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Hesperidengärten
Grüne Oasen in jahrhundertealter Tradition

Die Idee, wenigstens einen oder zwei der historischen Gärten wieder auferstehen zu lassen und einen Eindruck der reichen Geschichte zu vermitteln, fand Cantzler einfach bestechend. Zumal sich der Stadtteil damals anschickte, sein 750-jähriges Bestehen zu feiern. Dabei gab es nur die Möglichkeit, die Gärten nach historischen Vorlagen und Mustern neu anzulegen. 

Um sie überhaupt zum Blühen zu bringen, war echte politische Kärrnerarbeit gefragt: Mit einigen Mitstreitern erreichte es Cantzler, dass die Stadt die Anwesen übernahm und den Bebauungsplan so anpasste, dass die Grünflächen auf Dauer gesichert wurden. Bei der Entscheidung im Stadtrat habe damals, erinnert sich Cantzler, allein die Stimme von Oberbürgermeister Urschlechter den Ausschlag gegeben. Und, kurioses Detail am Rande, mit der CSU votierte auch der damals einzige kommunistische Stadtrat für das Projekt in St. Johannis. Dagegen fanden vor allem Ratsmitglieder aus der führenden SPD-Fraktion andere Vorhaben viel wichtiger. Am Ende aber gelang es mit geduldiger Sacharbeit und der Unterstützung etwa von Fachleuten aus dem Gartenbauamt, mit sorgfältiger Neugestaltung eine Ahnung der einstigen Pracht zu vermitteln.

Am Ausgang des 17. und Beginn des 18. Jahrhunderts waren es wohlhabende Bürger gewesen, die sich nach den Wirren und den verheerenden Zerstörungen des 30-jährigen Krieges größere Gartengrundstücke vor den Stadtmauern anlegen ließen. Als gepflegte Anlagen, auch als Ort der Sommerfrische und Alternative zur engen, stickigen Stadt, erstreckten sie sich auf beiden Uferseiten der Pegnitz mindestens bis zur Großweidenmühle. Ein weiterer Garten existiert, neben den erwähnten, bei Hausnummer 13, ist aber nur selten zugänglich.

Die Bezeichnung „Hesperiden“ verweist auf die antike Mythologie: Sie geht zurück auf den Nürnberger Kaufmann Johann Christoph Volkamer – an seine Familie erinnern in St. Lorenz ein großes Fenster im Chor und eine Empore. Selbst Besitzer eines ausgedehnten Gartengrundstück, schilderte er in einem 1708 erschienen Prachtwerk die „Nürnbergischen Hesperides“. In dem Göttergarten im fernen Westen wuchsen goldene Äpfel, bewacht von einem Drachen. Gemeint waren wohl Zitronen und Orangen (Pomeranzen), die schon damals im hiesigen Klima nur mit hohem Aufwand gediehen.

Diese Schätze zu rauben, gehörte zu den zwölf Heldentaten des Herakles (Hercules). Viel Energie und Herzblut steckten Cantzler und der Bürgerverein denn auch in die geduldige Suche zur Finanzierung von entsprechendem Gartenschmuck, allen voran, einer Herakles-Statue sowie allegorischen Figuren von Tugend und Laster, der Erdteile und der Jahreszeiten (jeweils als Repliken). Aus der Nachbarschaft hierher versetzt wurde ein Brunnen mit einer Figur des Dichters Arion, der unter Seeräuber geraten war und nach einem Sprung über Bord von einem Delfin gerettet wurde. Zu den weit über Nürnberg hinaus beachteten Sehenswürdigkeiten gehört schließlich eine Sonnenuhr aus Buchs, wie sie schon bei Volkamer beschrieben war.   

Mit der Ruhe, der Vielfalt an Pflanzen und dem historischen Flair haben die Hesperidengärten natürlich auch Cantzler ganz privat in ihren Bann gezogen. „Das ganze steht und fällt aber mit den Gärtnern und ihrem Einsatz“, meint er. Wo immer möglich, habe er sich Zeit für einen Plausch mit ihnen genommen. Und weil die Anlagen empfindlich sind und besondere Pflege benötigen, sind sie nicht von ungefähr als einziger Nürnberger Park nur in der warmen Jahreszeit zugänglich.

Text: Wolfgang Heilig-Achneck
Artikelfotos: Jan Martin Depner