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Eine historische Spurensuche zu Sebaldus
„Meine Verehrung!“

Eine historische Spurensuche zu Sebaldus 

„Meine Verehrung!“ lautet ein alter Gruß, der vollständig aus der Mode gekommen ist. Er löst aber ganz sicher interessante Reaktionen aus, wenn Sie ihn einmal verwenden.

Ähnliche Reaktionen löst es aus, wenn wir dieses Jahr von 950 Jahren der Verehrung des Sebaldus sprechen.

Anfang der Siebzigerjahre des 11. Jahrhunderts berichten drei voneinander unabhängige Quellen im Elsass, in Schwaben und in Hessen davon, dass zahlreiche Wallfahrer wegen der Wundertaten eines Sebald(us) an sein Grab unterhalb der Nürnberger Kaiserburg strömen, um den in den Berichten als heilig bezeichneten Mann zu verehren. 

Die ausführlichste Quelle ist die des Benediktinerabtes Lampert von Hersfeld. In seinen 1077/79 für sein Kloster Hasungen bei Kassel verfassten Jahrbüchern vermerkt er für 1072: „Hell leuchtend und hoch gefeiert war zu dieser Zeit per Gallias [für Lampert: im ostfränkischen Reich] das Andenken an

den heiligen Sebald in Nürnberg und an den heiligen Heimerad in Hasungen [der Ortsheilige seines – heute nicht mehr existierenden – Klosters]. Sie wurden wegen der Hilfe, die durch sie den Schwachen auf göttliche Fügung dort immer wieder zuteilwurde, täglich von einer großen Volksmenge aufgesucht.“

Diese Notiz des aus Franken stammenden und in der Diözese Bamberg ausgebildeten Priestermönches Lampert sowie die weiteren voneinander unabhängigen Belege sind unter verschiedenen Gesichtspunkten auch für die Stadtgeschichte insgesamt bemerkenswert:

Zum einen machen sie sehr wahrscheinlich, dass wir nicht von irgendeiner legendarischen Person reden, sondern von einer historischen Figur mit Namen Sebald.

Daneben sind sie das historische Zeugnis dafür, dass Sebald zur Zeit der Abfassung der Chronik bereits verstorben und in Nürnberg und darüber hinaus als Heiliger verehrt wurde.

Ein geordnetes und durch Rom gesteuertes Heiligsprechungsverfahren hat sich erst hundert Jahre später, im Jahr 1170, unter Papst Alexander III. durchgesetzt. 

Die Legenden entstehen

Sebald vielmehr ist wegen der faktischen Verehrung durch die Gläubigen heilig und anerkannt. Deshalb wird seine Begräbnisstätte von den Menschen aufgesucht. Diese „Heiligsprechung durch Verehrung“ (lateinisch: per viam cultus) muss von der Bamberger Diözesansynode vor 1072 bestätigt worden sein. Der 19. August wird als sein Todestag mit eigenen Messformularen gefeiert. Erst 1425 wird Sebald dagegen auch über den „römischen“ Weg kanonisiert. 

Mit Baubeginn der heutigen Sebalduskirche und des Pfarrhauses in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts blüht die Sebaldusfrömmigkeit noch einmal richtig auf und eine ganze Reihe von Legenden entstehen, die – oft einfach in Übernahme von Texten und Motiven aus dem Leben anderer Heiliger – den Menschen vom Leben des Nürnberger Stadtpatrons erzählen. In diesen Legenden wird Sebald überhaupt erst zum Eremiten, Pilger und dänischen Königssohn. Auf fromme Weise versuchen die Erzählungen, die mangelnde Kenntnis der Biografie Sebalds mit historischem Wissen zu harmonisieren. So sind Poppenreuth (heute ein Stadtteil von Fürth), der Reichswald und die Begräbnisstätte Sebalds erzählerisch miteinander verbunden worden.

Historisch wahrscheinlicher ist hingegen, dass Sebald ein Priester war, der von der Diözese Bamberg über die Pfarrei St. Peter und Paul zu Poppenreuth entsandt ist. Zur Zeit Kaiser Heinrich III., also um 1040, versieht er seinen seelsorgerlichen Dienst für die Menschen der wachsenden Ansiedlung unterhalb der heutigen Nürnberger Burg. Sebald verantwortet wohl den Bau einer Kapelle, die dem Petrus geweiht und der Pfarrei Poppenreuth unterstellt ist. 

Sie dürfte im Bereich des heutigen Ostchores der Sebalduskirche gelegen haben. Nach mittelalterlichem Recht war es dem einen Kirchbau verantwortenden Priester erlaubt, dort auch begraben zu werden. So kommt es zu Sebalds Grab an der Stelle, an der bis heute seine Gebeine aufbewahrt und von vielen Menschen seit mehr als 950 Jahren verehrt werden.

Mich fasziniert diese Glaubenskontinuität. Insofern gilt auch „meine Verehrung!“ unserem Sebaldus.

Text: Martin Brons
Foto: Archiv St. Sebald

Dem Leitartikel liegen diese beiden Bücher zugrunde:

500 Jahre Sebaldusgrab Herausgeber: Martin Brons, Thomas Schauerte und Manuel Teget-Welz, Regensburg 2021
Sebaldus: Einsiedler und Nürnberger Stadtpatron in Legende, Geschichte und Gegenwart Herausgeber: Martin Brons und Kathrin Müller, Münster (erscheint voraussichtlich Ende 2022 im Aschendorff Verlag)