Hauptmarkt und Straßen stehen nicht verlassen. Neonlichter und Trubel überall. Gute Nachtgeschichten erforschend geht es durch die Gassen. Mal Hand aufs Herz: Wird da was draus?
„Nachts sind alle Katzen grau“, sagt der Volksmund. Doch wer oder was vermag es, aus dem Dunkel heraus zu glänzen, und welche Akteure sind nachts positiv am Wirken? Nahe der Lorenzkirche steht eine Reihe mit Taxis. Einer der Taxifahrer verweist auf den freundlichen Herrn Do, der eine gute Nachtgeschichte auf Lager haben könnte. Herr Do ist angestellter Taxifahrer und fährt seine Fahrgäste seit zehn Jahren nachts durch Nürnberg. Beim Klopfen gegen seine Scheibe guckt er wohlwollend heraus, lässt die Scheibe herunter. Bei der Frage nach einem positiven Erlebnis aus der Nacht geht er in sich. Es dauert einige Momente, bis er zu verstehen gibt, dass man es als Taxifahrer nicht mögen würde, wenn ein betrunkener Fahrgast einsteigt. Tatsächlich stieg eines Nachts ein angeheiterter Senior bei ihm ein. Am vermeintlichen Zielort angekommen, wusste dieser offenbar seine Hausnummer nicht mehr. Kurzerhand stützte Herr Do den Herrn und ging mit ihm des nachts Schulter an Schulter die Straße auf und ab. Schließlich stellte sich ein Haus als vertraut heraus, berichtet Herr Do, und sagt: „Ich habe ihn in seine Wohnung reingetragen und auf sein Bett hingelegt.“ Er habe ihm die Schuhe ausgezogen, „tschüss gesagt“ und die Türe von außen geschlossen. Er berichtet, dass der Senior alleinstehend gewesen sei und einfach mal unter Menschen sein wollte, wohl aus Versehen zu viel getrunken hätte.
Um etwas zu trinken und eine ältere Dame geht es im Kinokomplex Cinecitta. Dies in anderer Konstellation und eins nach dem anderen. Dort berichtet Ahmed Khalidor, Bereichsleiter des Restaurants „American
Diner“, von einem besonderen Fan und einer außergewöhnlichen Bierbestellung zu vorgerückter Stunde. Ein Fan des FC Nürnberg mit einem Clubschal um den Hals hätte nach einem Spielsieg ein Weizen bei ihm bestellt, einen Zwanzig-Euro-Schein hingehalten und nichts davon zurückgewollt. Das sei echt positiv gewesen mit solch einem satten Trinkgeld.
Von einer älteren Dame berichtet Matthias Denk. Seit achtzehn Jahren ist er Filmvorführer. Eines Heiligabends lief „Herr der Ringe“ Teil 2 im Kino 3. Als die Vorstellung gegen 22 Uhr beendet gewesen war und der Abspann lief, stellte er sich vor die Leinwand und hielt vor den zehn Kinobesuchern eine Weihnachtsansprache. Einen Tag später kam eine ältere Dame mit Plätzchen vorbei – „für den Filmvorführer von gestern“. Sie sei alleinstehend gewesen, ging deshalb an Heiligabend in die Kinovorstellung und fühlte sich von der Weihnachtsansprache berührt. Sie bedankte sich bei Herrn Denk und konnte ihm höchstpersönlich die Plätzchen überreichen.
Ein Plätzchen nahe des Handwerkerhofs hat Kurt Löw. Er steht heuer zum 32. Mal in seinem „Maroni Paradies“. Die eisige Kälte will er aufbrechen und mit heißen Maroni Wärme in die Herzen der Menschen übertragen. Zu später Stunde, wenn die regulären Tourismus-Anlaufstellen geschlossen haben, wird er zu so etwas wie einem Lotsen der Nacht. Mit Gepäck beladenen Touristen zeigt er den Weg in ihr Hotel. Anschließend kommen sie, von ihren Koffern befreit, auf eine Tüte heiße Maroni bei ihm vorbei und bedanken sich. Während des Christkindlesmarkts erklärt er fragenden Passanten die Route zu den Innenstadtkirchen und zur Burg, wo man dem Nachthimmel nahe sein kann.
Der Nachthimmel hat es auch Dr. Klaus Herzig angetan. Er ist Leiter des Planetariums Nürnberg und macht die Nacht von Berufswegen zum Tag. Für Dr. Herzig ist der dunkle Nachthimmel ein Kulturgut und so ruft er dazu auf, mit künstlichem Licht verantwortungsbewusst und sparsam umzugehen, damit dieses Kulturgut auch für kommende Generationen erhalten bleibt. „Mit dieser Lichtverschmutzung am nächtlichen Himmel hätten die Hirten seinerzeit den Stern von Bethlehem nicht gesehen“, sagt er. Seine Botschaft ist eine gute Nachtgeschichte der anderen Art und jeder von uns könnte etwas dazu beitragen, dass ein dunkler Nachthimmel auch für Folgegenerationen erhalten bleibt.
Damit folgende Generationen erhalten bleiben und diese das Licht der Welt auch in der Nacht erblicken können, ist Marion Helfrich nachts aktiv. Sie ist leitende Hebamme an der Frauenklinik im St. Theresien-Krankenhaus. Seit dreizehn Jahren arbeitet sie in diesem Beruf, zu allen Zeiten, im wechselnden Schichtdienst, weil „die Kinder sich nicht terminieren lassen, sondern halt immer auf die Welt kommen, vor allem nachts“, wie sie sagt. Helfrich fand es immer schon besonders, nachts Geburten zu begleiten, ohne Störfaktoren. Die Ruhe der Nacht hilft ihr dabei, das Tagesgeschehen ist ausgeknipst. Nachts kann sie Hebamme in der reinsten, ursprünglichsten Form sein: „Man ist voll und ganz für die Gebärenden da“. Die Frauen seien nachts gelöster und könnten sich voll auf den eigenen Körper und das Geburtserlebnis einlassen. Sie empfinde es als etwas Schönes, nachts als Hebamme zu arbeiten. Obwohl es für den eigenen Organismus belastend sei, nachts aufmerksam, fit und wach zu sein, würde die Freude überwiegen. Das gute Ende mit glücklichen Eltern und gesundem Kind erlebe sie immer wieder als kleines Wunder, mit dem „fertigen Menschlein, das dann da liegt“.
Die Nacht, das Wunder, das Kindlein, das Licht – diese letzte eingesammelte Geschichte aus der Nacht spannt den Bogen zur Geburtsstunde Jesu und zum Wunder jener Christnacht, das bis heute in unsere Welt hineinstrahlt.
Text: Diana Schmid
Fotos: Diana Schmid, iStockphoto.com