Interview
Interview mit einer aus dem Iran geflohenen Christin

A. Lichtenfeld: Du hast als Muslima im Iran gelebt und bist dann Christin geworden. Wie kam es dazu?

Ich habe als Muslima gelebt und habe dann in meiner Heimatstadt Christen kennengelernt. Sie haben mir viel vom christlichen Glauben erzählt und er ist für mich immer wichtiger geworden. Ich war mit ihnen zusammen in einer Hauskirche. Wir mussten uns heimlich treffen, denn der christliche Glaube ist im Iran für Muslime verboten.

Meine Freundin aus der Hauskirche wurde verhaftet. Da bekam ich große Angst und bin nach Italien und dann nach Deutschland geflohen. Das war ein sehr weiter und sehr anstrengender Weg für mich.

A. Lichtenfeld: Und wie ging es dann weiter?

Hier habe ich mich taufen lassen. Ich lebe jetzt als Christin. Auf mein Asyl habe ich lange warten müssen. Zunächst wurde der Antrag abgelehnt, das war schlimm für mich. Durch Jesus habe ich das Kirchenasyl bekommen.

Und nun bin ich anerkannter Flüchtling, Gott sei Dank.

A. Lichtenfeld: Was gefällt dir am christlichen Glauben besonders?

Der christliche Glaube gibt mir Frieden und ein zufriedenes Leben, und ich bin glücklich.

A. Lichtenfeld: Mit deiner Flucht hast du deine Familie, deine Heimat, deinen Beruf und deine Freunde aufgegeben. Bereust du das manchmal?

Natürlich schmerzt es mich manchmal und ich vermisse meine Familie und meine Freunde. Zum Glück habe ich hier neue Freunde gefunden.

A. Lichtenfeld: In Deutschland leben und glauben Christen anders als im Iran.

Welche Unterschiede gibt es?

In Deutschland fühle ich mich frei, sowohl im Leben als auch in meiner Glaubensentscheidung. Hier sind Staat und Kirche getrennt und es gelten für alle die gleichen Gesetze. Leider hält sich in meinem Land die Regierung nicht an die vom Islam vorgegebenen Gebote. Stattdessen herrschen nur Willkür und Zwang.

Im Iran besteht auch eine starke Ungleichheit zwischen Mann und Frau.

Mein Land missbraucht die Religion, den Islam, um Kritiker und Frauen zu unterdrücken.

A. Lichtenfeld: Was gefällt dir in Deutschland gut – und womit hast du deine Schwierigkeiten?

Mir gefällt, dass Deutschland ein demokratisches Land ist. Ich genieße die Meinungsfreiheit, die Religionsfreiheit und die Pressefreiheit. Schwierigkeiten habe ich vor allem mit der Sprache!

A. Lichtenfeld: Was wünschst du dir als Flüchtling von uns Deutschen?

Ich habe das Glück, dass liebe Menschen mir geholfen haben – im Kirchenasyl, beim Sprache lernen, bei der Wohnungssuche und bei den Behördengängen. Ich wünsche mir von den Deutschen, dass es noch mehr solche Menschen gibt, da ich viele Asylanten kenne, die auch Hilfe bräuchten!

A. Lichtenfeld: Wie erlebst du Gottesdienste in Deutschland und was würdest du gerne ändern?

Im Gottesdienst habe ich das Gefühl, ich bin nicht allein. Und das tut mir gut. Anonyme Geldspenden fände ich schöner, weil ich mich mit meiner kleinen Spende manchmal schäme.

Das Interview führte Pfarrerin Annette Lichtenfeld. Ihre Interviewpartnerin möchte unerkannt bleiben aus Sorge um ihre Familie im Iran. Die Konversion vom Islam zum Christentum ist im Iran verboten und wird dort schwer bestraft.

(Text: Annette Lichtenfeld, Foto: Madame Privé)