Innenstadt
Ungebetene Gäste?
Ungebetene Gäste?

„April is the cruellest month“, hat einer mal gedichtet. Für Menschen, die mit Traurigkeit zu kämpfen haben, deren Seele sich wie eingefroren anfühlt, obwohl draußen doch schon fast die Sonne scheint, kommt jetzt die „grausamste“  Zeit des Jahres.

Es ist, als würde alles ans Licht gezerrt, was sich bisher in der Winterdunkelheit verstecken ließ. Was tun mit den Gefühlen, die man eigentlich nicht haben will – und die doch einfach den Fuß in die Tür stellen?

Traurigkeit, Wut, Furcht – und alles dazwischen, was sich einem manchmal aufdrängt und was dann so schwer wieder loszukriegen ist?

Die Psychologen zählen diese drei zu den Basisemotionen, den Grundgefühlen, die jeder Mensch hat. Man kann sie sich – wie in dem Film „Inside Out“ – als richtige Persönlichkeiten vorstellen: „Traurigkeit“ ist ein kleines dickes Mädchen im Rollkragenpullover mit einer riesigen Brille auf der Stupsnase, „Angst“ ein spilleriger Junggeselle im schwarzweißen Hahnentritthemd. Er trägt eine komische rote Fliege und ist immer angespannt, weil jeden Moment etwas Schreckliches passieren kann. Wut ist ein roter Quadratschädel mit wulstigen Augenbrauen, kurzen Beinen und noch kürzerer Krawatte, allzeit bereit, in die Luft zu gehen, wenn etwas geschieht, was ihm nicht passt.

Die drei sind also nicht einfach ungebetene Gäste. Sie sind Mitbewohner. Sie gehören zu uns wie Freude, Interesse oder Überraschung. Alle zusammen prägen sie unsere Erinnerung, hinterlassen Spuren in unserem Körper und bestimmen, wie wir mit anderen in Beziehung sind. Es geht nicht ohne sie. Trotzdem können sie einem zu schaffen machen. Wer gibt schon gerne zu, dass er auf seinen Partner, seine Kinder oder sogar auf einen verstorbenen Elternteil wütend ist? Wer will sich niedergeschlagen durch die Gegend schleppen, wenn alle sich schon auf den Frühling freuen? Wer mag sich ständig Katastrophen vorstellen, wenn er mit den anderen im Auto unterwegs ist?   

Manchmal hilft es schon, sich klarzumachen, dass solche Gefühle zu einem gehören. Sie stören nicht nur, sondern sie helfen auch: Furcht warnt, sodass man auf unübersichtlichen Strecken eher mal den Fuß vom Gas nimmt. Traurigkeit weiß, dass auch Verluste zum Leben gehören  und dass man dann Hilfe von anderen braucht. Ärger kann ein deutliches Anzeichen dafür sein, dass man ungerecht behandelt wird und es so nicht weitergehen soll. 

Vielleicht wäre es gar nicht schlecht, sich ab und an mit diesen Mitbewohnern an den Tisch zu setzen. Einfach mal fragen: Wie geht’s Dir denn gerade? Und zuhören. Dann würde man spüren, welche Energie der rote Wut-Kerl hat, und könnte sich gemeinsam mit ihm überlegen, ob die sich nicht auch in eine produktivere Richtung lenken läßt, statt mit der Faust auf den Tisch zu hauen. Man würde sich von der Furcht in aller Ruhe auf die eine oder andere Gefahrensituation hinweisen lassen. Und das kleine traurige Mädchen? Neben dem kann man einfach sitzen, ein wenig den Kopf hängen lassen, schweigen, seufzen … und gemeinsam spüren, dass man manchmal eine Auszeit braucht von all dem Getriebe und Getöse. Zeit zu spüren: was muß ich loslassen – aber was trägt mich auch? Und dann tief Luft holen – und weitermachen.   

Text: Barbara Hauck
Artikelfoto: iStockphoto.com