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Hier und Jetzt
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Seine Bücher gehören in Klöstern und bei für das Mystische offenen Christen zur heiß geliebten Pflichtlektüre. Hier wird eine der unzähligen chassidischen Beispielerzählungen nacherzählt (auch, weil sie in Nürnbergs Partnerstadt Krakau spielt).

Rabbi Bunam erzählt jungen Leuten immer wieder gern die Geschichte von Rabbi Eizik,  Sohn des Yekel, aus Krakau, dessen Gottvertrauen durch seine Armut nie erschüttert wurde, und der eines Tages träumte, dass unter der Palastbrücke in Prag ein Schatz für ihn vergraben sei. Nachdem der Traum zum dritten Mal wiederkehrte, machte er sich auf die Reise und schlenderte dann tagelang von morgens bis abends um die Palastbrücke herum, die dummerweise rund um die Uhr bewacht zu sein schien. Irgendwann fragte ihn schließlich der Hauptmann der Palastwache freundlich, ob er denn etwas Bestimmtes suche oder auf jemanden wartete. Rabbi Eizik offenbarte ihm seinen Traum, was den Hauptmann langanhaltend zum Lachen brachte. „Um eines Traumes willen hast Du Deine Schuhsohlen abgenutzt und bist aus der Ferne hierhergereist! Wenn ich solches Vertrauen in Träume hätte, wäre ich längst nach Krakau gereist, und hätte unter dem Herd eines Juden – Eizik, Sohn des Yekel hieß er, so träumte ich – einen Schatz ausgebuddelt! Kannst Du Dir das vorstellen? Wo doch jeder zweite Jude dort Eizik und die andere Hälfte Yekel heißt!“ Rabbi Eizik verbeugte sich höflich, reiste heim, grub den Schatz in seiner Küche aus und baute eine neue Synagoge.

Diese Geschichte ist ein Gleichnis dafür, dass manche Dinge nie in der Ferne gefunden werden können. Erfüllte Existenz gibt es nur da, wo man gerade lebt. 

Nach: Martin Buber, Der Weg des Menschen, 1948.

Text: Jan Martin Depner
Artikelfoto: imagoimages