Kultur
Ich bin bayerische Schwäbin. Aus dem Nördlinger Ries und ich bin auch in der Fremde heimatverbunden. Das sollten sie zuerst wissen.
Allmächd – Eine Liebeserklärung

Eines der ersten fränkischen Wörter, das meine schwäbischen Ohren hörten, war: „Allmächd!“. „Allmächd, a fraa!“ als Kommentar darauf, dass nun ich, eben eine Frau und damals noch jung (34 Jahre alt) die Nachfolgerin von Pfarrer Weidinger werden sollte. Ich vermute, dass es sich bei diesem „Allmächd“ um einen Ausruf des Erschreckens gehandelt hat.

Laut Günter Stössel könnte es auch Ausdruck von Erstaunen oder Bedauern sein. Aber beides halte ich für äußerst unwahrscheinlich.

Denn es hat Jahre und viele harte Diskussionen gedauert, bis der Ausrufer sich an mich gewöhnt hat, aber „allmächd“ (=erstaunt) augenblicklich haben wir Frieden miteinander.

Ich bin ja froh, dass ich das hier schreiben kann und es noch keine „Hörbuch-Citykirche“ gibt. Denn die rechte Aussprache des Allmächd muss einem in die Wiege gelegt sein. Nachholen kann man da nix, höchstens schwäbisch nachplappern (klingt gruselig).

Dazu schreibt Herbert Maas: „Die zweite Haupt-Unart unserer Mundart ist das berüchtigte schwere „l“, z.B. „Alllmächd!“ Das „l“ bei diesem Ausruf wird auf ganz besondere Weise gebildet. Der Nürnberger steckt dabei seine Zunge zwischen die beiden Zahnreihen und schiebt den Unterkiefer etwas nach vorn, so daß sich die unschön klingenden Wörter ‚Kulln, hulln, gschdulln, Sandbschilln’ ergeben.“

Bitte üben sie das unter Ausschluss der Öffentlichkeit, denn es könnte feucht werden.

Wie kommt es nun, dass die Jakober sich als Leitbild für diese Ausgabe der Citykirche das „Allmächd“ gesucht haben? Nein, wir waren nicht religiös verklärt.

Nein, es sollte auch keine theologische Abhandlung über die Allmacht und die Ohnmacht Gottes werden, sondern es war bei einer „Nachsitzung“ nach einer Kirchenvorstandssitzung. Wir haben uns Geschichten aus dem Leben und der Gemeinde erzählt, gelacht, gestaunt und immer wieder hat einer gesagt: „Allmächd!“.

Ein kleine Kostprobe der Geschichten gebe ich ihnen jetzt und zugleich ist es eine Liebeserklärung an die Jakober und die Menschen, die hier zu Gast sind oder einfach mal vorbeischneien.

 

1. Der Dieb im Garten
Der folgende Ausschnitt ist Teil eines Mailverkehrs mit einem ehrenamtlichen Mitarbeiter und wie er einen vermeintlichen Dieb aus dem Jakober Gärtla in die Flucht geschlagen hat:

ich habe gerade einen mir unbekannten Mann bei dem Versuch über den Gartenzaun in den Garten zu gelangen mit Wasser bespritzt, nachdem er meiner Aufforderung der Unterlassung nicht gefolgt ist. Er ist nach Androhung der Polizei von mir entsprungen.

Wenn ich nicht das Gartenhaus kontrolliert hätte– ob es abgesperrt worden ist-, welches von anderen offen gelassen worden war, wäre ich nicht mehr rechtzeitig im Garten gewesen.

Reiner Zufall für den „Störer“ sein Pech. Die abgebrochenen Zweige können wir verschmerzen.

 

2. Der Posaunenchorschrank
Seit Beginn des Umbaus probt der Jakober Posaunenchor in den Gemeinderäumen von St. Elisabeth. Das ist toll, nur die Frage „wohin mit den Noten“ hat uns Kopfzerbrechen bereitet. Dann konnte Harry einen Aktenschrank organisieren Tiefe 40 cm, Breite 1,20 m und Höhe auch so 1,20m, der im dortigen Treppenhaus aufgestellt wurde. Es dauerte genau 10 Stunden nach dem Aufbau bis eine Pfadfinderin mich anrief. Ich stand zu diesem Zeitpunkt auf dem Jakobsweg von Schwabach nach Abenberg mitten in der Prärie: „Frau Hahn, wir haben einen Notfall! Zwei Jugendliche haben sich in den Aktenschrank eingesperrt. Sie kommen nicht mehr raus. Wir können die Tür nicht öffnen.

Können Sie kommen? Oder wo sind die Schlüssel?“. Weder konnte ich sofort kommen noch wusste ich, dass es überhaupt ein Schloss mit Schlüsseln für diesen ausrangierten Aktenschrank gab. Mein Mesner hatte seine Hilfe angeboten. Mehrfach. Die wurde abgelehnt und so zog er mit seinem Werkzeug wieder ab. Dafür kam die Feuerwehr mit Blaulicht! Es dauerte nur Sekunden, dann waren beide wieder frei. Bis heute frage ich mich, wie die überhaupt da reingekommen sind und diese wahnsinnige Idee hatten, die Schiebetüre zu schließen. Allmächd, na!

 

3. Allmächd in der Sprechstunde
„Allmächd, Frau Pfarrer. Seit über einem Jahr war ich nicht bei ihnen. Ich habs allein geschafft! Allmächd, ich habs allein gschafft. Es war hart, aber stolz bin ich doch!“. Wirklich ich habe Frau K. schon sehr lange nicht mehr gesehen.

Jetzt hat sie eine neue Frisur. Feuerrot und assymetrisch, weil sie wieder mehr aus sich machen will. Heute ist sie in Not und braucht Hilfe. Aber als sie vom letzten Jahr erzählt, von ihren Erfolgen, vom rechten Einteilen des Geldes und davon, dass sie ohne fremde Hilfe über die Runden gekommen ist, da sprüht sie vor Stolz, ist erstaunt über sich selbst und strahlt eine wahnsinnige Lebensfreude aus. Ansteckend! Das war mein schönstes „Allmächd“ in den letzten Wochen!.

(Text: Simone Hahn, Bild: istockphoto.com)