Konzert
Konzert am Volkstrauertag
Requiem aeternam dona eis

Luigi Cherubini, 1760 zu Florenz geboren, 1842 in Paris gestorben, galt am Übergang von der Klassik zur Romantik als musikalische Autorität von europäischem Rang mit eindeutiger Gewichtung auf den französischen Kulturkreis. Doch wie gerät ein italienischer Musiker in diese kulturelle Aura? Nach Studien und ersten Opernerfolgen in Italien zog es ihn zunächst nach London, wo er sich weiter der italienischen Oper widmete. Erst 1787 ließ er sich endgültig in Paris nieder, das er bis auf einen kurzen Abstecher nach Wien 1805/06 nicht mehr verließ. Viele seiner französischen Opern entstanden vor und während der französischen Revolution. Zudem hatte er in dieser Zeit wichtige Ämter im Musikbetrieb inne. 1795 kam es zu einem bedauerlichen Karrierebruch aufgrund einer nie geklärten Feindschaft Napoleons zu ihm. Er legte alle Ämter nieder und komponierte in dieser prekären wirtschaftlichen Situation außer Opern vorwiegend Gelegenheits- und Festmusiken. Louis XVIII ließ ihn ab 1814 wieder in seine Ämter einsetzen. 1816 begann dann seine fruchtbarste Schaffensperiode, in der er sich vorwiegend mit geistlicher Musik, vokalen Kompositionen und Instrumentalmusik befasste. Darüber hinaus übte er bis kurz vor seinem Tod umfangreiche Lehrtätigkeiten aus. Als erster Musiker überhaupt wurde er mit dem Titel Kommandeur der Ehrenlegion geehrt.

Cherubinis historische Wertschätzung liegt vor allem in den exorbitanten Kompositionen für gewaltige Chor- und Orchestermassen, in denen er sich als revolutionärer Vorläufer von Hector Berlioz erweist. Die vollendete Orchestrierung durch die Beherrschung der einzelnen Instrumente und Gruppen, besonders der Bläsergruppen, machen ihn für die Zeitgenossen und die Nachwelt immens wichtig. Höhepunkte seines Schaffens nach 1816 bilden die Werke kirchlicher Gattungen. In ihnen erweist er sich als perfekter Meister vollendeter Kenntnis der kirchenmusikalischen Komposition seit der Renaissance,  perfekter Beherrschung des Chorsatzes und grandioser Orchestrierung. Basis dafür ist sein tiefer Sinn für die katholische Liturgie. Von Beethoven hochgeschätzt war er als Komponist sehr erfolgreich und einer der meist aufgeführten Komponisten seiner Zeit. Erst gegen Ende seines langen Lebens verblasste sein Ruhm und ließ viele seiner Werke in Vergessenheit geraten. In den letzten Jahren hat allerdings wieder eine allmähliche Hinwendung zu seinem Oeuvre begonnen.

Das Requiem c-moll entstand im Jahre 1816 und war für eine Gedenkfeier der Hinrichtung Ludwigs XVI. bestimmt. Der denkwürdigen Uraufführung folgten zahlreiche weitere in ganz Europa und das Werk galt schon bald als Musterbeispiel einer eindrucksvollen Totenmesse. Noch Robert Schumann und Johannes Brahms äußerten ihre Bewunderung zu dieser Komposition. Die Gliederung folgt der bekannten Textanordnung, wird jedoch durch ein kurzes Graduale und das Pie Jesu am Ende des Werks ergänzt. Cherubini verzichtet auf den Einsatz von Gesangssolisten und verwendet ausschließlich Chor und Orchester als Träger und Übermittler des textlich-musikalischen Geschehens. In der äußerst subtilen Instrumentation überwiegen die dunklen Klangfarben der Bläser, aber auch der oftmals geteilten tiefen Streicher. Von elementarer Wirkung ist der einmalige dröhnende Tam-Tam-Schlag zu Beginn des Dies irae.

Die umfangreiche Chorpartie ist von eindrucksvoller Vielfalt. Rein akkordischen Klangblöcken stehen polyfone Partien gegenüber und in wiederholt auftretenden Unisono-Passagen verlangt Cherubini dem Chor solistische Qualitäten ab. In weit gespannten dramaturgischen Bogen verläuft die Komposition vom flüsternd vorgetragenen, durch zahlreiche Fermaten immer wieder unterbrochenen Beginn über die drastischen Schilderungen des Dies irae bis hin zum friedvoll-verklärten Abschluss.

Cherubinis Requiem steht erstmals auf dem Programm der Sebalder Kirchenmusik, ebenso wie das von seinem Ausdruck und seiner Klanglichkeit eng verwandte „De profundis“ von Christoph Willibald Gluck, mit dem das Chorkonzert am Volkstrauertag eröffnet wird.

Als versöhnlicher Kontrapunkt zu den düsteren Klängen von Glucks Vertonung des 130. Psalms und Cherubinis Totenmesse steht in der Mitte des Programms Wolfgang Amadeus Mozarts Klarinettenkonzert A-Dur KV 622 mit Adrian Krämer, Soloklarinettist am Staatstheater Wiesbaden als Solisten.

 

Text: Bernhard Buttmann und Axel Emmerling