Cityreformation damals
Ein Ratsherr als Reformator
Lazarus Spengler

Reformation heute? Impulsfrage:
Was wird in Zukunft nötig sein,
damit das Evangelium in Nürnberg
auch weiterhin „Bestand hat“?
Im Oktober 1517 veröffentlicht Martin Luther in Wittenberg
95 Thesen gegen den Ablasshandel und für ein angemessenes
Verständnis christlicher Buße. Nur drei Jahre später wird in
Nürnberg evangelisch gepredigt
Dass Luthers Gedanken so schnell und so verbreitet auch fernab der sächsischen Residenzstadt Wittenberg auf fruchtbaren Boden fielen, ist wohl vor allem einer allgemeinen Stimmungslage zu verdanken, die sich gegen Zustände in der katholischen Amtskirche und die Gängelung durch ihre Vertreter wehrte. Aber es ist zugleich auch das Verdienst des Nürnberger Ratsherren Lazarus Spengler, der im März 1479 als Sohn des Stadtschreibers in Nürnberg geboren wurde.

Lazarus Spengler studiert Rechtswissenschaften in Leipzig. Aber als der Vater stirbt, muss er das Studium abbrechen. Er kehrt zurück nach Nürnberg und arbeitet in der städtischen Reichskanzlei, um mit dem Gehalt seine verwitwete Mutter mit den noch unmündigen Geschwistern zu unterstützen. Mit 30 Jahren wird er wie sein Vater „vorderster Ratsschreiber“ von Nürnberg. Mit diesem Amt wird er der Leiter der städtischen Verwaltung und trägt einen Großteil der Verantwortung für das öffentliche Leben in der Stadt.
Spengler fühlt sich schon bald Luthers Anliegen verbunden und setzt sich für seine Gedanken ein. 1519 schreibt er eine Schutzschrift: „Warum Dr. Martin Luthers Lehr nicht als unchristlich verworfen, sondern mehr für christlich gehalten werden soll.“ In einer Reihe weiterer Flugschriften setzt er sich für das neu entdeckte Verständnis der Botschaft der Evangelien ein. Das führt dazu, dass 1520 nicht nur Martin Luther, sondern auch ihm der Kirchenbann und damit der Verlust aller bürgerlichen Rechte angedroht wird. Der Vollstreckung kann er nur entgehen, indem er widerruft.
1521 gehörte Lazarus Spengler zur Delegation, die der Nürnberger Rat zum Reichstag nach Worms schickte. Das dort beschlossene Edikt, das über Martin Luther die Reichsacht verhängte und die Lektüre und Verbreitung seiner Schriften verbot, wurde in Nürnberg nur halbherzig umgesetzt. Vor allem juristische Einwände wurden gegen seine Gültigkeit erhoben.

Lazarus Spengler verfasste dazu die nötigen Stellungnahmen und Gutachten. Überhaupt war die Umsetzung der reformatorischen Ideen in Nürnberg eine politische Gratwanderung. Denn damit stellte sich die Stadt gegen den erklärten Willen des Kaisers, auf dessen Schutz die freie Reichsstadt aber existenziell angewiesen war. Auf der anderen Seite stieß Martin Luthers Verständnis des Evangeliums auf so viel Zustimmung, dass ein Weg gefunden werden musste, die Reformation in Nürnberg zu ermöglichen, ohne den Kaiser vor den Kopf zu stoßen. Lazarus Spengler gelingt es mit seiner tiefen lutherischen Frömmigkeit einerseits sowie mit seiner politischen Gewandtheit andererseits, die nötigen Freiräume zu schaffen.

Zugleich mussten nun, außerhalb der katholischen Kirche neue kirchliche Strukturen gebildet werden. Auch hier hat sich Lazarus Spengler mit Geschick und theologischem Spürsinn große Verdienste erworben. Die Krönung seines Lebenswerkes erlebt er 1533 mit der Einführung der Gemeinsamen Brandenburg-Nürnbergischen Kirchenordnung.
An Lazarus Spengler wird deutlich, wie sehr das Gelingen der Reformation von der Politik abhängig war. Dass Spengler wesentlich dazu beigetragen hat, dass Nürnberg evangelisch wurde, hat auch Martin Luther gesehen, der mit dem Nürnberger Ratsherr sehr verbunden war. So stellt Luther in einer seiner Tischreden fest: „Lazarus Spengler allein hat das Evangelium in Nürnberg eingeführt und er allein hat erreicht, dass es dort bis heute Bestand hat.“

Martin Luther wäre sicherlich damit einverstanden, dass er zusammen mit Lazarus Spengler einträchtig am Hauptportal der Reformations-Gedächtnis-Kirche in Nürnberg Maxfeld als Steinrelief steht.

Text: Christopher Krieghoff, Dekan und
Pfarrer an der Reformations-Gedächtnis-
Kirche; Bilder: privat