Kultur
ION – Spuren
Moritz Puschke, künstlerischer Leiter der ION

Noch vielseitiger und mit neuen Akzenten: So will das Musik Fest ION noch mehr Musikfreunde in seinen Bann ziehen – und auch nicht nur Liebhaber geistlicher Werke.

Erstmals trägt das älteste Festival der Musica Sacra in Deutschland die Handschrift des neuen künstlerischen Leiters Moritz Puschke. Im Interview skizziert er seinen Ansatz und die Perspektiven der ION.

Citykirche: Zum Auftakt gibt es in diesem Jahr einen Paukenschlag: Die lange ION-Nacht in neuer Form. Worauf dürfen wir uns freuen?

Moritz Puschke: Ein klares Signal der Öffnung soll am Anfang stehen. Die Kombination mit der langen Einkaufsnacht, also die Kooperation mit dem Einzelhandel, gab es ja schon im vergangenen Jahr. Diesmal laden wir direkt in die Kirchen zu Konzerten ohne Eintrittsgeld ein – und in den Geschäften wird es zum Beispiel kleine Proben geben.Hier können alle Bürgerinnen und Bürger aus Nürnberg und der Metropolregion das Festival als ihres erleben, über den reinen Kunstgenuss hinaus.

Dabei gibt es ein allererstes Konzert mit Schülern schon am Nachmittag. Auch ein Signal?

Auch da geht es um eine verstärkte Öffnung. Rund 250 Mädchen und Jungen aus dritten Klassen haben bei einem Singprojekt die Chance zu erfahren, wie spannend die Beschäftigung mit Johann Sebastian Bach ist. Das läuft anders als bei gewöhnlichen Bildungsprojekten, wo sie oft nur zuschauen oder zuhören dürfen.

„Spuren“ lautet das Generalthema dieser 68. Orgelwoche. Es lässt offen, ob es um alte oder neue geht, um die mühsame Suche danach oder das Glück von Wiederentdeckungen. Bleibt das alles nicht ein bisschen unverbindlich?

So sehe ich das nicht. Mich überzeugt vor allem die Offenheit. Natürlich folgt die ION den Spuren der reichen Vergangenheit dieser Stadt. Aber zugleich forscht sie in Laboren nach Spuren, die in die Zukunft weisen. Das gilt auch thematisch, etwa bei der
Suche nach Fundamenten unserer Kultur und unseres Zusammenlebens wie bei Heinrich Schütz oder Henry Purcell oder nach Glaubensspuren wie bei Mendelssohns „Elias“. Und wenn Stars wie die Sopranistin Anna Prohaska oder der Kammerchor und die Klassische Philharmonie Stuttgart mit Frieder Bernius zu erleben sind und natürlich auch der Dresdner Kammerchor unter Hans-Christoph Rademann, werden sie Spuren hinterlassen, mindestens in Form von bleibenden Erinnerungen an glanzvolle Momente von Erfüllung und Glück.

Wie gut kannten Sie Nürnberg schon, als Sie sich beworben haben?

Ehrlich gestanden, hatte ich lange keine genaue Vorstellung von dieser Stadt. Bis ich mit meiner Familie bei einem Fahrradurlaub Franken entdeckte. Wir haben die schönen Landschaften, zum Beispiel am Main, schätzen gelernt und sind überall offen und herzlich aufgenommen worden. Und Nürnberg hat mich sofort gepackt. Natürlich habe ich die Stadt inzwischen gründlicher erkundet. Mit einem solchen Ensemble an großartigen Kirchen voller Kunstschätze und reichen musikalischen Traditionen sind nicht viele Städte gesegnet.

Mit geistlicher Musik kann nicht jeder etwas anfangen. Kann das Festival trotzdem ein breiteres Publikum ansprechen?

Unser Programm ist alles andere als ein Nischenangebot. Aus meiner Sicht kann geistliche Musik heutzutage sogar eine eminente Bedeutung für unseren Alltag haben. Angesichts einer zunehmenden Vereinzelung und der Digitalisierung wächst die Sehnsucht nach etwas Analogem, Echtem, nach Sinnstiftung und spiritueller Erfahrung.

Interview und Artikelfoto:
Wolfgang Heilig-Achneck