Interview
Landes- Ausstellung Karl IV.

Am 20. Oktober öffnen sich im Germanischen Nationalmuseum die Türen zur Bayrisch-Tschechischen Landesausstellung Kaiser Karl IV. Das Konzept erarbeitet hat mit anderen die Nationalgalerie Prag. Ihr Direktor, Prof. Dr. Jiří Fajt, konnte zum Interview nicht persönlich da sein, aber meine Fragen hat er alle beantwortet!

Lieber Herr Prof. Dr. Jiří Fajt, in der Vorbereitung der Landesausstellung zu Kaiser Karl IV habe ich Sie als leidenschaftlichen Kunsthistoriker kennen gelernt. Sie sind der Direktor der Prager Nationalgalerie. Ich vermute, dass die Nürnberger Sie noch nicht so gut kennen. Können Sie uns etwas zu Ihrer Vita und ihrer Leidenschaft für Kunstgeschichte erzählen?

Kunstgeschichte ist tatsächlich die große Leidenschaft meines Lebens. Früher habe ich allerdings auch gerne Sport betrieben und war ein Jahr lang Nationalspieler im tschechoslowakischen Basketballteam. Dennoch wollte ich immer Kunstgeschichte studieren, durfte dies unter dem sozialistischen Regime aber nicht gleich tun, sondern musste erst einmal etwas »Nützliches« studieren. Meine erste Anstellung fand ich dann im Lapidarium des Nationalmuseums. Während Vaclav Havels Präsidentschaft hatte ich das Glück, zum Direktor der Alte Meister-Sammlung an die Nationalgalerie berufen zu werden. Als die Galerie 1999 eine neue Leitung bekam, habe ich mich entschieden, dort zu kündigen. Wenig später erhielt ich vom GWZO in Leipzig, dem Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas, eine Projektleiterstelle angeboten. Die Stelle am GWZO nehme ich in reduzierter Form weiterhin wahr, auch wenn ich vor knapp zwei Jahren Direktor der Prager Nationalgalerie geworden bin.

Sie sind der „Ausstellungsmacher“, habe ich gelesen. Wie dürfen sich die Leser Ihre Aufgabe vorstellen. Was gehört dazu? Wie lange haben Sie daran gearbeitet? Wer gehört zum Team?

Zu meiner Vorstellung davon, Kunstgeschichte zu betreiben, gehört es, nahe am Objekt zu bleiben. Mich fasziniert das Kunstwerk in seiner Qualität. Da liegt es nahe, dass ich gerne Ausstellungen kuratiere. Das Konzept der Ausstellung zu Karl IV. habe ich zusammen mit etlichen Wissenschaftlern erarbeitet, nicht nur mit meinem Team am GWZO, sondern auch mit Kollegen an der Universität Düsseldorf, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Monumenta Germaniae Historica (Deutsches Institut für Erforschung des Mittelalters). Besonders eng arbeite ich am GWZO mit der Kollegin für Ausstellungskoordination zusammen – gemeinsam haben wir  die Ausstellung in enger Kooperation mit dem Haus der Bayerischen Geschichte und der tschechischen Nationalgalerie organisiert.

Eine Landesausstellung und zwei Länder, das gab es bisher noch nicht. Wer hatte die Idee dazu? Was ist der Gewinn und wo war das schwierig?

Binationale Ausstellungen gab es schon öfter. Es ist im vereinten Europa glücklicherweise üblich, dass Ausstellungen von einem Land ins andere »wandern«. Es gab allerdings noch keine gemeinsame, tschechisch-bayerische Landesausstellung. Die Idee entstand schon vor längerer Zeit auf politischer Ebene. Sie wurde vom tschechischen und vom bayerischen Ministerpräsidenten, Petr Nečas und Horst Seehofer, aufgebracht, wobei sich der Geburtstag Karls IV. hervorragend zur Umsetzung anbot. Bei Landesausstellungen in Bayern ist immer das Haus der Bayerischen Geschichte zuständig, während auf tschechischer Seite Ministerpräsident Bohuslav Sobotka die Prager Nationalgalerie zur Teilnahme aufgefordert hat, wozu er mich nicht lange bitten musste. Ein Gewinn ist dabei, dass wir die zwei wichtigsten Residenzen Karls IV. präsentieren können, Nürnberg und Prag, das heißt, die historischen Verbindungen zwischen beiden Städten können wieder ins Gedächtnis gerufen werden. Schwierigkeiten gab es keine. Wir haben sehr gut grenzübergreifend zusammengearbeitet, auch mit 110 ausländischen Leihgebern.

Kaiser Karl IV und Kunst. Für Kunstkenner ist das keine Frage. Aber ich habe nicht Kunstgeschichte studiert. Was ist daran interessant und ungewöhnlich. Können Sie es in einfachen, spannenden Worten erzählen?

Karl IV. hat die Künste wie kein zweiter zur Selbstdarstellung genutzt.

Er ist dabei sehr viel weiter gegangen als zum Beispiel sein Vorgänger Ludwig der Bayer. Er hat die besten Leute für seine Zwecke verpflichtet und zwar zunächst aus Frankreich und Italien, den Ländern, die er in seiner Jugend kennengelernt hatte. Bald formierte sich in Prag eine Gruppe von Künstlern, die auf der Basis dieser Vorbilder einen eigenen Stil ausbildete. Dieser Hofstil strahlte ins ganze Reich aus. Zu den Wegen, wie der Stil Verbreitung findet, gehören Geschenke. In Nürnberg übernahm der Hofkünstler Sebald Weinschröter die königlichen Aufträge und sorgte für das Bekanntwerden dessen, was der Kaiser schätzte, unter den Patriziern. Selbstverständlich ist die Kunst aus dieser Zeit fast immer an eine christliche Ikonografie gebunden. Sie war nicht frei, aber eben sakral überhöht. Und sie war in performative Akte eingebunden, das heißt, man bekam sie im Laufe von Prozessionen zu Gesicht oder bei Reliquienweisungen.

Welche Schätze hätten Sie gern für die Ausstellung gehabt, aber nicht bekommen?

Gerne hätte ich die Krone aus Środa Sląska gezeigt. In diesem Ort nahe Breslau, der auf deutsch Neumarkt in Schlesien heißt, wurde 1988 ein Goldschatz entdeckt, der von Karl IV. verpfändet oder verkauft worden war.

Dazu gehört auch eine Krone, die in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts für die Hochzeit einer Herrscherin angefertigt wurde. Es liegt nahe anzunehmen, dass sie Blanche de Valois, Karls erster Gemahlin, gehört hatte. Die Krone war in der Karls-Ausstellung der Prager Burg und ist jetzt wieder nach Breslau zurückgegangen. Wir sind dem Domkapitel in Aachen sehr dankbar für die Krone, mit der sich Karl 1349 an der Grabstätte Karls des Großen zum römisch-deutschen König krönen ließ und die er dann stiftete, damit sie die Reliquienbüste seines heiliggesprochenen Amtsvorgängers zierte. Diese goldene Büste hätten wir gerne ausgeliehen, ebenso den Krönungsmantel Karls IV., der in Aachen ebenfalls noch vorhanden ist.

Aber ich denke, dass die große Bedeutung Aachens und Karls des Großen auch so zur Geltung kommt.

Gibt es andere Geheimtipps von Ihnen, wo ein Nürnberger oder ein Gast unbedingt hingehen sollte, um Kaiser Karl IV und seine Hofkunst hautnah zu erleben?

Leider ist ja ein Hauptwerk Weinschröters 1944 zerstört worden; ich meine die Fresken in der Moritzkapelle, die neben der Sebalduskirche stand. Diese Fresken wurden im Auftrag des Kaisers gemalt, der mit ihnen der Geburt seines Sohnes Wenzel 1361 ein Denkmal setzte.

Aus der Werkstatt Weinschröters stammen wohl auch die Glasfenster der Marthakirche, die um 1370 von den angesehensten Nürnberger Patrizierfamilien gestiftet wurden. Als ein Brand im Juni 2014 die Marthakirche zerstörte, waren die Glasmalereien zum Glück gerade zur Restaurierung ausgebaut. Aus diesem Grund konnten wir ein ganzes Fenster aus St. Martha in Prag ausstellen. Die Besucher der Nürnberger Ausstellung müssen sich allerdings noch gedulden, bis die Marthakirche wieder aufgebaut ist. In der Stadt selbst ist die Frauenkirche das wichtigste Bauwerk aus der Zeit Karls IV., aber ein Geheimtipp ist das freilich nicht.

Es werden einige Prager Exponate exklusiv in Nürnberg ausgestellt, die bisher noch nicht in Deutschland gezeigt wurden. Was wäre das?

Ein Großteil unserer Exponate kommt erstmals nach Deutschland! Ich nenne von jeder Gattung ein besonders hochrangiges Stück: Die Votivtafel des Johann Očko von Vlašim. Das darauf abgebildete Porträt Karls IV. ist in diesen Tagen omnipräsent, weil es für unsere Ausstellung wirbt. Der Besucher kann es nun in seinem religiösen Kontext studieren.

Das Tympanon vom Nordportal der Teynkirche, ein Relief aus Kalkstein. Die drei Szenen aus der Passion Christi sind in ihrer Darstellung von Folter und Leid schon erschütternd genug. In der oberen Hälfte wird das Schicksal der Seelen des Guten und des Bösen Schächers gezeigt, was die Dramatik noch erhöht. Wenn es um Skulptur geht, kann ich aber die Büste der Margarethe von Brabant aus Genua nicht außen vor lassen. Sie hat Italien noch nie verlassen. Dargestellt ist die Großmutter Karls IV., deren Seele von Engeln in den Himmel geleitet wird, wobei der Bildhauer dies wie eine leibliche Himmelfahrt aussehen lässt. Aus der Wenzelskapelle im Prager Veitsdom, in die der Besucher gewöhnlich nicht hineingelangt, haben wir das Tabernakel ausgeliehen, in dem die Hostien aufbewahrt wurden. Es ist eines der ältesten Sakramentshäuschen überhaupt und imitiert die gotischen Architekturformen eines Kirchenbaus im Kleinen, besteht aber aus vergoldetem Eisen.

Was ist an Kaiser Karl IV wichtig für das Jahr 2016? Außer dass wir seinen 700. Geburtstag feiern.

Karls Epoche liegt in großer zeitlicher Ferne. Es ist im Rückblick nur in Ansätzen zu erkennen, was sich in den folgenden 700 Jahren entwickeln würde. Was damals besonders kennzeichnend war – die extreme Durchtränkung der Gesellschaft mit dem Religiösen – ist uns heute sehr fremd. Die absolute Willkür, der zum Beispiel die Juden Nürnbergs und anderer Städte im Reich ausgeliefert waren, obwohl sie dem König ungeheure Summen an Schutzgeld zahlten, stößt uns extrem ab. Es gab noch keine Gewaltenteilung und daher auch keine Rechtssicherheit. Und doch sind bei Karl moderne Ansätze zu erkennen, wozu die erste Verfassung für das heilige Römische Reich zählt, die sogenannte Goldene Bulle. Das Reich war damals ein weitaus komplizierteres Gebilde als die Europäische Union. Das, was die Fürsten und Chronisten seiner Zeit kritisierten und was uns heute fasziniert, ist vielleicht Karls politischer Realismus.

Herzlichen Dank Prof. Dr. Jiří Fajt für alle Informationen, für die Beantwortung der Fragen und dass Sie uns Lust auf die Ausstellung gemacht haben!
Text: Simone Hahn
Foto: Národní Galerie