Themenartikel
Barbara Hauck – Leiterin Cityseelsorge an St. Jakob
Nähe ohne Angst

Barbara, was ist Dein größter Traum in der Realität?

Cello spielen können.

Welche Träume der Vergangenheit haben sich erfüllt?

Irgendwann mal habe ich davon geträumt, Bühnenbildnerin zu werden. Als ich dann 20 Jahre später farbbekleckst und unter ziemlichem Zeitdruck am 23. Dezember mittags mit einer Kollegin auf dem Boden meiner Küche lag und die Kulissen fürs Krippenspiel gemalt habe, hab ich plötzlich gedacht: Ach schau, so können sich Träume auch erfüllen …

Was war Dein größter Kindheitstraum?

Ich hab viele Kindheitsträume gehabt, inspiriert durch Bücher (welches Kind träumt nicht davon, zusammen mit anderen Kindern einen Sommer auf Saltkrokan in den schwedischen Schären zu verbringen und wie Tjorven einen Hund namens „Bootsmann“ zu besitzen) und durch Menschen, die mich als Kind fasziniert haben. 

Ein Onkel war beim Theater, eine Großtante war Hotelbesitzerin – und mein Vater war Pfarrer. Und wenn ich jetzt zurückschaue, dann denke ich, irgendwie lebe ich einen Mix aus allen drei Berufen … Nur das mit Saltkrokan und dem Bootsmann hat nicht so ganz geklappt. 

Wie gehst Du damit um, wenn sich Deine Träume nicht erfüllen?

Träume sind Fantasiebilder, die einen beleben und inspirieren können. Es lohnt sich deshalb, ganz genau hinzuschauen und hinzuspüren, ob es nicht in diesen Träumen Elemente gibt, die sich doch irgendwie erfüllen lassen, in abgewandelter oder abgeschwächter Form. Ich bin überzeugt, dass es mit Träumen ist wie mit homöopathischen Kügelchen: Auch ganz kleine Traumelemente können die Realität wirksam verwandeln.

Gibt es für Dich einen Traumberuf? 

Ich habe einen Traumberuf – und wie alle Traumberufe hat er wunderschöne, aber manchmal eben auch mühsame Seiten. 

Dein lebendigster Nach–Corona-Traum?

Meinen lebendigsten Nach-Corona-Traum teile ich mit den allermeisten Menschen: Endlich wieder ohne Angst Nähe und Distanz selber bestimmen zu können. Einander umarmen, miteinander leben und lieben und lernen, Konzerte, Theater, Reisen … einander nah sein, wenn man das möchte. 

Die erzwungene Einsamkeit und Isolierung aufgeben zu können. Ich würde mir für viele unsere Klienten und Klientinnen in der „Offenen Tür“ wünschen, dass die Cafés wieder offen haben, dass man miteinander sitzen und einfach „unter Menschen“ gehen kann. Vor allem aber träume ich davon, dass St. Jakob
eine offene Kirche mitten in der Stadt bleibt, in die man einfach gehen kann, sich eingeladen und gesehen fühlt, und einfach reden oder einfach schweigen, einfach lachen oder einfach weinen kann, alleine oder mit anderen – wie man’s gerade eben braucht. 

Wenn Du Dir die Welt erträumen könntest, wie würde sie dann aussehen? 

Ich träume von einer Welt mit möglichst wenig Grenzen, in der Menschen in aller Unterschiedlichkeit angstfrei miteinander in Kontakt sind und sich verantwortlich fühlen für die Welt, in der sie miteinander leben. Und ich träume davon, dass Menschen Interesse aneinander haben, sich mit offenen Augen begegnen und erleben, was sie gemeinsam haben und wo ihre Unterschiedlichkeiten sich gut ergänzen. Ich träume davon, dass wir – auch wenn wir uns vielleicht nicht so gut kennen – einander ermutigen und miteinander so freundlich wie möglich umgehen. Und auch das passiert ja immer wieder: zum Beispiel in den „Random Acts of Kindness“. In diesen kleinen, fast zufälligen, freundlichen Taten, die wir füreinander tun, weil wir gerade wunderbarerweise spüren, was der oder die andere gerade braucht, werden solche Träume für einen Moment Wirklichkeit.

Interview: Hannes Schott
Artikelfoto: Madame Privé