Themenartikel
Religiöse Gefühle in der Werbung
Kann denn Eiscreme Sünde sein?

Neid, Völlerei, Wollust, Faulheit, Habgier, Eitelkeit (oder Hochmut) und Rache (oder Zorn) heißen von alters her die schlimmsten Sünden, die ein Mensch begehen kann. Plötzlich aber war „Neid“ ein Pistazieneis in einem Schokoladenmantel mit Nüssen oder „Rache“ ein Vanilleeis mit Waldfrucht und Schokolade.

 

In ganz Europa haben Fernsehsender für jede einzelne Eissorte sieben verschiedene Werbespots gezeigt, die im Internet noch immer zu sehen sind und inzwischen Kultstatus haben. Teufelshörner und -schwanz gehören zu der Werbung wie die Zahl Sieben, die im Höllenfeuer steht. Früher waren das abschreckende Symbole, die den Menschen Angst machten. Das hat sich inzwischen ins Gegenteil gewandelt.

 

Christliche Rituale sind grundsätzlich bekannt

 

Ziel der Verkaufsstrategen war es damals, Eis am Stiel – das bei Kindern besonders beliebt ist – nun auch für Erwachsene salonfähig zu machen. Deshalb ist ganz bewusst mit dem Thema „Sünde“ gespielt worden: Das Eis am Stiel ist quasi eine „kleine Sünde“, die auch noch prima schmeckt und mit einem guten Gefühl in Mund und Magen verbunden ist – trotz des vielen Zuckers im Eis.

 

Dass sich ein paar besonders Fromme seinerzeit über diese Verharmlosung der Sünde aufgeregt haben, hat dem Bekanntheitsgrad dieser Eissorten erst recht gutgetan. Denn nun füllte das Thema die Spalten der Presse. Und das war dann sogar kostenlose Werbung.

 

Das Christentum mit seinen Symbolen, Ritualen und Inhalten ist in der Gesellschaft grundsätzlich so bekannt und präsent, dass die Werbung gern daran anknüpft. Deshalb überrascht es nicht, dass sie sich vor allem vor den großen christlichen Festen religiöser Motive bedient. In der jüngsten Vorweihnachtszeit hat ein Lebensmittel-Discounter mit einem Kinderchor Weihnachtslieder umgetextet, um für seine Tiefkühlkost zu werben. Der Weihnachtsmann einer Softdrink-Firma aus Atlanta ist inzwischen so präsent, dass er sowohl den „Pelzmärtel“ (Heiliger Martin) am 11. November als auch den Heiligen Nikolaus am 6. Dezember darstellt und im Norden Deutschlands den Weihnachtsmann im rot-weißen Mantel, den Leitfarben der Cola-Marke.

 

Heilige werden immer gern genommen

 

Auch Engel kommen gerne in Werbespots vor: Ein großer japanischer Automobilkonzern hat vor einigen Jahren mit „Engelchen und Teufelchen“ geworben. Und ein Nürnberger Bankhaus ließ seine roten Engel in der Innenstadt für neue Kunden werben.

 

Eine weltweit bekannte Modefirma zeigte einst vor Ostern zwölf in Jeans gekleidete Jüngerinnen mit einer Jesusfigur in der Mitte. Diese „Abendmahlsszene“ brachte der Firma damals eine Rüge des deutschen Werberates ein. Da waren die beworbenen Jeanshosen aber wohl schon verkauft.

Auch das Erntedankfest und der Gedenktag des Heiligen Valentin („Valentinstag“ am 14. Februar) sind von der Werbung als geeignet erkannt worden. Wie an Weihnachten und Ostern geht es um das Schenken und Beschenkt werden. Das ist mit guten Gefühlen verbunden. Diese Gefühle heißen Liebe, Treue, Wärme, Gemeinsamkeit.

 

Solche Emotionen nutzt die Werbung. Sie vermittelt die Botschaft, dass das beworbene Produkt diese guten Gefühle erzeugen könne, wenn es verschenkt wird. Oder wenn man es sich selber schenkt: „Das gönne ich mir.“ – „Gönn dir was“: Einen größeren Fernseher, ein dickeres Auto, ein exotisches Reiseziel oder eben ein leckeres Eis am Stiel.

Text: Paul Schremser
Artikelfoto: Mit Genehmigung der Unilever Deutschland