
Ganz Nürnberg ist in Aufruhr. Nach der Predigt in der vollen Lorenzkirche läuft die Menge Richtung Hauptmarkt und trifft vor dem Rathaus ein. Die Menschen diskutieren lautstark, wie es jetzt weitergehen soll. Es kommt zu tumultartigen Szenen.
Diese Bilder entspringen allerdings der Fantasie des Autors. Wir schreiben das Jahr 1525. Die Stadt Nürnberg steht im Zeichen der Veränderungen durch die Reformation der Kirche. Sie hat mit dem Thesenanschlag Martin Luthers 1517 in Wittenberg begonnen. Das Druckgewerbe, dessen Zentrum damals fürs ganze Land in Nürnberg ist, sorgt dafür, dass sich die Ideen der Reformation schnell verbreiten.
In den Kirchen St. Lorenz und St. Sebald wird bereits in deutscher Sprache gepredigt. Das Abendmahl wird mit Brot und Wein gefeiert. Aber gleich nebenan, im Kloster von St. Egidien, wird die Messe noch lateinisch gelesen und bei der Eucharistie gibt es nur die Hostie, Zeichen für den Leib Christi. Der Kelch mit dem gewandelten Blut Christi bleibt den Priestern vorbehalten. In den Klöstern werden die Gottesdienste noch in der überlieferten Form gefeiert. In den Pfarrkirchen Nürnbergs hat dagegen bereits die Reformation Einzug gehalten.
„Der Rat der Stadt hat die Diskussion nicht unterbunden“, sagt die Historikerin Martina Bauernfeind. Andererseits ist die Stadtregierung in Sorge vor einem Aufstand der Bevölkerung. Also versuchen die im Rat vertretenen Patrizier die Unzufriedenheit zu kanalisieren und damit Einfluss auf die kirchlichen Strukturen zu nehmen. Denn noch ist der Bischof von Bamberg in Glaubensfragen zuständig. Es beginnt ein politischer Machtkampf um den Einfluss auf die weitere Entwicklung der Stadt.
Auch an anderen Orten sind die Ideen der Reformation auf fruchtbaren Boden gefallen. Schon 1523 finden in Zürich Diskussionsrunden zwischen Reformierten und so genannten Altgläubigen statt. Nach diesem Vorbild organisiert auch Nürnberg ein „Religionsgespräch“, das vom 3. bis 14. März 1525 im heutigen historischen Rathaussaal stattfindet. Versammelt sind nicht nur der Innere Rat, sondern auch die rund 300 „Genannten des Größeren Rates“, die im Prinzip die wirtschaftlich führende Stadtbevölkerung repräsentieren. Angeblich seien die Fenster geöffnet worden, damit die Einwohnerschaft mithören konnte.
Allein die Bibel
Die Vertreter der beiden Seiten sind bekannt. Andreas Osiander, der Pfarrer von St. Lorenz, Wolfgang Volprecht, der ehemalige Prior des Augustinerklosters, und Dominicus Steupner vertreten die Auffassungen der Reformation. Auf der Gegenseite sitzen mit Lienhard Ebner und Michael Fries zwei Mitglieder der damaligen Bettelorden.
Freilich gestattet der Rat für die Untermauerung der jeweiligen Positionen nur die Worte der Bibel. „Insofern ließ man über tausend Jahre theologischer Diskussionen und Entwicklungen mit Heiligenverehrung, Totengedenken und Ablässen keinen Raum“, erklärt Bauernfeind. Als Konsequenz führt das am 14. März 1525 zum Erfolg der evangelischen Seite. Wenig später, am 21. April, verbietet der Rat die katholischen Messfeiern. Die Klöster werden aufgelöst oder dürfen keine neuen Mitglieder aufnehmen. Dann gibt es 281 Jahre keine Katholiken mehr in Nürnberg.
Erinnerung an den historischen Orten
Genau 500 Jahre nach diesen Ereignissen soll an die damaligen Umwälzungen erinnert werden. Martina Bauernfeind arbeitet im Geschäftsbereich der Nürnberger Kulturbürgermeisterin Julia Lehner. Gemeinsam mit dem evangelischen Dekanat organisiert sie die Festveranstaltungen vom 14. bis 16. März.
Sie beginnen am Ort der damaligen Ereignisse, dem Historischen Rathaussaal. Ministerpräsident Markus Söder und Landesbischof Christian Kopp werden dabei sein. Es gibt öffentliche Diskussionsrunden und Vorträge über die Bedeutung des „Nürnberger Religionsgesprächs“ für die Stadtgeschichte.
Am Sonntag, 16. März geht es auf Spurensuche bei öffentlichen Führungen in St. Lorenz, St. Sebald, der Frauenkirche, im Stadtmuseum „Fembo-Haus“ und im bayerischen Bibelmuseum. Auf dem Hauptmarkt und rund um die Lorenzkirche werden Pop-Up-Stationen aufgebaut, die mitunter augenzwinkernd an authentischen Orten den historischen und aktuellen Bezügen des Religionsgesprächs nachgehen.
Durch Beschluss des Rats der Stadt wurden vor 500 Jahren von einem Tag auf den anderen alle Menschen in Nürnberg evangelisch. Inzwischen sind weniger als die Hälfte der Stadtbevölkerung Mitglied einer der beiden großen Kirchen. Trotzdem erkennt Bauernfeind Parallelen zwischen 2025 und 1525: „Das war eine Zeit des Umbruchs. Unsicherheiten und Veränderungen sind etwas, das auch unsere Gesellschaft prägt.“
Text: Paul Schremser
Fotos: Museen der Stadt Nürnberg und Madame Privé

INFO
Öffentliche Veranstaltungen:
Freitag, 14. März, 18 Uhr
Historischer Rathaussaal:
Eröffnung und Talkrunde
Samstag, 15. März, ab 9.30 Uhr
Historischer Rathausaal:
Thematische Vorträge
Sonntag, 16. März, 10 Uhr, St. Sebald
Festgottesdienst mit Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern. Anschließend ganztags Führungen zu Orten der Reformation
Donnerstag, 20. März, 15 Uhr
Sophiensaal im Lorenzer Pfarrhof
Sonderschau: Historische Quellen zur
Reformation des Staatsarchivs Nürnberg