Kirche
Jesus und seine Gefühlswelt
Wut, Angst, Freude, Trauer
Christus vertreibt die Wechsler aus dem Tempel – Rembrandt van Rijn (1626), Puschkin-Museum (Moskau)

In den Passionsgeschichten wird vom Besuch Jesu im Garten Gethsemane erzählt. In seiner letzten Nacht in Freiheit versammelt er seine Getreuen um sich in Sichtweite des Jerusalemer Tempels. Jesus muss wohl Todesangst gehabt haben und sucht deshalb die Geborgenheit und Nähe derer, denen er am meisten vertraut. Doch die werden bekanntlich vom Schlaf übermannt. Und so bleibt Jesus mit seinen Ängsten und Gebeten allein.

 

Ähnlich bekannt ist die Erzählung von der Tempelreinigung. Auf Gemälden – wie bei Rembrandt – ist ein vor Wut bebender Jesus zu sehen, der die Geldwechsler und Verkäufer von Opfertieren massiv angeht. Dabei soll er gerufen haben, dass aus dem Bethaus eine Räuberhöhle geworden sei, so die Evangelien.

 

Schlangengezücht und Otternbrut

 

Zorn überkam Jesus auch bei den Streitgesprächen mit den Schriftgelehrten und Pharisäern seiner Zeit, die er wenig schmeichelhaft als „Schlangengezücht“ und „Otternbrut“ bezeichnet hat.

Freilich berichtet das Neue Testament auch über den weichen und milden Jesus, der Freude ebenso zeigt wie Trauer und Mitgefühl. Besonders deutlich wird das im Umgang mit kranken und behinderten Menschen. Sie haben neben ihren Einschränkungen oft auch unter sozialer Ausgrenzung zu leiden. Bis sie auf einen mitfühlenden Jesus treffen, der sie heilt – an Leib und Seele.

 

Überliefert ist auch, dass Jesus beim Anblick Jerusalems die Tränen gekommen sind. Offenbar sieht er die Zerstörung der Stadt durch römische Truppen voraus. Einordnen können die Evangelisten dieses Geschehen aber erst, als Jerusalem tatsächlich im Jahr 70 dem Erdboden gleichgemacht wird und kein Stein auf dem anderen bleibt.

Text: Paul Schremser
Artikelfoto: 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM), distributed