Gesellschaft
Ökologischer aufbruch
Handeln oder beten für das Klima?

Hinter uns liegt der zweitwärmste Winter, den wir in Europa seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen erlebt haben. Die Warnzeichen werden häufiger und deutlicher. Der Handlungsdruck wächst. „Act now!“ lautet denn auch die zentrale Forderung, die uns und der Politik von den Demonstrationen und Protesten der Klimabewegung entgegenschallt. Es sind noch etwa zehn Jahre, die wir nutzen müssen, um zu vermeiden, dass das Klima an Kipp-Punkte  kommt, nach denen es kein Halten mehr gibt und die globale Erwärmung mit ihren Folgen in einen selbstverstärkenden Kreislauf eintritt.

Die Politik ist ein schwerer Dampfer, der seine Zeit braucht, um die Fahrtrichtung zu korrigieren. Das wissen wir. Da müssen die radikalen Notwendigkeiten mit den vielen Interessen und realistischen Möglichkeiten abgestimmt und zu Mehrheiten geführt werden. Da braucht es  Geduld und Zähigkeit. Trotz aller Ungeduld, die die wissenschaftlichen Daten uns nahelegen. Und ohne die großen Lösungen, gesamtgesellschaftlich und weltweit, wird es nicht gehen.

Aber wir wissen auch, dass viele Probleme als sogenannte „Summeneffekte“ auftreten, dass ein ganz alltägliches Verhalten, das CO2 oder Methan produziert, erst dann gefährlich wird, wenn ganz viele Menschen sich so wie bisher verhalten. Als sich noch sehr wenige Urlauber Langstreckenflüge leisten konnten, war das locker zu verkraften. Ein Massentourismus, der so tut, als seien mehrfache Fernreisen pro Jahr  ein Menschenrecht, ist Teil der Katastrophe. Das eher seltene Fleisch auf dem Teller, wenn es aus einer regionalen bäuerlichen Landwirtschaft kommt, geht voll in Ordnung. Fleisch aus Massentierhaltung mit Kraftfutter, das auf gerodeten Waldflächen des globalen Südens erzeugt wurde, darf nicht länger sein. Einmal den Verbrennungsmotor unnötig laufen lassen, ist zu vernachlässigen. Wenn es milliardenfach geschieht, ist es auf lange Sicht tödlich.

Plötzlich wird das Verhalten von Einzelnen relevant, wenn möglichst viele mitmachen. Und das sind Schritte, die machbar sind. Für jede und jeden. Jederzeit. Wenn der nötige Stupser einen aus den bequemen oder liebgewordenen Gewohnheiten herausholt. „Act now!“

Braucht es dann noch das Gebet für das Klima? Wenn alle Energie am besten dahin fließen sollte, wie wir zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Weltgesellschaft werden können? Nutzt das was?

Nun ist der Nutzen vielleicht gar nicht die richtige Messlatte, die ans Beten zu stellen ist. Beten ist der Raum, in dem wir vor Gott bringen, was uns im Tiefsten bewegt und uns  unbedingt angeht. Alles, was uns freut und ängstigt, dankbar macht und ohnmächtig. Durchs Beten bleiben wir in Beziehung mit dem, der alles Leben trägt, in guten wie in schlechten Tagen, in Sorge wie Freude. Da sind wir entlastet vom Druck, unser Handeln rechtfertigen zu müssen. Wir dürfen das Dunkle zulassen. Und uns stärken lassen für alles neue Tun.

Wer sich mit Menschen unterhält, die sich für

den Klimaschutz engagieren, wird von vielen zu hören bekommen, dass es eine große emotionale Herausforderung darstellen würde, sich ständig mit den bedrohlichen Nachrichten über die Verschärfung der Klimakrise zu konfrontieren und dabei nicht in Panik oder Verzweiflung zu geraten.Und dass es immer wieder Momente gibt, in denen die Aufgabe zu groß erscheint, als dass es noch ein Menschenmögliches wäre, das Steuer herumzureißen: Weil die Aktiven wenige, die Strukturen träge und die Zusammenhänge so global sind.

In solchen Momenten wird der ehrliche Austausch in der Gemeinschaft als entlastend und stärkend erlebt. Inzwischen gründen sich sogenannte „Grieving-Circles“, Trauerkreise, die Raum schaffen für den Austausch über die bedrohlichen Seiten. Das muss nicht zwingend christlich sein. Aber das könnte es. Warum nicht für die stärkende Begleitung ein regelmäßiges Angebot in einer Kirche schaffen? Warum nicht auch im Singen und im Gebet beieinander sein?

Die Kirchengemeinde St. Jakob und die Basisgemeinde Lorenzer Laden möchten einmal im Monat dazu einladen, dem Klima und den Herausforderungen im persönlichen und gesellschaftlichen Leben eine Zeit des Gebets zu widmen. Dort können sich alle begegnen, die diese Fragen bewegt. Aktivist*innen und Sympathisant*innen, Schüler*innen und Eltern, Kampfeslustige und Verzweifelte, Fromme und Skeptische, treffen sich zu einem „Prayer For Future“. Es gibt keinen Grund, damit zu warten.


Info:

Prayer For Future – Gebet mit Liedern und Fürbitten für das Klima

Jeden letzten Freitag im Monat von 14 bis 14.15 Uhr im Hochchor von St. Jakob

Nächste Termine: 24. April und 29. Mai

Text: Thomas Zeitler
Artikelfoto: Istockphoto.com