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Johannes Amberg – Jugendkirchenpfarrer, LUX – Junge Kirche
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Herr Amberg, was Ihr größter Traum in der Realität?

Puh, solche Dinge wie, dass Gottes Schalom sich endlich mal durchsetzt, dass Kirche und Menschen wieder besser zusammenfinden, dass aus meinen Kindern mal was wird und dass ich mit meiner großartigen Frau altwerden darf – so weit, so normal.

Für mich persönlich wäre es, glaube ich: nochmal einige Zeit im Ausland leben. Wo die Menschen eine andere Sicht aufs Leben, den Glauben, die Kirche und die Welt haben. Ich war im Studium ein Jahr in den USA, das hat mir den Horizont so erweitert. Als ich heimkam, hatte ich auch eine neue Sicht auf meine Heimat und auf mich gewonnen. Wie unglaublich bereichernd. Amerika fasziniert mich immer noch, ich habe auch immer noch Kontakte da. Vielleicht werde ich ja eines Tages doch noch Pfarrer in New York?

Welche Träume der Vergangenheit haben sich erfüllt?

Ich bin Jugendkirchenpfarrer geworden. 

Was war Ihr größter Kindheitstraum?

Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich mir als Kind geschworen habe: Nie würde ich meine eigenen Kinder so unfair behandeln, wie meine Eltern mich behandelt haben. Solche Sachen wie: Immer musste ich zu früh ins Bett gehen, nie durfte ich genug Süßigkeiten essen oder so lange fernsehen, wie ich wollte. Die Großen durften das alles, ich nicht. 

Fand ich extrem ungerecht. Und ich wollte es mir merken, damit ich meinen Kindern sowas Unfaires nicht antue. 

Nun ja, ich habe es mir all die Jahre gemerkt. Dennoch bin ich heute aus deren Sicht leider genauso unfair zu meinen Kindern – da hat sich die Perspektive geändert, was unfair bedeutet. Geblieben ist mir aber: Ich reagiere allergisch, wenn es ungerecht zugeht.

Wie gehen Sie damit um, wenn sich Ihre Träume nicht erfüllen?

Das ist einfach: Ich träume neue Träume. Schwieriger finde ich, wenn sich ein Traum erfüllt, aber anders, als ich ihn mir vorgestellt habe. Ich schwanke dann zwischen Trauer und Wut auf der einen Seite, weil meine Erwartungen nicht erfüllt wurden – und andererseits will ich Gott gegenüber ja nicht undankbar sein, der den Traum erfüllt hat. Ein Zwiespalt.

Gibt es für Sie einen Traumberuf? 

Mehrere. Mir wurde der größte davon erfüllt, ich bin Pfarrer geworden. Dafür bin ich dankbar und froh jeden Tag, weil ich für das bezahlt werde, wofür ich brenne: Menschen von Gott zu erzählen und sie ein Stück auf ihrem Lebensweg zu begleiten, ist das Erfüllendste, was ich mir vorstellen kann.

Trotzdem gibt es Tage, an denen ich mir denke: Aus dir wäre auch ein guter Schreiner geworden. Ich liebe die Arbeit mit meinen Händen und Holz. Ich stehe total auf gutes Werkzeug.
Und am Ende des Tages sehe ich genau, was
ich geschafft habe. Das ist im Pfarrberuf leider nicht immer so.

Ihr lebendigster Nach-Corona-Traum?

Wieder Menschen in LUX. Es gibt nichts Traurigeres als eine Jugendkirche ohne Jugendliche. Ohne Gemeinschaft, ohne Abhängen, ohne fette Partys und fette Gottesdienste.

Wovon träumen die Menschen, um die Sie sich kümmern?

Unbeschwertheit. Leichtigkeit. Einfach so Leute treffen, miteinander lachen, ratschen, tanzen, knutschen und die Welt nicht andauernd so ernst nehmen zu müssen, wie Erwachsene das tun. So sollte eigentlich Jugend aussehen.

Interview: Jan Martin Depner
Artikelfoto: Madame Privé