Gesellschaft
Mittagessen für ukrainische Geflüchtete in St. Egidien
Nicht nur ein Mahl

Wir stehen in der vorbereiteten Egidienkirche und haben hundert Portionen heiße Linsensuppe von der Johanniter-Unfall-Hilfe geliefert bekommen. Das Gewürzbrot duftet und die Kuchenspenden sind auch optisch eine große Freude. In der Wolfgangskapelle stehen Biertischgarnituren aufgereiht. Blumen und Kerzen schmücken die Tische.

Es gibt einen Notstand in der Stadt. Für die Geflüchteten aus der Ukraine besteht ein Lebensmittelengpass. Als Christin kann und will ich nicht tatenlos zusehen und als Pfarrerin staune ich einmal mehr darüber, wie handlungsfähig das System Kirchengemeinde sein kann.

Das Hilfsprojekt in St. Egidien ist im März in Windeseile entstanden. Ausschlaggebend dafür waren die Beobachtungen der Nürnberger Tafel. Sie musste in kürzester Zeit mit mehr als doppelt so vielen Besucher*innen zurechtkommen. Auch beim Obdachlosenfrühstück im eckstein ist der Zulauf von Geflüchteten deutlich spürbar. Mitglieder des Stadtrats sind an die Kirche herangetreten und haben um Hilfe gebeten. Bis die Neuankommenden registriert sind, kann es mehrere Wochen dauern. So lange sind die Geflüchteten aus der Ukraine auf ihre eigenen finanziellen Reserven angewiesen.

 Allerdings kann die ukrainische Währung nur mit einer Kreditkarte zum Zahlen verwendet werden. Kriegswährung wird in Deutschland nicht umgetauscht. Zwar gibt es in den Gemeinschaftsunterkünften eine Vollverpflegung. Jene aber, die privat oder in Pensionen untergekommen sind, sind auf sich allein gestellt. Deshalb gibt es nun zweimal in der Woche ein warmes Mittagessen für Geflüchtete aus der Ukraine im Gemeinderaum Egidien 35 – auf Kosten der Kirchengemeinde. Zu einer Dauereinrichtung soll es zwar nicht werden. Aber der kurz- und mittelfristige Bedarf muss schnell bedient werden.

In der ersten Aprilwoche sind dann so viele Menschen aus der Ukraine zum Essen zu Gast, dass schon nach 90 Minuten alle gespendeten Kuchen aufgegessen sind.

Helfen macht nicht glücklich, aber verhindert, unglücklich zu werden.

 

Warum helfen wir Geflüchteten? Manche bewegt der Gedanke, dass es Menschen wie wir sind, die sich in Sicherheit bringen: Wie erginge es mir in dieser Situation? Für so viele ist die Flucht damit verbunden, dass sie in Deutschland ein deutlich armseligeres Leben führen werden, als es ihnen bisher möglich war. Dabei stellt sich die Frage, ob Bildungs- und Berufsabschlüsse anerkannt werden. Es ist nur eine kleine, mitfühlende Geste, in dieser Situation für ein warmes Essen zu sorgen und etwas Zuwendung durch selbstgebackene Kuchen zu zeigen.

 

Auch solchen Menschen, die die Nachrichten so sehr beunruhigen, dass sie um ihr eigenes Leben bangen, hilft es, etwas zu tun. Solange sie Kaffee kochen, Suppe verteilen und Tische abwischen, haben sie keine Zeit, sich auszumalen, ob und wie eine Atombombe alles Leben zerstört und verändert. Auch bei persönlichen traumatischen Erfahrungen gibt es die Empfehlung, helfend tätig zu werden. Helfen macht nicht glücklich, aber es verhindert, unglücklich zu sein.

Die Menge der Menschen, die zum Essen kommen, ist dabei weniger ausschlaggebend, als der Augenblick, wenn eine Familie mit mehreren kleinen Kindern oder eine Mutter ohne den Vater ihrer Kinder Egidien 35 verlassen, sich auf Ukrainisch oder Russisch und einem aufrechten Blick in die Augen ihres Gegenübers bedanken. Im Grunde ist dieser Moment der größte Dank. Er ist mehr wert als jedes Dankeschön, das ich als Organisatorin ausdrücken kann. Ein existenzielles Bedürfnis wird gestillt: der Hunger.

Es sind nicht meine Erwartungen, die hier leitend sind. Stattdessen staune ich dankbar darüber, dass gemeinsame Tatkraft eine neue Dimension in mein Leben und in die Gemeinschaft der Helfenden und Gäste gebracht hat.

Text: Tabea Baader
Foto: Daryna Severynova

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