Gesellschaft
Keine Illusion bitte

„Christen, Juden und Muslime: Im Namen Gottes darf nicht getötet werden!“

An vielen Nürnberger Gotteshäusern konnte man so auf Bannern lesen.

Ein wichtiges Zeichen zur richtigen Zeit. Und ja, es stimmt doch auch.

Ich denke an Chaim, der in New York neben mir wohnte. Er ging morgens rechts ins Jewish Theological Seminary, ich links ins christliche Union Theological Seminary. Abends haben wir uns dann wieder getroffen und manche Nacht durchdiskutiert oder gefeiert.

Im Namen Gottes töten, das war für Ihn kein Thema.

Ich denke an Ylmaz, meinen Imbissverkäufer, der mich immer zu den christlichen Festen befragt hat, wenn er merkte, dass nebenan in der Kirche etwas gefeiert wurde, das er noch nicht kannte. Das dann auf den Punkt zu bringen, war gar nicht leicht.Im Namen Gottes töten, das war für Ihn kein Thema.

Wenn ich über die Religionen und ihr Verhältnis zur Gewalt nachdenke, bin ich richtiggehend stolz, dass es gerade christliche Gruppen waren und sind, die Friedensarbeit betreiben und auch dem Vorwurf der Naivität nicht scheuen, sondern die andere Wange hinhalten.

„Christen, Juden und Muslime: Im Namen Gottes darf nicht getötet werden!“, ja, ich denke, das stimmt. Sie sagen es und leben so, zumindest die allermeisten.

Allerdings denke ich auch, dass der Banner-Satz wohlweislich nicht hieß: „Christentum, Judentum, Islam: Im Namen Gottes darf nicht getötet werden!“.

Die drei Religionen sind sich eben doch nicht einig. Und zwar nicht nur in der Frage nach der „Heilsfigur“. Sie fußen auf unterschiedlichen Denkgebäuden, unterschiedlichen Konstruktionsprinzipien, unterschiedlichen Haltungen zum Thema Gewalt.

Mohammed kannte die Ideenwelt des Christen- und des Judentums, jedenfalls in groben Zügen. Das ist der Grund, weshalb sich im Islam christliche und jüdische Grundvorstellungen wiederfinden. Dennoch ist die Religion Mohammeds eine ganz andere als das Christentum. Und leider zu oft tun Muslime Dinge im Namen des Islam, die unerträglich sind.

Auch wenn Dschihadisten nur eine winzige Minderheit der Muslime sind: Nicht nur Terroranschläge zeigen uns, dass es mancher Moslem schwer hat, eine freie Gesellschaft zu akzeptieren. Massenermordungen wie kürzlich an koptischen Christen in Libyen treffen uns ins Mark.

An dieser Stelle der Debatte wird von Muslimen und Nicht-Muslimen angeführt, dass alle monotheistischen Religionen im Kern gleich friedliebend seien, dass nur einzelne Radikale die fromme Botschaft missbrauchten. Weshalb dem Entsetzen der Mehrheitsmuslime über den Terror der Minderheitsmuslime stets der Satz folgt: „Der Islam ist eine Religion des Friedens.“

Das ist zu einfach. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung stellt Bundeskanzlerin Angela Merkel fest: „Die Menschen fragen, wie man dem so oft gehörten Satz noch folgen kann, dass Mörder, die sich für ihre Taten auf den Islam berufen, nichts mit dem Islam zu tun haben sollen.“

Ja, diese Frage drängt sich wirklich auf. Und die Antwort passt nicht in unsere auf Harmonie und Ausgleich ausgerichtete Gesellschaft.

Der Journalist Ulrich Greiner weist in der ZEIT auf eine fundamentale Differenz der Religionen hin: „Es ist kein geringer Unterschied, dass die eine Religion von einem kriegsführenden Feldherrn gegründet wurde und die andere von einem gekreuzigten Wanderprediger.“ Ich ergänze: den wir als den Sohn Gottes bekennen.

Dem Frieden dient es nicht, nur auf die Unterschiede zu schauen, aber wer sich die Situation schönredet, kommt dem Frieden auch nicht näher oder läuft in verantwortungsloser Weise auf den großen Knall zu.

Chaim, Ylmaz und ich haben kein Problem miteinander.
Zwischen unseren Religionen gibt es aber große Unterschiede. Das stärkste Bindeglied sehe ich darin, dass den meisten unserer Zeitgenossen Gott egal ist, egal in welchem religiösen Haus. In dem, was wir positiv aus dieser „Gemeinschaft der Gottgläubigen“ machen, darin sehe ich Potential, für meine Kirche, für alle Menschen, für den Frieden.

„Komm in unsre stolze Welt,
Herr mit deiner Liebe Werben.
Überwinde Macht und Geld,
lass die Völker nicht verderben.
Wende Hass und Feindessinn
auf den Weg des Friedens hin.“
Evangelisches Gesangbuch Nr. 428,1

(Text und Foto: Jonas Schiller)