Titelthema
Anleitung zum Glücklichsein

Ein Gespräch über das Luftholen mit Elisabeth Viebig (1926-2017) für den Gleichklang von Leib und Seele.

Der Mann wird Pfarrer und was macht die Ehefrau? In den Fünfziger Jahren war die Antwort klar, sie wird Pfarrfrau. „Alles andere war undenkbar“ sagt Elisabeth Viebig, die Frau des späteren Regionalbischofs Johannes Viebig. Später macht sie eine Spezialausbildung zur Atemtherapeutin.

Das Interview führte Adriana Ellermann für die 53. Ausgabe der Citykirche (August – September 2015). Elisabeth Viebig verstarb am 13. Oktober 2017 im Alter von 91. Jahren. Möge sie nun schauen, was Sie geglaubt hat!


Elisabeth, Du verbindest in Deiner Arbeit Medizin und Theologie und sagst selbst, dass es genau diese Begegnung ist, die Dich in Deiner Arbeit interessiert.

Ja, ich nenne das Jesuanisch. Wir haben in den Sechziger Jahren mit evangelischer Meditation angefangen. Denn wir müssen uns damit ja auch auseinandersetzten, Ost und West. Heute mache ich das mit meinem Kreis im Rummelsberger Stift St. Lorenz. Wir meditieren im Sitzen – im Rollstuhl oder auf einem Stuhl sitzend – mit den Armen entspannt an den Seiten. Denn für mich muss man nicht im Lotussitz sitzen um zu meditieren, ich liege auch. Es geht um ein besseres Körpergefühl und den Abbau von Gelenk- und Muskelverspannungen hin zu einer natürlichen Atemhaltung. Manchmal schütteln wir unsere Beine und Arme, auch das löst. Sprache und Atmung sind wichtig. Jesus hat Aramäisch gesprochen. In der Gesangsausbildung haben wir ein Gesangsdeutsch gesprochen. Grad wenn man an Sprechgesänge denkt. Daher finde ich den Klang unserer Sprache interessant. Jedes Baby hat einen Urlaut in dem es schreit. Wenn ich ganz still in mich gehe und meinem Atem zuhöre, dann höre ich auch meine Urstimme. In dieser Tonlage können wir stundenlang ohne Anstrengung sprechen, unser Atem fließt natürlich und wir und unsere Stimmbänder sind entspannt. Mit meinem Lorenzer Kreis mache ich genau das. Grad in Deutschland verlieren wir den Bezug zu unserem Urlaut und damit zur Atmung. Vielleicht hängt das mit der Zeit in der Schule zusammen. Bei uns sind Kopf, also der Geist, und Körper getrennt. Für mich ist das ganz unjesuanisch. Denn Jesus ist 

die Menschwerdung Gottes. Deshalb rate ich immer, diese Form der Meditation nicht nur einmal die Woche zu praktizieren, sondern regelmäßig.

Die Meditation ist seit vielen Jahren Teil Deines Tagesrhythmus. Wie bringst Du für Dich Körper und Geist zusammen?

Ich lege mich hin und entspanne, die Armen sind zu den Seiten ausgestreckt, so wie in der anatomischen Nullstellung. Dann fange ich mit einem Psalm an, zum Beispiel: „1000 Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist…“ (Psalm 90). Wie wir mit den Toten umgehen ist heute auch Teil meiner Mediation.
Oder mit einem Lied von Gerhard Teerstegen „Nun sich der Tag geendet, / mein Herz zu dir sich wendet / und danket inniglich; / dein holdes Angesichte /zum Segen auf mich richte, /erleuchte und entzünde mich” (EG 481).
Das sind alles Bilder, eigentlich Mysterien. Die Verstorbenen sind im Geiste da, sie umgeben uns. Ich bin jetzt in einem Alter wo ich darüber reden muss. Witwen verstehen das. Jeder von uns hat seinen eigenen Glauben. Der Glaube ist so wie der Mensch einmalig. Für Pfarrer ist das Aufgabe und auch Herausforderung. Wir haben nicht gelernt über unsere Gotteserfahrungen zu sprechen. Ich finde aber wir sollten sie uns mitteilen, so wie andere Erlebnisse. Teerstegen dichtete darüber, dass ich dich und „deine Strahlen fassen / und dich wirken lassen” kann (EG 165). Damit meint er die Ausstrahlung.

Seit einem Jahr machst Du auch Lachmeditation. Was ist Dir daran wichtig?

Der Lachende ist im Moment, er ist ganz da. Unser Urgefühl ist Lachen. Wenn wir lachen oder Schweres mit einem Lächeln hinter uns bringen, dann fällt es uns leichter. Aus meiner Arbeit mit der Atemtherapie weiß ich, Lachen öffnet die Mundhöhle, die Augen und Augenhöhlen und den Brustkorb von vorne bis hinten zur Wirbelsäule. In unserem Kulturkreis hier lachen wir meist auf „A“, Japaner und Chinesen hingegen lachen höher, sie sprechen auch höher, eher ein „hihi“. Also auch hier ein Schritt zu unserer eigenen Natur. Im Rummelsberger Stift St. Lorenz begrüßen wir uns jetzt auch schon lächelnd.

Atem und Meditation verbindest Du immer wieder mit Musik.

Für mich sind Musik und Glauben eng verbunden. Beide wirken nach. „Jeden Nachklang fühlt mein Herz“, dichtet Goethe. Der Nachklang ist wichtig für uns, wir sollten immer für gute Erinnerungen sorgen. Im Grunde ist und bleibt das Leben doch ein Torso, wie die wunderschöne Venus von Milo. Für mich ist eines der vollendeten Musikstücke die Unvollendete von Franz Schubert.

Vielen Dank für das Gespräch!
Die nächsten Termine des therapeutischen Angebotes von Elisabeth Viebig im Gemeinderaum von St. Egidien, Egidienplatz 37, sind Mittwoch, 19. August und Mittwoch, 16. September