibt.

German Djanatliev sieht als Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde viele Gemeinsamkeiten mit Muslimen und Christen. Gott habe mit den Menschen für alle Zeiten einen Bund geschlossen. Als Zeichen dafür stehe der Regenbogen. Speziell zu den christlichen Gläubigen sagt Djanatliev: „Was uns eint, ist der Glaube von Jesus. Was uns trennt, ist der Glaube an Jesus.“

„Der Terror ist nicht islamisch“

Ali Nihad Koç ist der Sprecher des Begegnungszentrums „Medina“ in der Nürnberger Südstadt. Er erinnert an die gemeinsamen Wurzeln, die auf Abraham zurück gehen. Dass in der deutschen Öffentlichkeit der Islam oft mit dem Terrorismus verbunden werde, ärgere ihn als Muslim massiv. „Der Terror ist nicht islamisch“, sagt Koç. „Auch die Kreuzzüge waren nicht christlich.“

Wie Christen, Muslime und Juden bekennen sich auch die Bahà´i zu einem Gott, unterstreicht Ingo Hofmann als Vertreter dieser Religionsgemeinschaft. Sie sei vor rund 200 Jahren gegründet worden. „Es gibt nur einen Gott, aber mit unterschiedlichen Namen“, sagt Hoffmann. Dann betont er: „Die Religionen sind der Gegenpol zum Materialismus.“

Schließlich tritt der evangelische Stadtdekan Jürgen Körnlein für das gegenseitige Vertrauen der Religionen ein. Dazu seien Begegnungen und Gespräche nötig. Angesichts des Reformationsjubiläums ruft Körnlein die Protestanten auf, sich stets kritisch mit dem eigenen Glauben zu befassen: „Das gehört zum evangelischen Profil.“

Text: Paul Schremser
Fotos: Madame Privé, Daniel Ursus Ochs