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Besonderer Besuch an Weihnachten

Jahr für Jahr kommt derselbe Besuch an Weihnachten: die Schwiegermutter, der Großonkel, die Enkelin. Oder wer auch immer. Doch manchmal, da kommt es anders, als man denkt. Ein unerwarteter Besuch wirbelt alles durcheinander. Und schafft bleibende Erinnerungen.

Ayad in der neuen Heimat

Weihnachten 2015 stand im Zeichen der großen Flüchtlingswelle. Bei uns im Kirchenasyl wohnte Ayad, ein 23-jähriger Jeside aus dem Nordirak. Er hatte Furchtbares erlebt, Familie und Heimat verloren. Kurz vor Weihnachten erhielt er schließlich seinen Status als Asylsuchender. Er war unendlich dankbar und glücklich, nicht mehr abgeschoben zu werden und in Sicherheit zu sein. Ich zeigte ihm die Stadt Nürnberg und natürlich auch die Sebalduskirche. Eine so große Kirche hatte er noch nie betreten. Adventskränze, Weihnachtsbäume – all das war neu für ihn. Was hat er gestaunt. Seine Freude und Dankbarkeit haben an diesem Weihnachtsfest für uns heller gestrahlt als alle Kerzen und Lichter.

Text: Annette Lichtenfeld
Fotos: privat/Adobe Stock

 

Deutsche Weihnacht interkulturell

Im Jahr 2014 hatten wir als Familie einen ganz besonderen Besuch an Heiligabend. Damals noch in Hongkong lebend, haben wir auch dort unsere deutsche Heiligabend-Tradition gepflegt: Am frühen Abend Christvesper in unserer Gemeinde, dann mit dem Boot zurück nach Hause und Bescherung unterm Baum, der natürlich mit Wachskerzen geschmückt war. Später dann gemütliches Abendessen mit der Familie, und spätabends die Nachbarn im Haus – das war bei uns auch in Franken früher schon so. 2014 aber hatten wir drei Theologen aus Myanmar, Kambodscha und Laos eingeladen, bei unserer Familie dabei zu sein; sie promovierten bzw. studierten bei uns am Seminar. Für die drei war unsere Art zu feiern – bis hin zu den Geschenken oder dem Verlesen der Weihnachtsgeschichte durch die Kinder – völlig fremd. Aber sie haben es offensichtlich genossen und wir hatten sie gern bei uns. Ein lustiger Abend des Austauschs über verschiedene Bräuche. Wir haben gemerkt: Heiligabend funktioniert auch mit erweiterter Familie. Einer von den dreien – inzwischen einer der führenden Theologen Myanmars, sagte mir kürzlich, dass seine Familie seit damals einen deutschen Heiligabend feiere, weil ihn unsere Weihnachtsbräuche so angerührt hätten.

Text: Jan Martin Depner
Foto: privat

 

Eine haarige Besucherin unter dem Weihnachtsbaum

Es war das erste Weihnachstfest mit meinen zukünftigen Schwiegereltern, bei denen ich zu Besuch war. Es war ein zwangloses, gemütliches Familienfest im Wohnzimmer mit Kindern und deren Partnern. Nach der Bescherung entdeckte ich zufälligerweise ein Päckchen, das hinter dem Sofa lag. Auf meine Frage, was das sei, winkten einige Familienmitglieder seltsam schnell ab. Aber da hatte ich schon entdeckt, dass mein Name draufstand. Was war das für ein seltsames Geschenk, das anscheinend in letzter Sekunde versteckt worden war? „Dann mach es halt auf!“ Plötzlich herrschte Schweigen. Ich öffnete vorsichtig das Papier – und drin lag – eine Faschingsperücke. Die war wegen meines mangelnden Haupthaars als Spaßgeschenk besorgt worden und dann war man sich unsicher geworden, ob mich das nicht eher verletzen oder beleidigen würde. Ich habe selten über ein Geschenk so gelacht. Mit meiner Frisur hatte ich damals schon meinen Frieden geschlossen. An diesem Abend setzten wir alle noch abwechselnd die Perücke auf und hatten damit sehr viel Spaß.

Text: Hannes Schott
Fotos: Adobe Stock

 

Ein stacheliger Weihnachtsgast

Für jedes Kind ist der Heiligabend mit dem „Warten aufs Christkind“ ein ganz besonderer Tag. Den 24. Dezember 1960 werde ich aber nie vergessen. Ich war vier Jahre alt. Das Wohnzimmer war ab Mittag abgeschlossen, der Christbaum wurde geschmückt und die Kinder mussten sich die Zeit vertreiben. Weil im Hof viel Schnee lag, sind wir dort Schlitten gefahren. Unter unserem Balkon haben wir eine schwarze Kugel entdeckt. Diese Kugel entpuppte sich als ein junger, halb erfrorener Igel. Vorsichtig haben wir ihn aufgehoben und mit nach Hause genommen. Wir durften ihn behalten. Er bekam erst einen weich gepolsterten Karton inklusive Futter und Milchnapf und hat sich schnell erholt. Als dann „das Glöckchen vom Christkind“ geläutet hat und wir endlich ins Wohnzimmer mit dem geschmückten Christbaum und den Geschenken durften, haben wir auch unseren Igel im Karton mit unter den Baum gestellt. Alle anderen Geschenke waren nicht mehr so wichtig. Wir hatten unverhofften Besuch bekommen. Bis zum Frühjahr hat er bei uns gelebt. Dann ist er in den Garten des Nachbarn gezogen und hat eine Familie gegründet.

Text: Brigitte Wellhöfer
Fotos: privat