Kunst
MICHAEL WOLGEMUT
Michael Wolgemut – mehr als Dürers Lehrer
Heiliger Silvester aus dem Kaiserfenster in St. Lorenz, Foto: Thomas Bachmann
Große Pietà, Nürnberg, Jakobskirche Foto: Matthias Weniger
Werkstatt Michael Wolgemuts, Petersretabel, Nürnberg, Sebalduskirche Foto: Matthias Weniger

Im Albrecht-Dürer-Haus sind kostbare Arbeitszeichnungen Wolgemuts und sein druckgrafisches Schaffen zu sehen, im Germanischen Nationalmuseum Tafelbilde seiner Werkstatt im Kontext der damaligen Nürnberger Kunstproduktion und im Museum Tucherschloss die Bildnisse der Eheleute
Hans und Ursula Tucher. Als besonderes Highlight werden darüber hinaus auch sechs Kirchen in Nürnberg und Schwabach zu Ausstellungsstationen, wo sich unzählige Werke aus Wolgemuts Produktion oft noch in ihrem – mehr oder weniger – authentischen Kontext erleben lassen.

So findet sich in der Sebalduskirche der einzige Flügelaltar aus Wolgemuts Werkstatt, der innerhalb Nürnbergs – seit 2003 wieder – an seinem originalen Standort steht. Der Ratsherr Nikolaus Topler ließ ihn 1477/78 auf dem Petersaltar der Kirche errichten. Dabei kam es zu einer Auseinandersetzung mit seinem Standesgenossen Lienhard Behaim, der Topler vorwarf, ein Behaim’sches Retabel von dem Altar abgeräumt zu haben. Denn in der Kirche herrschte ein regelrechter Wettkampf um die prominentesten Plätze für die Stiftung von Altartafeln und anderen Denkmälern, und der Altar des Apostelfürsten Petrus nahm die exponierte Position ganz vorne im Chorscheitel ein. Der Innere Rat war in fünf Sitzungen mit der Angelegenheit befasst, bis sich klärte, dass nicht Topler, sondern zuvor die Behaims ihre Altartafel unrechtmäßig auf dem Petersaltar platziert hatten. Toplers Retabel durfte also bleiben. Dass es sich beim Petersretabel um ein Produkt Wolgemuts handelt, erkannte die Kunstwissenschaft erst kürzlich. Denn die Malereien der Altarflügel unterscheiden sich augenscheinlich von anderen Gemälden seiner Werkstatt – insbesondere, was die Farbgebung anbelangt. So wurde der Nachweis nicht mit kunsthistorischen, sondern kunsttechnologischen Methoden geführt. Denn an den Malereien konnte der Gebrauch von Arbeitsmaterialien festgestellt werden, die auch an anderen Werken Wolgemuts zum Einsatz kamen: bei der Herstellung sogenannter Pressbrokate, die der Nachahmung kostbarer Brokatstoffe dienten. Dabei handelt es sich um Applikationen aus einer Prägemasse, die mithilfe von Modeln geformt und anschließend auf das Objekt aufgeklebt und mit Blattmetall belegt bzw. farbig bemalt wurden. Durch exaktes Ausmessen der Riefen solcher Muster oder die Dokumentation übereinstimmender Schadensbilder lässt sich hieb- und stichfest nachweisen, dass ein und derselbe Model an unterschiedlichen Kunstwerken zum Einsatz kam – so eben auch am Petersretabel.

Auf demselben Weg bestätigte sich, dass Wolgemuts Werkstatt nicht nur Tafelgemälde ausführte, sondern auch Farbfassungen von Skulpturen. Zu den eindrucksvollsten geschnitzten Bildwerken, die sich in Nürnbergs Kirchen erhalten haben, gehört die Große Pietà in St. Jakob (ausgestellt ab Februar). Auf ebenso virtuose wie erschütternde Weise wird der Leichnam Christi zur Schau gestellt, betrauert von Maria und Johannes. Die Große Pietà besitzt ebenfalls Pressbrokate aus der Wolgemut-Werkstatt, die somit die farbige Fassung vornahm. Die Schnitzer schufen eine faszinierende Figurengruppe, deren große Qualität in ihrer Vielansichtigkeit besteht: Das Werk lädt regelrecht dazu ein, es zu umrunden, denn von allen Standpunkten aus lassen sich neue Details entdecken. Anders als die Pietà, deren Herkunft nicht bekannt ist, stammen zwei demontierte Altarflügel an der Südwand schon ursprünglich aus der Kirche. Sie gehörten zu einem Retabel, das der Deutschordenskomtur Melchior von Neuneck bei Wolgemut für St. Jakob bestellt hatte.

Mit Abstand die meisten Werke Wolgemuts finden sich aber in der Lorenzkirche, für die er bereits kurz nach seiner Werkstattgründung in den 1470er Jahren einen Großauftrag erhielt: die Produktion der drei 7,5 Meter hohen Mittelfenster des neu erbauten Hallenchors. Die Stiftung des zentralen Fensters stand dem obersten Stadtherrn zu, und das war in der Reichsstadt Nürnberg der Kaiser höchstpersönlich.

Der damals regierende Habsburger Friedrich III. nutzte die Gelegenheit, sich in die Tradition einer Reihe heiliger Herrscherfiguren zu stellen: So erscheinen Darstellungen von Schlachten Kaiser Konstantins, der das Christentum zur Staatsreligion erhob, und des Reichsgründers Karl des Großen, die Auffindung des Heiligen Kreuzes durch Kaiserin Helena und dessen Rückführung nach Jerusalem durch den byzantinischen Kaiser Heraklius. Doch auch Wolgemut wurde genehmigt, sich in dem Fenster zu verewigen – durch die etwas kryptische Signatur „WOLE UT“. Über die Kirchenfenster hinaus beherbergt die Lorenzkirche aber noch sage und schreibe acht Flügelaltäre und Epitaphien der Wolgemut-Werkstatt sowie weitere Werke aus seinem künstlerischen Umfeld – sie ist damit eine der unangefochtenen Hauptstationen der Ausstellung.

Teil der Ausstellung sind darüber hinaus die Frauenkirche mit dem Epitaph des königlichen Küchenmeisters Michael Raffael und die Schwabacher Stadtkirche, in der neben ihrem berühmten Hochaltarretabel – dem späten Hauptwerk Wolgemuts – zwei weitere Flügelaltäre der Werkstatt zu sehen sind. Auch die Friedenskirche in Johannis ist während der Ausstellung exklusiv geöffnet – mit dem Peringsdörffer-Retabel beherbergt sie einen der eindrucksvollsten Nürnberger Flügelaltäre überhaupt.

Ausstellung „Michael Wolgemut – mehr als Dürers Lehrer“, 20.12.2019–22.3.2020

Albrecht-Dürer-Haus, Germanisches Nationalmuseum, Museum Tucherschloss, Lorenzkirche, Sebalduskirche, Jakobskirche, Frauenkirche, Friedenskirche, Stadtkirche Schwabach.

Führungen

Wolgemut XL: Entdecken Sie Wolgemuts Kunst in Nürnberg

Führung im Albrecht-Dürer-Haus, in der Lorenzkirche und im Germanischen Nationalmuseum

4. und 18. Januar, 8. und 22. Februar, 7. und 21. März, jeweils 14.30 Uhr

Anmeldung erforderlich unter:
Kunst- und Kulturpädagogisches Zentrum der Museen in Nürnberg (KPZ)
Tel. 0911 1331-238, erwachsene@kpz-nuernberg.de

Objektbetrachtungen

Friedenskirche: Das Peringsdörffer-Retabel – Funktionsweisen eines Wolgemut-Altars (mit Altarwandlung)
11. Januar, 11.30 Uhr; 28. Februar, 14.30 Uhr

Jakobskirche: Die Große Pietà: Wolgemut und die Bildschnitzerkunst

Sebalduskirche: Stifterkonkurrenz im Kirchenraum: Wolgemuts Petersretabel (mit Altarwandlung)
3. und 21. Januar, jeweils 14 Uhr

Text: Benno Baumbauer