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Herbststürme in der Bibel
Ja, ich will euch tragen bis ins Alter und bis ihr grau werdet.

Im Alten Testament sind es überraschend oft Seniorinnen und Senioren, die große Aufgaben von Gott bekommen (die folgende Aufzählung ist nicht vollständig): Abraham wird beauftragt, im hohen Alter seine bisherige Heimat hinter sich zu lassen und mit seiner etwa gleichaltrigen Frau Sara in ein unbekanntes Land zu ziehen. Über das Versprechen Gottes, dass sie auch noch einen Stammhalter zur Welt bringen werde, kann Sara bekanntermaßen nur lachen, wird dann aber eines Besseren belehrt. Die beiden bleiben nicht die einzigen Senioren, mit denen Gott große Pläne hat und die er auf ihren Abenteuern begleitet, so sind zum Beispiel „Mose (…) achtzig Jahre und Aaron dreiundachtzig Jahre alt, als sie mit dem Pharao redeten“. (2. Mose 7,7). Die beiden rüstigen Senioren erleben noch viel Abenteuerliches in ihrem hohen Alter – vom Auszug aus Ägypten über das Erhalten der Zehn Gebote (in denen es mit „Du sollst Vater und Mutter ehren“ auch um die Pflege der gebrechlich gewordenen Eltern geht) bis zu den vierzig Jahren Wüstenwanderung.

Die Altersangaben in ersten Texten des Alten Testaments sind zwar nicht historisch zu sehen, lassen einen aber staunen über das, was dort alten Menschen zugetraut wird: so war Noah nach 1. Moses 7,6 sechshundert Jahre alt, als die Sintflut kam.

In den weisheitlichen Texten der Bibel werden die Schattenseiten des Alters nicht verheimlicht (z. B. „Denk an deinen Schöpfer in deiner Jugend, ehe die bösen Tage kommen und die Jahre nahen, da du wirst sagen: »Sie gefallen mir nicht«.“ Prediger 12), dafür gibt es doch auch viele hoffnungsvolle Texte bei den Propheten fürs Alter. Ein friedvolles Miteinander der Generationen („So spricht der Herr der Heere: Greise und Greisinnen werden wieder auf den Plätzen Jerusalems sitzen; jeder hält wegen seines hohen Alters einen Stock in der Hand. Die Straßen der Stadt werden voll Knaben und Mädchen sein, die auf den Straßen Jerusalems spielen.“ Sach 8,4 oder „Dann freut sich das Mädchen beim Reigentanz, Jung und Alt sind fröhlich. 

Ich verwandle ihre Trauer in Jubel, tröste und erfreue sie nach ihrem Kummer.“ Jer 31,13) und Gottes Beistand auch im Alter („Ja, ich will euch tragen bis ins Alter und bis ihr grau werdet. Ich will es tun, ich will heben und tragen und erretten.“ Jes 46,4) werden versprochen.

Im Neuen Testament sind es beim Evangelisten Lukas dann ganz am Anfang gleich vier Seniorinnen und Senioren, die bei der Geburt Jesu eine wichtige Rolle spielen: zunächst Elisabeth und Zacharias („Ich bin ein alter Mann und auch meine Frau ist in vorgerücktem Alter.“ Lk 1,18). Die beiden sind ein ähnlich kinderloses Ehepaar wie Abraham und Sara und erleben Zacharias‘ wundersames Verstummen und seine Heilung. Dann bekommen sie Johannes den Täufer zum Sohn und die schwangere Elisabeth hat eine wichtige Rolle während der Schwangerschaft Mariens.

Hannah und Simeon wiederum erkennen im Tempel im Säugling Jesus den Heiland. Sie alle erleben durch Gott und mit Gottes Beistand im Herbst ihres Lebens noch den Höhepunkt ihres Lebens (Lk 2, 29-32): Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.

Erfahrungen mit Gott und Aufbrüche sind in der Bibel nicht der Jugend vorenthalten, sondern betreffen oft auch Seniorinnen und Senioren. 

 

Text: Hannes Schott
Artikelfoto: iStockphoto.com