Kultur
Andere konnten und können das nicht!
Die Welt ist mir ein Lachen

Allmächd. Grotesker geht es nicht. Der 20. April ist der Geburtstag des Adolf Hitler und heuer zugleich Ostersonntag. Dieses widersinnig unpassende Zusammentreffen können wir für uns sicher hintanstellen.

Der Pfarrer Paul Schneider, Vater von sechs Kindern, wird 1937 ins KZ Buchenwald verschleppt. Am Geburtstag des Tyrannen verweigert er den Fahnengruß, wird dafür mit Stockschlägen bestraft und in Einzelhaft genommen. Am Ostersonntag 1938 ist Morgenappell auf dem Lagerplatz. Plötzlich – die Stimme Schneiders aus seiner Zelle heraus an seine Mithäftlinge:

Kameraden, hört mich. Hier spricht Pfarrer Paul Schneider. Hier wird gefoltert und gemordet. Um Christi willen erbarmt euch. Betet zu Gott. Bleibt standhaft und treu. Gott, der allmächtige Vater, wird das Übel von uns nehmen.

Dann Türenschlagen und Schreie. Als was würden wir das bezeichnen? Als christlichen Widerstand, fromme Verzweiflungstat, Martyrium, Verrücktheit, letzte Selbstbehauptung, Grenzerfahrung?

Was Paul Schneider da zum Zellenfenster hinaus ruft, ist eine Osterpredigt. Gehalten am Ostersonntag 1938 auf dem Appellplatz in Buchenwald. Ob wir 2014 an eine solche Osterpredigt heranreichen? Vor 75 Jahren, am 18 Juli 1939, wurde Paul Schneider vom Lagerarzt bei Experimenten mit Strophantin ermordet.

Was ist Ostern? Verrücktheit, letzte Selbstbehauptung, Grenzerfahrung? Vielleicht, weil ich so aktuelle, wundertolle Geschichten scheue, bleibe ich bei den alten, verbürgten, bei den Menschen, die ich kenne.

Persönlich kannte ich noch Barbara von Haeften. Sie fiel mir bei einer Tagung auf, weil sie als ältere Dame immer noch Zigarillos rauchte, was einige sehr unpassend fanden. Barbara von Haeften, promovierte Theologin, Mutter von fünf Kindern, Frau von Hans-Bernd vom Kreisauer Kreis, der 1944 erhängt wurde. Auch sie damals im Gefängnis. Berlin-Moabit.

Ganz zufällig las ich neulich von ihr in einem Bericht ihrer Zellennachbarin Marion York von Wartenburg. Ihr war der Besitz eines Gesangbuches und eines Neuen Testamentes gestattet worden. Sie schreibt:

Jeden Abend klopfte Barbara mit ihrem Trauring an die Rohrleitung, welche Nummer aus dem Gesangbuch wir singen wollten. Und dann haben wir laut gesungen. Die Mauern von Moabit sind ungeheuer dicht. Man hörte nicht einmal, wenn einer ans Fenster ging und schrie. Aber man wusste, dass der andere da sang. Nachher hat sie auch immer geklopft, welchen Psalm wir lesen wollten, und so konnten wir uns wunderbar verständigen, ohne dass irgendein Mensch das im Gefängnis gemerkt hat.

Was ist das? Ein Akt christlichen Widerstands, fromme Verzweiflungstat? Allmächd, das ist es alles auch. Ich verstehe die Jungen und die Alten, die sagen: Geh mir weg mit deinen Kriegs- und Nazigeschichten. Diese christlichen Heldensagen – das langweilt doch. Sorry, ich habe wenig andere. Barbara von Haeften ist 2006 hochbetagt in Starnberg gestorben.

Bestimmt kannten sie dieses Osterlied auch und haben es damals im Gefängnis vielleicht gesungen: Die Welt ist mir ein Lachen mit ihrem großen Zorn (EG 112, 5). Dem Tyrannen entronnen sind wir – doch auch dank ihres Widerstandes, ihrer Verzweiflung und Grenzerfahrung. Der 20. April 2014 ist ein Tag zum Lachen. Ein guter Tag.

(Text: Heiner Weniger, Bild: Kurt Baumli, Schweiz, istockphoto.com)