Innenstadt
Erlanger Theologe schreibt „kulinarische Geschichte des Abendmahls“
Cola, Käse und Kokosnuss am Tisch des Herrn

Christus selbst lädt uns ein und will uns nahe sein – im Geist und Gebet, aber auch sinnlich und körperlich: Wenn Gemeinden Abendmahl feiern, empfangen die Gläubigen Brot und Wein als Leib und Blut Christi, in den meisten evangelischen Kirchen in unserem Kulturkreis vor allem in Gestalt von geweihten Hostien und Wein oder Traubensaft. Dabei ringen Theologen bekanntlich seit der Frühzeit des Christentums um das rechte Verständnis der Mahlfeier und damit auch um die praktische Gestaltung – und der Streit um unterschiedliche Auffassungen hat nicht unwesentlich zur Entstehung verschiedener Konfessionen geführt. Einer der „Knackpunkte“: Wie ist die „Wandlung“ der „Elemente“ zu verstehen? Ein mystisches Geschehen? Oder „nur“ ein Zeichen, also ein Symbol?

Mit einem spannenden Buch öffnet ein Erlanger Theologe eine viel breitere Perspektive: Was haben die Menschen in der Antike, im Mittelalter, in neueren Epochen und in verschiedenen Kulturkreisen im und im Zusammenhang mit dem Gottesdienst tatsächlich gegessen? Der Kirchengeschichtler Prof. Anselm Schubert hat sich auf Spurensuche begeben. Aus seiner Beschäftigung mit „Food History“ entstand eine „kulinarische Geschichte des Christentums“, die er unter dem griffigen Titel „Gott essen“ vorgelegt hat.

Die Probleme fangen – eigentlich wenig überraschend – schon bei der Frage an, welches Brot gemeint war und ist: Ungesäuertes nach jüdischem Vorbild und Gesetz? Aus Weizen? Je nach regionalen Besonderheiten seien wohl, meint der Kirchenhistoriker, alle bekannten Brotsorten und -formen verwendet worden. Dabei haben sich die Christen in den ersten Jahrhunderten wohl stark an dem in der Antike üblichen Gemeinschaftsmahl (Symposion) orientiert: Jeder brachte mit, was er erübrigen und zubereiten konnte – auch als Opfer für Christus und die Armen. Auf die Tische kamen vermutlich auch Fleisch und Früchte, Obst und Käse.

Als die Gemeinden wuchsen und sich die Kirchen als Institutionen etablierten, wurden Brot und Wein von den Klerikern gestellt und im Namen der Kirche gespendet. Schubert spricht von „Klerikalisierung der Materie“. „Aus dem Brot der Christen war ein Brot der Kirche geworden. Im Westen ging damit die Erfindung der Oblatenhostie einher, die mit dem ursprünglichen Brot nichts mehr zu tun hatte (…). Als wenig später den Laien auch der Kelch nicht mehr gespendet wurde, war aus dem frühchristlichen Gemeinschaftsmahl endgültig ein Kultvorgang geworden, der schon bald mit magischen Vorstellungen aufgeladen wurde.“ Und während das Luthertum die „katholische“ Hostie beibehielt, grenzte sich der Calvinismus davon ab und machte „echtes“ (gesäuertes) Brot zum Erkennungszeichen.

Schubert spannt den Bogen aber noch weiter und berichtet beispielsweise, wie Christen etwa in Ländern wie Island zu Heidelbeerwein, in Skandinavien zu Bier oder in Südostasien zu Reis und Palmwein greifen mussten, weil nichts anderes zur Verfügung stand. Und zu den Versuchen, den Kolonialismus zu überwinden, gehörte in Ländern des Südens auch, Brot und Wein als Ausdruck eines „westlichen Diktats“ abzulehnen. So kamen südlich der Sahara schon mal Cola und Fanta beim Abendmahl zum Einsatz oder Kokosnüsse in pazifischen Gemeinden. Und auch im einst „Wilden Westen“ war nicht ohne Weiteres greifbar, was traditionell zum Ritus gehörte. „In der Geschichte der Abendmahlselemente“, schreibt Schubert, „sehen wir die Schleifspuren der Alltagsgeschichte, der Ernährungs- und Wirtschaftsgeschichte, der Kolonial- und Militärgeschichte am Corpus Mysticum der Kirche“.

Schubert skizziert schließlich auch, wie sich in den vergangenen rund 50 Jahren, gespeist aus unterschiedlichen Quellen, eine neue Vielfalt herausgebildet hat, im evangelischen Bereich beispielsweise mit dem Feierabendmahl. Die vielleicht „kitzligste“ Frage allerdings bleibt: Hat sich mit dem Abendmahl nicht ein urheidnischer Kern erhalten – mit der Vorstellung nämlich, (nur) wer sich Gott buchstäblich einverleibe, erlange auch Anteil an seiner Kraft und Macht. Im Christentum freilich relativiert und bricht sich das an der Idee der Gemeinschaft, die im Mahl ihren verbindlichen Ausdruck findet – und am Kreuz, also Gottes Ohnmacht.
Text: Wolfgang Heilig-Achneck
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