Kunst
Krippenszene aus St. Lorenz
Krippenszene aus St. Lorenz

Eine Lorenzer Krippenszene aus der Werkstatt von Hans Pleydenwurff 

Auf der Seitentafel des Dreikönigsaltars ist alles zu sehen, was man für eine gelungene Krippe braucht: Schafe, Hirten, Engel, Ochs und Esel sowie Maria, Josef und das Kind. Und das Ganze ist zauberhaft arrangiert. Jesus, als Nackedei auf dem Strahlenkranz, ist etwas aus dem Zentrum nach unten gerutscht, weil da, wo man ihn erwartet hätte, drei gelbe Engel anmutig flattern. Auf dem Stallboden wachsen Blumen. Vielleicht auch ein Ehrenpreis, ein Blümchen, das man damals auch Allerweltsheil nannte, das wäre dann eine Art Unterschrift für das Kind. 

Alle blicken auf das Kind, zehn Augenpaare:  Der rote Engel, der vielleicht gerade von der Schafherde im Hintergrund  zum Stall gerauscht kam genauso, wie Ochs und Esel, die drei gelben Engel, Maria und Josef, Hirte 1 und Hirte … hoppla, Hirte 2 schaut vielleicht doch eher auf Maria. Das kann man ihm aber auch nicht verdenken, so schön und anmutig wie Maria dasitzt. Gerade im Kontrast zu Josef, der im Stil der Zeit eher greisenhaft gemalt wurde, damit niemand 1460 auf die Idee kommen konnte, die beiden hätten vor Jesu Geburt etwas miteinander gehabt! 

Es ist ein wunderschönes Bild, es leuchtet an den richtigen Stellen, zeigt, was wichtig ist, und balanciert gekonnt zeitlose Anmut und realistische Gegenwart: fehlende Bodenplatten, Rissen in der Stallwand, zersplittertes Holz). Wenn das nicht Weihnachten ist? Und dass da hinter dem Stall, neben dem Raum für das Vieh ein Leuchten ist statt der erwarteten Nacht, das haben die Lorenzer in den vergangenen Jahrhunderten vielleicht als das Morgenlicht gedeutet, das mit Christus in die Welt gekommen ist …

Text: Jan Martin Depner
Artikelfoto: Archiv St. Lorenz