Innenstadt
Und warum Loslassen so schwer ist.
Minimalismus als Lebensphilosophie

Sich von Sachen zu trennen wirkt befreiend – und fällt uns meist wahnsinnig schwer.

 

Ich bin wirklich nicht schlecht in Sachen Ausmisten. Jedenfalls bin ich deutlich besser als mein Mann … Aber wenn ich ehrlich bin: Richtig gut kriege ich das auch nicht hin.

Kleidung habe ich (mehr als) genug. Meine vollen Bücherregale sind mein heimlicher Stolz und mit unserem Geschirr können wir locker für eine große Schulklasse eindecken.

 

Minimalismus als Lebensstil stellt für viele (nicht nur junge) Menschen eine bewusste Gegenbewegung zum allgegenwärtigen Konsumwahn und Materialismus dar. Minimalismus ist ein Lebensstil, bei dem man sich von überflüssigen Dingen trennt, um freier zu sein und sich auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben konzentrieren zu können.

Dieser Lebensstil steht der konsumorientierten Überflussgesellschaft gegenüber und zeigt, dass man nicht wahllos Dinge kaufen und konsumieren sollte, obwohl man diese gar nicht benötigt. Also heißt Minimalismus, sein Leben (und besonders seine Wohnung) aufzuräumen und Struktur zu schaffen: Übersicht, Klarheit und Fokus auf wichtige Dinge. Reparieren statt neu kaufen, teilen statt besitzen. Minimalismus bezieht sich dabei natürlich nicht nur auf Materielles.

 

Mit leichtem Gepäck durchs Leben gehen.

Wer schon einmal gepilgert ist, weiß, wie befreiend es ist, nur das Nötigste dabei zu haben. Man staunt, mit wie wenig man auskommen kann. Mit leichtem Gepäck durchs Leben gehen – das ist für mich auch grundsätzlich eigentlich schon immer ein Ideal. Warum nur ist Loslassen dann so schwer?

Wer braucht schon drei Blumenvasen in derselben Größe? Oder Bücher, die man garantiert kein zweites Mal lesen wird? Niemand. Und doch füllen die meisten Menschen damit ihre Schränke.

Unsere Kinder machen es uns beispielhaft vor. Ich bewundere sie dafür, dass sie vergleichsweise wenig besitzen und auch nicht mehr haben wollen. Behalte nur das, was Dir wirklich Freude macht und was Du wirklich brauchst, sagt meine Tochter.

Ihr Prinzip ist: nutzen statt besitzen. Wenn man mal etwas Besonderes braucht, kann man es sich auch ausleihen – oder wenn man es selbst besitzt, dann sollte man es fröhlich weiter verleihen.

 

Hütet euch vor aller Habgier, denn keiner lebt davon, dass er viele Güter hat. So einfach und so klug sagt es Jesus in Lukas 12. Jesus – der erste Minimalist? In diesen Kategorien dachte er ganz sicher nicht. Aber auf seinen Wegen durch Galiläa steuerte er keinen vollgepackten Van mit allerlei nützlichen outdoor-Utensilien …Ein Wanderstab und ein Beutel reichte ihm und seinen Jüngern.

 

Ich käme mit viel, viel weniger materiellem Besitz aus. Und immer wenn ich mal richtig viele Dinge aussortiere und zu Oxfam bringe oder zum öffentlichen Bücherregal, dann fühlt sich das sehr gut an. Für mich – und für unsere Regale und Schränke erst recht. Denn keiner lebt davon, dass er viele Güter hat.

Die gute Idee des Minimalismus soll Erleichterung bringen und eine Bereicherung für das Leben sein. Wenn sie aber zu einer Forderung wird oder zu einem Gesetz, dann schadet sie dem Menschen anstatt ihm zu nützen. Ganz wichtig ist dabei die Barmherzigkeit mit uns selbst. Denn wie so oft erleben wir auch hier: Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.

Also: Ärgern Sie sich nicht über die eigene Unfähigkeit, sich von Dingen zu trennen. Genießen Sie lieber Ihre Blumenvasensammlung! 

Text: Annette Lichtenfeld

TIPPS

Carsharing ist eine gute Alternative zu den Blechlawinen von parkenden Autos in unseren Städten. Das jeweils passende Auto mieten, wenn man eines braucht.

Auch in Nürnberg gibt es caritative second-hand-Läden, in denen man Hausrat und Kleidung abgeben kann. Flohmärkte und Kleidertauschbörsen sind hippe Einkaufsgelegenheiten, wenn man seine Garderobe günstig aufpeppen möchte ohne den Konsum weiter anzukurbeln.