Themengeschichte
Was uns die Zukunft bringt
Was uns die Zukunft bringt
V. l. n. r.: Jan Martin Depner, Brigitte Wellhöfer, Hannes Schott, Paul Schremser, Annette Lichtenfeld.

Eine Citykirche zum Thema Zukunft sollte es werden. Also traf sich der größte Teil der Redaktion, um das kürzlich eröffnete „Zukunftsmuseum“ in Nürnberg zu besuchen. Es gehört zum Deutschen Museum in München.

Nach der ersten Orientierung im Erdgeschoss des Neubaus am Pegnitzufer bleiben die fünf Redaktionsmitglieder noch für ein paar Fotoaufnahmen von Daniel Ursus Ochs zusammen. Dann teilen sie sich auf.

Annette Lichtenfeld bleibt bei einer ehemaligen Weltraumkapsel hängen. Die Zukunft unserer Städte stößt bei Brigitte Wellhöfer auf großes Interesse. Jan Martin Depner beschäftigt die Frage, was die Menschen der Zukunft wohl essen werden. Erinnerungen an die Science-Fiction-Literatur, die Hannes Schott in seiner Jugend fasziniert hat, werden bei ihm während des Museumsbesuchs wach. Dagegen fragt sich Paul Schremser, warum sich 200.000 Menschen für einen Trip zum Mars angemeldet haben.

Das Resultat sind fünf individuelle Sichtweisen auf die künftige Welt, wie sie das Zukunftsmuseum darstellt.

Text: Paul Schremser
Artikelfotos: Madame Privé

Was werden wir essen?

Spielerisch habe ich im Zukunftsmuseum meinen digitalen Teller mit interessanten und sehr ungewohnten Gerichten gefüllt. Teilweise uralte Rezepte nicht-westlicher Kulturen kamen da auf den Teller (japanische vergorene Bohnen), Neuentwicklungen (Lupinen-Frischkäse), aber auch futuristische Fantasien aus Science-Fiction-Filmen: Farblose Nährmasse, die dank Hologramm wie gewohntes Essen aussieht, oder Gemüse aus dem Labor. Dass Ideen aus den Science- Fiction-Filmen der letzten Jahrzehnte jede Abteilung des Museums wie einen roten Faden durchziehen, finde ich witzig und sehr inspirierend. Auch beim Thema Ernährung hat das gut gepasst.

Bei der stark wachsenden Weltbevölkerung ist es problematisch, dass diese sich immer mehr am westlichen Ernährungsstil orientiert. Denn intensive Landwirtschaft verbraucht zu viele Ressourcen und trägt zur globalen Erwärmung bei. Im Zukunftsmuseum werden spannende Alternativen gezeigt. Unterwasserfarmen, Landwirtschaftsroboter, neue Züchtungen von Pflanzen und natürlich auch neue Rezepte. Mir gefiel diese Abteilung zum Thema Ernährung der Zukunft sehr gut. Ich habe da gern viel Zeit verbracht. Hinterher war mir einmal mehr klar: Zum Spannenden des Lebens gehört es auch, Gewohnheiten zu ändern. Und unsere Essgewohnheiten werden sich ändern müssen! Aber das wird sicher ein Gewinn, nicht nur für unsere Gesundheit.

Text: Jan Martin Depner

Experimente unter Extrembedingungen

Im Jahr 1985 verbrachte diese unbemannte Stahlkapsel zwei Wochen in einer erdnahen Umlaufbahn. Mit ihr untersuchte man, wie sich extreme Hitze und Kälte, Vakuum und Weltraumstrahlung auf verschiedene Organismen und Materialien auswirkte.

Als diese Kapsel durch das Weltall sauste, war ich 20 Jahre alt und mit ganz anderen Themen beschäftigt: Kalter Krieg, Welthunger und Umweltzerstörung. Was sich im Weltall abspielte, wusste ich nicht – und ehrlich gesagt: Es interessierte mich auch nicht. Das Leben auf der Erde mit all seinen

Herausforderungen stand mir definitiv näher als Experimente im Weltall.

Die Probleme von damals haben sich bis heute weder grundlegend gewandelt noch gelöst: Nach wie vor sind Krieg, Hunger und Klima die größten Herausforderungen der Menschheit. Aber sehr viel hat sich in diesen vergangenen 37 Jahren hingegen im Weltall getan. Und das betrifft uns alle: Die geopolitische Rivalität um die Vormachtstellung im All stellt eine ernstzunehmende sicherheitspolitische Herausforderung dar. Neue Geschäftsmodelle erschließen den „new space“ wirtschaftlich, und die zunehmende Vermüllung ist ein echtes Problem. Wie gehen wir mit diesen Themen um? 

Text: Annette Lichtenfeld

Unendliche Weiten

Seit meiner Jugend bin ich begeisterter Science-Fiction-Leser und habe viele Bücher verschlungen und Filme geschaut. Als Jugendlicher habe ich davon geträumt, Schiffspfarrer auf der Enterprise zu werden und in unendliche Weiten aufzubrechen, um neuem Leben und fremden Zivilisationen die frohe Botschaft zu verkündigen. Deswegen hat mich das Exponat von der Kolonie auf dem Planeten angesprochen: welche Kirche und welche Formen der Verkündigung bräuchte es auf diesem Planeten? Wie können die dortige Gesellschaft und ihre Individuen unterstützt werden?

Eins meiner Lieblingsbücher ist „Das Buch der seltsamen neuen Dinge“ von Michel Faber. Dort missioniert ein Pfarrer erfolgreich eine außerirdische Gemeinschaft, die voller Begeisterung seine Predigten annimmt und umsetzt.

Aber ich muss nicht zu den Sternen schauen und greifen: im 21. Jahrhundert ist die Gesellschaft für die Kirche manchmal eine Zivilisation weit und vom kirchlichen Denken galaxienweit entfernt. Da braucht es neue Wege der Kommunikation und der Verkündigung, um die frohe Botschaft zu den Menschen zu beamen.

Text: Hannes Schott

Der Mond, der Mars und der Müll

Das Foto von der aufgehenden Erde hat viele beeindruckt, nachdem die ersten Astronauten 1969 auf dem Mond gelandet waren. Zum ersten Mal war der „blaue Planet“ von außen gesehen worden. Und damit ist deutlich geworden: Das Raumschiff Erde ist tatsächlich der einzige Ort, an dem die Menschheit überleben kann.

Draußen im Weltall gibt es keine Luft zum Atmen, aber kosmische Strahlung und eine unendliche Kälte. Trotzdem gehen Zukunftsforscher davon aus, dass Menschen bald erneut den Mond und wenig später auch den Mars besuchen werden. Bereits jetzt sollen sich 200.000 Erdenbewohner*innen um ein One-Way-Ticket zum Mars beworben haben – heißt es im Zukunftsmuseum.

Im obersten Stockwerk wird aber auch deutlich, dass nicht allein der Forscherdrang die Triebfeder dafür ist. Vielmehr spielen wirtschaftliche Interessen eine entscheidende Rolle. So sollen künftig die Asteroiden des Sonnensystems als Rohstoffquelle genutzt werden. Auch deshalb investieren weltweit private Unternehmen viel Geld in die Weltraumtechnologie.

Die Ambitionen der Menschen im All bleiben nicht folgenlos für den blauen Planeten. Rund um den Globus kreist bereits so viel Weltraummüll, dass die Internationale Raumstation ISS regelmäßig Ausweichmanöver fliegen muss, damit sie nicht von Schrottteilen getroffen wird. 

Es sieht so aus, als ob es ein Kennzeichen des modernen Menschen ist, überall seinen Müll zu hinterlassen: auf dem Mond, dem Mars, im All, aber auch in den Weltmeeren und den armen Ländern dieser Erde.

Eine wichtige Zukunftsfrage lässt das Zukunftsmuseum offen: Der Mensch als spirituelles Wesen. Wie werden seine religiösen Bedürfnisse erfüllt? Wird es eines Tages Kirchen, Moscheen, Synagogen oder Tempel anderer Religionen in fremden Welten geben? Denn schon immer haben Menschen auf ihren Reisen in unbekanntes Terrain etwas mitgenommen, das sie an ihre Heimat erinnert.

Text: Paul Schremser

Immer größer – immer schneller 

Die Idee, für das Thema „Zukunft“ das neue Museum im Augustinerhof zu besuchen, fand ich sehr gut. Neugierig war ich schon seit seiner Eröffnung. Ich habe mir den Part „Stadt der Zukunft“ ausgesucht. 

Immer mehr Menschen wohnen überall auf der Welt in den großen Städten. Meist haben sie schlechte Luft, zu viel Individualverkehr und zu wenig Grün. Außerdem verkümmern die Sozialkontakte. Wie können wir sie nachhaltig umgestalten? In der 8-Millionen-Stadt Tokio haben Architekten einen „Wohnbaum“ gebaut. Mit einem schlanken „Stamm“ und einer breiten „Baumkrone“. Man kann bis in luftiger Höhe wohnen. Es ist dort hell, sonnendurchflutet, und die Bodenversiegelung ist verhältnismäßig gering. Die Fassaden werden nicht nur begrünt, sondern auch zum Nahrungsmittelanbau genutzt. Solarenergie sichert die Energieversorgung.

Mit multiprofessionellen Konzepten, bei denen Architekt*innen und Stadtplaner*innen die Zukunft von Menschen und Natur in den Mittelpunkt stellen, gehen sie neue Wege. Wir müssen heute handeln, denn die Zukunft beginnt nicht erst morgen.

Verlassen habe ich das Museum mit einem gewissen Unbehagen. Was hat mich irritiert? Es ist der zugegeben sehr subjektive Eindruck, dass vermittelt wird, die Technik könne alles richten in einer Gesellschaft, die an grenzenloses Wachstum glaubt, bei der es immer größer, schneller und weiter gehen muss, bis ins Weltall … Und wo bleiben Mensch und Natur? Wird alles gut? Es liegt an uns.

Text: Brigitte Wellhöfer