Titelthema
Ich bin beschenkt
Ich bin beschenkt

Ein Schlauchboot oder die Geburt Jesu, eine Orange oder … 

Geschenke passen nicht immer in bunte Kartons und lassen sich oft auch nicht mit Schleifen zusammenbinden. Was einen Menschen glücklich macht, das ist mitunter sehr verschieden. Was war denn bisher Ihr schönstes Geschenk? In welchem Moment haben Sie sich so richtig glücklich, also reich beschenkt gefühlt? War das unter dem Weihnachtsbaum oder in einer zufälligen Begegnung? 

Es gibt Menschen, die genießen den Augenblick und freuen sich riesig über Kleinigkeiten. Andere lächeln erst, wenn der Sportwagen vor der Haustüre steht. 

Wir haben Menschen befragt: Was war Ihr schönstes Geschenk? Wann hast Du Dich so richtig beschenkt gefühlt? 

Lesen Sie hier über schöne und schönste Geschenke. Und vielleicht, vielleicht kann das ja auch ein Thema unterm Weihnachtsbaum sein, an Weihnachten oder am Silvesterabend, in Ihrer Familie, mit Ihren Freund*innen: Was hat mich im letzten Jahr wirklich glücklich gemacht? Wodurch fühle ich mich reich beschenkt?

Text: Annette Lichtenfeld
Fotos & Illustrationen: iStockphoto.com
Portraits: privat, Madame Privé, thomasdemaiziere.de

Sabine Ramsauer, 55 Jahre

Sie leitet das Rummelsberger Stift St. Lorenz in der Nürnberger Altstadt. Dort leben Senior*innen im betreuten und im stationären Wohnen, um die sich rund 80 Mitarbeitende der Diakonie kümmern.

Ich bin beschenkt mit der Empathie, diese Geschenke zu sehen und zu spüren.
Beschenkt mit einer wundervollen Aufgabe, mich hier im Stift St. Lorenz um viele Menschen „kümmern“ zu dürfen.

Wir nehmen uns so viel Zeit, gestresst und verzweifelt zu sein, und entwickeln oft einen Tunnelblick für das Negative. In dieser Blickrichtung sehen wir oft gar nicht mehr, mit welchen wundervollen Dingen wir im Leben beschenkt sind.

Ich bin beschenkt mit der Empathie, diese Geschenke zu sehen und zu spüren.

Beschenkt mit einer wundervollen Aufgabe, mich hier im Stift St. Lorenz um viele Menschen „kümmern“ zu dürfen. Es sind die Bewohner*innen, die unseren Alltag prägen mit ihren Lebenserfahrungen und ganz persönlichen Lebensläufen. Da gibt es die Mitarbeiter*innen, die unermüdlich dafür Sorge tragen, dass es den Menschen hier gut geht. Die in ihrer Vielfältigkeit hier im Haus ohne Vorurteile als Team zusammenarbeiten. 

Die Gespräche mit den Angehörigen, die uns trotz mancher Schwierigkeiten und Fehler vertrauen. Mit all diesen Begegnungen fühle ich mich reich beschenkt. Sie öffnen mir die Augen für das Positive. Sie geben mir jeden Tag aufs neue die Kraft, die Aufgaben zu bewältigen, die uns das Leben auferlegt. Denn das Leben selbst ist unser größtes Geschenk.

Sabrina Aras, 38 Jahre

Mein kleiner Bruder hat mir mal ein Computerspiel geschenkt, das er sich selbst gewünscht hat, womit ich aber eigentlich gar nichts anfangen konnte. 

Ich habe mich aber sehr darüber gefreut, weil er mir damit das tollste Geschenk überreicht hat, das er sich vorstellen konnte.

Daniela Bock, 56 Jahre

Beschenkt sein, das richtet den Blick nach innen. Puh, dazu muss ich innehalten, hineinhorchen, suchen. Wo liegt eigentlich mein Fokus?

Die Tage rauschen vorbei; viele Herausforderungen, Aufgaben, Streitgespräche. Kurze Verschnaufpausen, ein zärtlicher Blick, ein gutes Essen, mal wieder Fokussieren auf einen Museumsbesuch oder ein Konzert, dann wieder Atemholen für die nächste Woche. Immer Flucht nach vorne, die Jahreszeiten wechseln sich ab, alte Gewissheiten lösen sich auf, neue Erkenntnisse wachsen, die Falten werden tiefer. Verluste, Siege, Krisen, Erfolge, Schmerzen, Genüsse – ein dauernder Wirbel, wird die Kraft reichen? Und immer suche ich Dich und immer bist Du bei mir. Danke, dass Du Dich immer wieder finden lässt und ich Frieden spüren kann in Deinem Arm. Dann fühle ich mich beschenkt und fast ein wenig beschämt, wie ich nur zweifeln konnte. Weiter geht’s, aufstehen, zurück auf den Weg. Zuversichtlich, neugierig …

Bernhard Vester, 58 Jahre

Eines meiner schönsten Geschenke wird sein, wenn nächstes Jahr die Orgel in St. Jakob saniert sein und ganz neu und frisch klingen wird.

Johannes Thumann, 13 Jahre

Ich bin Johannes und habe zu meinem 10. Geburtstag eine Reise alleine mit meiner Mutter nach Paris geschenkt bekommen.

Ich habe mich darüber sehr gefreut und im Nachhinein betrachtet bin ich eigentlich noch dankbarer dafür. Denn so etwas ist ja überhaupt nicht selbstverständlich, dass man zum Geburtstag eine Reise bekommt und mal nur zu zweit ist. Sonst sind immer meine beiden Geschwister dabei, in Paris hatten wir Zeit nur zu zweit. Und das ist ja eigentlich auch das Schönste, mit so etwas beschenkt zu werden. 

Stefanie Libricht, 24 Jahre

Die Lorenzkirche – ein Treffpunkt, eine Kraftquelle und ein wahrer Schatz im Herzen der wunderschönen Stadt Nürnberg.

Ich heiße Stefanie, studiere Psychologie und bin bereits seit 2019 ein Teil des „Welcomer-Teams“ der Lorenzkirche. Zusätzlich dazu habe ich letztes Jahr die Dienstplanung für unser Team übernommen. 

Im Eingangsbereich heißen wir „Welcomer“, die Besucher*innen der Lorenzkirche willkommen und stehen als erste Anlaufstelle für Fragen zur Verfügung. Diese Tätigkeit ermöglicht es uns, Menschen aus aller Welt kennenzulernen, uns auszutauschen, interessante Gespräche zu führen und den Besucher*innen unsere einzigartige Kirche zu zeigen. 

Diese Begegnungen stellen besonders in Hinblick auf unruhige Zeiten ein wahres Geschenk dar. Es ist ein Zeichen – ein Zeichen dafür, dass man nicht alleine ist. Ein Zeichen dafür, dass es Hoffnung gibt. Ein Zeichen dafür, dass wir trotz allem beschenkt sind!

Beate Emter, 56 Jahre

Meine schönsten Geschenke sind Erlebnisse mit der Familie. Zum Beispiel eine Tiergartenführung bei Nacht.

Thomas de Maizière, 68 Jahre

Er ist der Kirchentagspräsident für Nürnberg 2023. Der CDU-Politiker und promovierte Jurist hat zwischen 2005 und 2018 verschiedene Bundesministerien geleitet. Er lebt in Dresden.

Zeitenwende

Jetzt ist die Zeit für Advent. Jetzt ist die Zeit zum Schenken. Doch ist sie das wirklich? Schenken in Zeiten, in denen zum Beispiel über das Einsparpotenzial bei Weihnachtsbeleuchtung auf Weihnachtsmärkten diskutiert wird? Welchen Wert haben Geschenke in Zeiten, in denen das Geld knapper wird? Braucht es Geschenke für die Gewissheit, dass es Weihnachten wird?  

Es spricht gar nichts gegen Geschenke, viel sogar dafür. Das kann auch Geld kosten. Warum denn nicht? Nicht nur der Handel freut sich. Aber materieller Wert ist nicht alles. Erfüllte Zeit, ein Zeitgutschein, ist zum Beispiel ein Geschenk, das nicht mit Geld zu kaufen ist. Dann wendet sich die Zeit zum Guten. Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott uns seinen Sohn – Zeitenwende. Advent und Weihnachten sind eine Einladung, die Perspektive zu wechseln – in der Krippe ein König, Kleines wird groß. Unscheinbar und menschenfreundlich. Hier beginnt Hoffnung. 

Ich bin beschenkt durch dieses Weihnachtsgeheimnis. Jetzt ist die Zeit.

Martina Bauernfeind, 56 Jahre

Ich bin beschenkt durch die Menschen meines Arbeitsumfelds.

Von mir kann ich behaupten, dass mich meine berufliche Arbeit erfüllt und glücklich macht. Kein Tag, an dem ich mich nicht gerne, gespannt und neugierig auf das, was kommt, an meinen Schreibtisch setze. 

Aber nicht immer gelingen die übernommenen Aufgaben und werden die gesteckten Ziele und erwünschten Ergebnisse erreicht. Unvorhergesehenes tritt ein und macht mir einen Strich durch die Rechnung. Was also macht es – neben meiner Freude an den Themen und der Selbstvergewisserung meiner Kompetenzen – aus, dass ich dennoch immer wieder aufs Neue mit Freude mein Tagwerk beginne? 

Es sind meine nächsten Kolleginnen und Kollegen, die mir Sicherheit geben und Verantwortung mit mir teilen, die mir das Gefühl geben, unter ihnen willkommen zu sein – und die meine Energie ebenso ertragen können wie meine Launen.

Benjamin Thumann, 10 Jahre

Ich hatte mir schon lange ein Schlauchboot gewünscht, da ich unbedingt auf einem See rudern wollte. 

Dann hab ich es tatsächlich zu meinem Geburtstag bekommen. Da der aber im Januar ist, musste ich noch ziemlich lange warten, bis ich es tatsächlich ausprobieren konnte. 

Als ich dann endlich auf dem Rothsee in meinem Schlauchboot saß, hab ich mich ganz stolz und immer noch beschenkt gefühlt, obwohl mein Geburtstag schon so lange her war. So geht es mir heute immer noch, wenn ich in meinem Boot sitze.

Rosa B., 82 Jahre

Eines meiner größten Geschenke habe ich vor langer Zeit bekommen. Seitdem bin ich vom Leben in vielerlei Hinsicht reich beschenkt worden, aber dieses eine Geschenk vergesse ich bis heute nicht.

Der Krieg war gerade vorüber. Ich war sechs Jahre alt, wir lebten auf dem Land und mussten nicht hungern. 

Aber Luxus gab es nicht, Süßigkeiten erst recht nicht. In unserem Dorf waren amerikanische Soldaten einquartiert, in jedem Haus, auch in meinem Elternhaus. 

Mit großen Augen schauten wir Kinder, was die Amerikaner alles zu essen hatten. Eines Tages kam einer der Soldaten auf mich zu und streckte mir eine Apfelsine entgegen (so nannten wir Orangen). Ich hielt sie in meinen Händen, als sei sie ein goldenes Ei. Vorsichtig schälte ich sie und teilte sie mit meinen Geschwistern. Wir genossen jedes Stück. Noch nie hatten wir so etwas gegessen. 

Der Geschmack dieser Orange ist mir unvergesslich, er verklärt sich im Grunde von Jahr zu Jahr. Seitdem habe ich ungezählte Orangen gegessen. Keine hat so wunderbar geschmeckt wie meine allererste. 

Antonia Thumann, 8 Jahre

Zu meinem 5. Geburtstag durfte ich mir eine Reise mit meinem Papa aussuchen.

Weil ich unbedingt reiten lernen wollte, sind wir auf einen Reiterhof in den Bayerischen Wald gefahren. Dort konnte man auf verschiedenen Ponys reiten. Mein Lieblingspony hieß Tornado. 

Wir waren auch im Schwimmbad und sind einmal lange ausgeritten. Da waren auch noch andere Mädchen, eines wurde meine Freundin. 

Es war sehr schön auf dem Reiterhof und ich werde mich immer daran erinnern, was ich zum fünften Geburtstag bekommen habe!

Hans-Eberhard Rückert, 68 Jahre

Er war vor seinem Ruhestand Pfarrer an der Nürnberger Peterskirche und dann als Notfallseelsorger tätig. Gelegentlich predigt er in der Sebalduskirche.

Ich bin beschenkt, weil es mir im Großen und Ganzen gesundheitlich gut geht.

Ich bin beschenkt, weil ich morgens länger im Bett bleiben kann und nicht aufstehen muss.

Ich bin beschenkt, weil ich meinen Enkel heranwachsen sehe.

Ich bin beschenkt, weil ich in meiner geliebten Heimatstadt Nürnberg leben kann.

Ich bin beschenkt, weil ich eine altersgerechte Wohnung gefunden habe.

Kristina Gutermuth, 46 Jahre

Die Lorenzkirche ist mir ein Ruhe- und Kraftraum inmitten des Großstadtlärmes

Wenn ich am Begrüßungstresen der Lorenzkirche stehe, in den weiten, lichtvollen Kirchenraum schaue, Menschen aus aller Welt hereinkommen, ich Ihnen über ein Kunstwerk etwas erzählen kann oder manche einfach ein paar Worte und Gedanken mit mir teilen, dann fühle ich mich beschenkt.

Dieser Ort ist mir ein Ruhe- und Kraftraum inmitten des Großstadtlärmes; dankbar und gestärkt gehe ich am Abend wieder hinaus.