Interview
Interview mit Regionalbischof Stefan Ark Nitsche
Viel Potenzial, aber noch Luft nach oben
Regionalbischof Stefan Ark Nitsche bei einem Vortag im haus eckstein

Herr Nitsche, was ist der Gewinn für Sie, dass Sie sich Ihre Stelle seit knapp 14 Jahren mit Ihrer Frau teilen?

Ich profitiere sehr von dieser gemeinsamen Arbeit. Wir sind in der Einschätzung der Dinge in der gleichen Richtung unterwegs. Aber meine Frau bringt noch eine andere Perspektive mit. Das ist zum einen ihr persönlicher Blick auf andere Menschen und die Klarheit ihrer Wahrnehmung, zum anderen bringt sie eine Professionalität im Coaching mit, die ich früher nicht hatte. Alles im Dialog zu machen, kostet zwar mehr Zeit. Aber die Qualität der Entscheidungen ist besser, als wenn ich es allein gemacht hätte.

Während des Corona-Lockdowns im Frühjahr konnten wir keine Gottesdienste und kein normales Osterfest feiern. Was waren Folgen?

Es gab plötzlich ganz viele Möglichkeiten. Zum einen sind das die digitalen, kurzen Formate für die Gottesdienste. Aber wir haben auch die uralten Formen wiederentdeckt: Briefe schreiben und telefonieren. Oder an Türen klingeln, wie wir es an Ostern gemacht haben hier in St. Sebald, als meine Frau und ich mit vielen anderen das Osterlicht zu den Wohnungen gebracht haben. Ich habe dabei die ganze Bandbreite der Reaktionen darauf bekommen, dass ich von der Kirche komme. Das waren sowohl irritierende, als auch ermutigende Erfahrungen. Eine richtige Melange, wie die Österreicher sagen.

Die Zahl der Kirchenmitglieder nimmt weiterhin ab, daran hat auch die Corona-Pandemie nichts geändert. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die Zukunft der vier Nürnberger Innenstadtgemeinden St. Jakob, St. Lorenz, St. Egidien und St. Sebald?

Wir sehen jetzt deutlicher als bisher, wo die Herausforderungen liegen, denen wir nicht mehr ausweichen können. Es ist doch entlastend zu wissen, dass andere Leute tolle Dinge können. Wenn das der Geist unter den Kirchengemeinden ist, dann bin ich sicher, dass Wege gefunden werden. Es gibt quer durch den ganzen Kirchenkreis und die Landeskirche gute Beispiele dafür. Das wünsche ich mir auch für die Innenstadt. Da ist so viel Potenzial vorhanden, aber auch noch Luft nach oben.

Bedeutet das, dass die Gemeinden künftig mehr auf Ehrenamtliche setzen werden?

Aus der Tradition der 500 Jahre seit der Reformation sind wir eine von der Pfarrerschaft geprägte Kirche. Evangelisch sein heißt aber eigentlich, das Priestertum aller Getauften ernst zu nehmen. Jede Frau und jeder Mann kann die erworbenen und geschenkten Gaben und Fähigkeiten in die Verkündigung des Evangeliums und des Lebens miteinander einbringen. Das gilt im eigenen Beruf und im ehrenamtlichen Engagement, wo immer das in der jeweiligen Lebensphase möglich ist.

Das ist ein gutes Stichwort. Zum Jahreswechsel beginnt ein neuer Lebensabschnitt für Sie. Sie werden dann Ihren Teil der Aufgaben als Regionalbischof an Ihre Frau abgeben. Wie bereiten Sie sich auf den Ruhestand vor?

Erst einmal mache ich ein sogenanntes Sabbatical im Kirchenkreis. Einiges an landeskirchlichen Aufgaben bleibt mir trotzdem noch. Es gibt jetzt schon viele Anfragen, ob ich etwas übernehmen könnte. Ich werde zunächst nichts annehmen. Aber ich bleibe ja Pfarrer und das ist schön. Ich freue mich auf diese Lebensphase, weil manche meiner Pläne und Ideen liegen geblieben sind. Zum Beispiel möchte ich einen großen Roman über die Nürnberger Reformationszeit schreiben. Dafür sammle ich schon seit ein paar Jahren Material.

 

Gibt es eine Person in der Bibel, die Ihnen beim Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand eine Hilfe sein kann?

Da fällt mir sofort Josua 1 ein, das ganze Kapitel. Im Gespräch mit Gott lernt Josua, dass er den nächsten Schritt ins Gelobte Land getrost und unverzagt gehen kann. Er bleibt bei dem, was sein Herz trägt, und das ist Gott mit seinem Zuspruch: „Ich lasse dich nicht fallen und ich verlasse dich nicht.“

Interview und Foto: Paul Schremser